Arthur Welti

 

 

100 Jahre Hörspiel

Das Deutschschweizer Hörspiel 1925 -1990

Foto: Unternehmensarchiv SRF, Radiostudio Zürich

Wie die deutsche Schweiz zu ihrem Hörspiel kam


Der »öffentliche Rundspruch für alle« wird demnächst hundert Jahre alt. In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, wie das Radio in der deutschen Schweiz zu seinem Hörspiel kam und ob sich Parallelen zur Entwicklung in Deutschland ziehen liessen. Der erste Teil lässt sich mit historischen Daten leicht beantworten. Zum zweiten Teil braucht es etwas mehr Aufwand, um den komplexen Wechsel von Nähe und Distanz im Verhältnis zur deutschen Entwicklung aufzuzeigen. Konstant ist die gespannte Aufmerksamkeit, mit der von Anbeginn bis heute sowohl Programmverantwortliche wie auch Autoren und Kritiker die Entwicklung des Hörspiels in Deutschland verfolgen. In den ersten Jahren war man in zahlreichen Sendespielen und einzelnen für das Radio konzipierten »Hörspielen« auf Abgrenzung und teils peinliche Beschränkung auf schweizerische Eigentümlichkeit bedacht. Das erste eigens für die Inszenierung vor dem Mikrophon geschriebene Stück war »Der Fünflampenapparat« (1926) von Paul Altheer. Darauf folgte eine Periode der Annäherung, ja, geradezu der Über-Anpassung, die in Paul Langs »Nordheld Andrée« (1931) kulminierte. Arthur Welti fand schliesslich in seinem Originalhörspiel »Napoleon von Oberstrass« (1938) eine eigenständige Dialektik von Integration und Distanzierung, die durch die politischen Zeitläufte im In- und Ausland bedingt war. Diesem Dreischritt entsprechen die folgenden drei Kapitel über die Frühzeit des Deutschschweizer Hörspiels bis zum Ende des zweiten Weltkriegs.

Auch Weltis Hörspiel dient nur als besonders geeignetes Beispiel, um die Ansätze des Deutschschweizer Hörspiels zu einer (vorläufig) eigenständigen Entwicklung in den dreissiger und vierziger Jahren aufzuzeigen. Ein Unterschied in den Grundbedingungen besteht aber von Anfang an bis heute, der hier, noch vor der Erörterung in drei Etappen, summarisch behandelt werden muss: das Verhältnis zwischen Dialekt und hochdeutscher Standardsprache in der deutschen Schweiz. Dialekt kommt zwar auch im deutschen Hörspiel schon in frühester Zeit vor. Erwähnt seien hier Döblins »Geschichte vom Franz Biberkopf« (1929) und Johannsens »Brigadevermittlung« (1929). In beiden Fällen dient er nicht nur der regionalen Differenzierung, sondern ist typischerweise auch ein Indiz für die Schichtzugehörigkeit der Sprechenden: das Milieu der Arbeiter, Randständigen, Gauner und Prostituierten bei Döblin, jenes der einfachen Soldaten bei Johannsen, der – ähnlich wie Jakob Bührer, der Autor des schweizerischen Sendespiel-Zyklus »Das Volk der Hirten« (1925) – verschiedene Dialekte miteinander konfrontiert: einen Holsteiner, einen Berliner, einen Sachsen, einen Westfalen und einen Bayern. Damit wird hörbar, dass in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs Vertreter aller Regionen und Volksgruppen durcheinander gemischt werden. Die Offiziere sprechen Hochdeutsch, und dasselbe gilt auch für den Erzähler. Alle Rollen sind im Textbuch hochdeutsch abgefasst und wurden wohl bei der Inszenierung durch die Sprecher nach Bedarf in (ihren) Dialekt umgewandelt. Die deutschen Hörspiel-Autoren hatten für ihren Umgang mit Dialekt durchaus bedeutende literarische Vorbilder, etwa Hauptmann und Zuckmayer.

