Hörspiel zwischen Unterhaltung und Radiokunst: Zusammenfassung

Der Versuch einer Inventur im ersten Kapitel dieses Teils (3.1) musste scheitern, nicht nur wegen der grossen Zahl der zu erfassenden Hörspiele, welche die Arbeitskraft eines einzelnen überfordert. Gerade die interessantesten, qualitativ anspruchsvollsten Produktionen sind, wie sich zeigte, keinen inhaltlichen Kategorien mehr eindeutig zuzuordnen, entziehen sich einer entsprechenden Typologisierung. Dennoch muss das Bestreben, vier wichtige Gattungen nicht nur in ihrem Umfang, sondern anhand von Einzelinterpretationen auch in ihrem Wesen möglichst exakt zu beschreiben, nicht als Misserfolg betrachtet werden. Das Fragment einer Bestandesaufnahme hat den Überblick über vier Genres ermöglicht, deren Bandbreite ausreicht für eine qualitative Analyse der schweizerischen Hörspielproduktion, wie sie im zweiten Kapitel (3.2) durchgeführt wird. In der Untersuchung von »unheimlichen Geschichten« und Komödien hat sich zudem erwiesen, dass das Hörspielprogramm von DRS-1 an uralte Traditionen anknüpft, die vor 1965 in der Produktion der Abteilung »Unterhaltung« aufgehoben waren. An der Gattung der Komödie lässt sich am deutlichsten beobachten, dass das Dialekthörspiel, das früher in den Kompetenzbereich der Abteilung »Folklore« fiel, in der »Abteilungs«-Periode hauptsächlich dem ersten Programm zugeordnet wurde, während Komödien in hochdeutscher Sprache eher im zweiten Programm angesiedelt waren. Dieselbe Tendenz lässt sich auch im Kriminalhörspiel erkennen, das zudem schon im Übergang zur Qualitätsstufe des zweiten Programms Ansätze macht, die Grenzen seiner Gattung zu sprengen. Während das Kriminalhörspiel und die Hörspielkomödie an eine lange Tradition anknüpfen und diese teils weiterentwickeln, teils sich in parodistischer Weise auf ihre Vergangenheit beziehen konnten, hatte das historische Hörspiel mit der Hinterlassenschaft des Schulfunks und der Geistigen Landesverteidigung ein schweres Erbe an zutreten. In der Notwendigkeit, sich von dieser Tradition zu emanzipieren, mag der tiefere Grund zu finden sein, weshalb die meisten Produktionen dieser Gattung sich an einem gehobenen qualitativen Standard orientieren. Die Breite des Stoffangebots und in gewissem Sinn auch die Beliebigkeit der Wahl machen eine besonders sorgfältige Vermittlung zwischen verschiedenen historischen Ebenen notwendig, wodurch die Aufmerksamkeit vermehrt auf die Nuancen der formalen Gestaltung gelenkt wird. Die experimentellen Montagehörspiele dieser Gattung lehnen sich nicht mehr nur an die Revuestruktur unterhaltender und informativer Programmteile an, wie dies im Bereich der Komödie öfter zu beobachten ist, sondern erreichen in Ausnahmefällen die Perfektion und Verbindlichkeit musikalischer Kompositionen.

Die Hörspiele der besprochenen vier Gattungen decken somit das ganze qualitative Spektrum zwischen Trivialität und Radiokunst ab. Sie lassen sich mit einiger Exaktheit fünf Stufen zuordnen, deren dritte im Übergangsbereich zwischen den beiden Programmen anzusetzen wäre. Auf eine exakte Definition dieser Stufen und die verbindliche Verortung aller in Kapitel 3.1 aufgeführten Hörspiele wurde allerdings verzichtet, da angesichts der subjektiven Komponente jedes ästhetischen Urteils so nur der Anschein grösserer Präzision erweckt worden wäre. Der Versuch einer qualitativen Gliederung schliesst mit dem Rückverweis auf die Problematik und zugleich Notwendigkeit eines
solchen Unterfangens, die schon zu Beginn des Kapitels thematisiert worden sind.