Für Schweizer, nicht nur des französisch-, italienisch- und rätoromanisch-, sondern auch des deutschsprachigen Landesteils, ist Hochdeutsch immer die erste Fremdsprache, deren korrekter Gebrauch erst in der Schule erlernt wird. Hochdeutsch wird in mündlicher Form vornehmlich in offiziellen Situationen verwendet, etwa in Nachrichten, amtlichen Verlautbarungen, Festreden oder Parlamentsdebatten, was nicht zuletzt politisch bedingt ist durch die Mehrsprachigkeit des Landes und die Notwendigkeit zur Verständigung unter den vier Sprachregionen. In neuerer Zeit wurde sogar schon der Versuch eines vollständig zweisprachigen Hörspiels gemacht (1): Eine Kompanie Deutschschweizer Soldaten ist in einem Dorf des »welschen« Landesteils einquartiert und versucht sich auf Berndeutsch mit den Einheimischen zu verständigen, die ihr patois romand sprechen - einschliesslich Liebesaffäre über die Sprachgrenze hinweg. Heute ist sogar ein Hörspiel möglich, das in ganzer Länge aus einem Dialog zwischen schweizerdeutsch gefärbtem Hochdeutsch und rheinischer Umgangssprache mit Kölner Tonfall besteht (2) – womit auch die »nationale Dialektgrenze« überschritten ist (wenn es denn eine solche gäbe). Auch für gebildete Schweizer ist und bleibt Hochdeutsch erste Fremdsprache, und wenn sie hochdeutsch reden, merkt man es den meisten an – sofern sie nicht gerade Schauspieler sind. Selbst bei flüssiger Verwendung des Hochdeutschen wird in der Regel nach dem ersten Wort schon aufgrund von feinsten Nuancen der Intonation klar, dass man es nicht mit einem native speaker zu tun hat. Unter Schweizern ist Dialekt nur ein Indikator für die regionale Herkunft der Sprecherin oder des Sprechers, jedoch niemals ein Merkmal sozialer Differenzierung.

Im Gefolge der Geistigen Landesverteidigung und auch noch bis in die sechziger Jahre hinein wurde Dialekt tendenziell oft zur nationalen Abgrenzung gegenüber dem deutschsprachigen Ausland kultiviert, was zum Eindruck der Beschränkung auf das »bluemete Trögli« führte. Der Ausdruck bezeichnete ursprünglich eine mit Blumenmotiven verzierte kleine Holztruhe, wurde in den Fünzigerjahren als Titel eines folkloristischen Sendegefässes von Radio Beromünster verwendet und stand von da an für eine besonders »ziselierte«, archaisierend ländliche Dialektform. Im Gegensatz dazu empfiehlt es sich, auch für die Periode vom Kriegsende bis zur Gründung der Abteilung »Dramatik« von Radio DRS bei der Analyse vom Potential auszugehen, das seit jeher im spezifischen Spannungsverhältnis zwischen Dialekt und Hochsprache steckt. Adolf Muschg hat dieses 1962 in seinem Hörspiel-Erstling zum Thema gemacht und versucht, »Mund-Art gegen geschliffenes Hochdeutsch durchzusetzen, ohne selber Mundart zu brauchen«.(3) Die Gestaltung dieses Spannungsverhältnisses reicht in einzelnen Produktionen bis in die dreissiger Jahre zurück, etwa zu Weltis »Napoleon von Oberstrass« (11.9.38) und zu Jürg Amsteins Radio-Operette »Susi erobert Zürich« (11.10.37). In Amsteins heiterem Hörspiel ist sogar schon spontanes switching zwischen Hochdeutsch (schriftdeutscher Mitteilungstext der Direktion) und Mundart (Anweisung des Personalchefs an die Sekretärin) durch dieselbe Person von einem Satz zum andern zu beobachten. Heute ist im Gefolge des Neuen Hörspiels jedes beliebige Mischungsverhältnis von Dialekten, nicht nur der deutschen Schweiz, Soziolekten, Umgangssprache, Bühnenhochdeutsch und Fremdsprachen möglich, auch im Übergang zu asemantischen oralen Äusserungen sowie zu Gesang, Musik und anderen Schallereignissen. In einem Land, dessen mündliche Umgangssprache von den Klängen einer Vielzahl von Dialekten bestimmt wird und die in einem stetigen Spannungsverhältnis zur vorwiegend geschriebenen Standardsprache steht, war es möglicherweise leichter als anderswo, die von Bischoff und Döblin postulierte »Entliterarisierung« voranzutreiben und »Sprachsteller« zu finden, die im Hörspiel »Dinge machen, die gesprochen werden, die tönen.«(4)

Die Forschung hat jedenfalls heute erkannt, dass »feste Merkmalszuweisungen« im Verhältnis der Autoren zu Mundart und Schriftsprache nicht haltbar sind und dass in diesem Bereich »allgemeine Aussagen kaum mehr möglich zu sein« scheinen.(5) Im Umstand, dass die schweizerische Literatur »aus der Differenz zwischen dem Eigenen, der Mundart, und dem Fremden, der Hochsprache, lebe und dass sie diese Differenz in der Literatur austrage«, sieht Michael Böhler »eines der wesentlichsten Merkmale der Literatur in der Schweiz«. Die Untersuchung des Hörspiels im Sinne einer entsprechenden »Differenz-Ästhetik« sollte ihre Aufmerksamkeit also gerade auf den Dialekt, der vielfach wie bei Muschg »auf der Lauer« steht, und auf das simultane Auftreten beider Sprachformen in einzelnen Produktionen wie auch im Rahmen der gesamten Produktion richten. Eine getrennte Behandlung von Dialekt-Hörspielen und solchen in hochdeutscher Sprache verbietet sich von daher. Allerdings wird durch die Verwendung von Dialekt auch die »Reichweite« des Deutschschweizer Hörspiels stark eingeschränkt: Im Süden von Baden-Württemberg und Bayern und in Vorarlberg werden die weniger »exotischen« Dialekte der deutschen Schweiz noch ohne Weiteres verstanden, jenseits dieser Übergangsbereiche aber sind die meisten Hörerinnen und Hörer damit überfordert.

Die folgenden Abschnitte sind im Wesentlichen Zusammenfassung von Passagen, die in meinem Buch »Das Deutschschweizer Hörspiel« (1995) nicht nur ausführlicher, sondern wesentlich präziser nachzulesen sind, Zusammenschau auch von Passagen, die dort getrennt voneinander auftreten. Das Buch enthält ein annähernd vollständiges Verzeichnis aller Deutschschweizer Originalhörspiele von 1926-1990 sowie ein umfangreiches Register und ist derzeit im antiquarischen Buchhandel noch erhältlich. Nur an wenigen Stellen der folgenden synoptischen Darstellung zur Anfangsphase bis 1945 bin ich auf weiter führende Fragen und neue Erkenntnisse im Detail gekommen, z.B. bei Richard Schweizer, dessen Bedeutung ich ursprünglich noch zuwenig betonte, da kaum etwas über sein Hörspielschaffen bekannt ist. Die auf Anhieb zugänglichsten und interessantesten Teile meines Buches scheinen mir bis heute die etwa dreissig Interpretationen einzelner Hörspiele zu sein, mit denen ich im Wesentlichen immer noch einverstanden bin. Die Präzisierung und allenfalls Korrektur meiner Ergebnisse, vor allem aber die Fortsetzung der Arbeit für die Periode nach 1990, muss den Nachgeborenen überlassen bleiben.


Volkstheater als Fundus                                                       (nach oben)

Zum ersten Mal wurde in der Schweiz im Jahr 1905 eine drahtlose Verbindung zwischen Rigi und Gotthard hergestellt. Die ersten Empfangskonzessionen wurden ab 1911 an Uhrmacher erteilt, welche die Zeitzeichen von ausländischen Sendern empfingen. Das Militär leistete Pionierarbeit bei der Entwicklung des Funkwesens, das auch in der neutralen Schweiz während des ersten Weltkriegs einen starken Aufschwung erfuhr. Im Unterschied zu Deutschland entstand daraus aber kein sozialpolitischer Druck, der zur Gründung von öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten führen musste. Da ausländische Sender den Betrieb schon früher aufgenommen hatten, wurde bald klar, dass man, auf lokaler Ebene, dem Beispiel folgen müsste. Und wie in Deutschland stand in der Folge auch »von vornherein fest, dass der Rundfunk als Kulturfaktor auch eine neue Kunst schaffen müsse.«(6) Die erste öffentliche Sendeanlage der Schweiz, die dritte in Europa, wurde 1922 von der Stadt Lausanne erstellt. Sie diente dem Luftverkehr auf dem Champ-de-l'Air, stand aber nach der Landung des letzten Flugzeugs am Abend auch dem Broadcasting zur Verfügung, wie sich der Unterhaltungsrundfunk anfangs nannte. Am 26.10.22 wurde von dieser Station die erste öffentliche Radiosendung der Schweiz ausgestrahlt.

Ende 1923 zählte man in der Schweiz 980 Empfangskonzessionen. Nach längerer Vorbereitung fand am 16.2.24 die Gründungsversammlung der Radiogenossenschaft in Zürich statt. Ein halbes Jahr später, am 23.8.24, nahm der Zürcher Sender, der als erster in der Schweiz ausschliesslich Unterhaltungssendungen ausstrahlte, seinen Betrieb auf. Die Berner Radiogenossenschaft wurde am 15.8.25 gegründet, die Radiostation Bern am 19./20. November desselben Jahres in Betrieb genommen. Die Radiogenossenschaft Basel konstituierte sich am 3.2.26 und eröffnete am 19.6.26 ihr erstes Studio.

Äusserste Sparsamkeit galt als Devise für die Direktoren aller drei Sender der deutschen Schweiz. Der Direktor des Berner Senders verfügte 1926 über einen Tageskredit von einhundert Franken; potentielle Mitwirkende musste er oft »wie ein Handköfferli-Reisender« (Hausierer) zu Hause aufsuchen, da seine schriftlichen Anfragen in der Regel ablehnend oder gar nicht beantwortet wurden (7), und auch neue Hörer versuchte er anfangs auf ähnliche Art zu akquirieren, in ländlichen Gegenden ebenfalls oft erfolglos. In Zürich beteiligten sich die Mitglieder des leitenden Ausschusses aktiv an der Administrationsarbeit. Die Radiogenossenschaft Basel konnte sich zunächst nur einen nebenamtlichen Direktor leisten; die Darsteller arbeiteten in der ersten Zeit ehrenamtlich, ohne einen Lohn zu beziehen. Die knappe Finanzlage war bis zur Gründung der »Schweizerischen Rundspruchgesellschaft« (SRG), der Dachgesellschaft aller Schweizer Studios, im Jahr 1931 ein anhaltendes Thema und Mitursache der zögerlichen Entwicklung des Hörspiels in der deutschen Schweiz.

Es begann ur-schweizerisch – mit dem Urner Spiel von Wilhelm Tell (3.1.26) aus dem 16.Jahrhundert, vor dem Mikrophon aufgeführt durch Mitglieder der Freien Bühne Zürich, einer Laientheatergruppe, die während der nächsten Jahre die meisten Aufführungen des Zürcher Senders bestritt. Man wollte damit auf Altbewährtem aufbauen und auf jeden Fall avantgardistische Experimente wie Fleschs »Zauberei auf dem Sender« vermeiden, um die noch wenig zahlreichen Hörerinnen und Hörer nicht zu vertreiben. Im Kontrast zur ersten, ambitionierten Produktion von Studio Bern (Anton Tschechow, »Heiratsantrag«, 10.1.26) betonte der Zürcher Sender damit nationale Eigenart und Eigenständigkeit. Obwohl es sich in beiden Fällen um die Adaption dramatischer Werke handelt, die ursprünglich für die Bühne verfasst worden waren, bezeichnete man diese Produktionen noch als »Hörspiele«. Wenig später wurde für solche Adaptionen der Ausdruck »Sendespiel« eingeführt. Das Urner Tellenspiel präsentierte sich besonders archaisch in seiner dem innerschweizerischen Urkundendeutsch nahe stehenden, gebundenen und gereimten Sprachform des Urtextes. Dennoch wurde die Hörerschaft durch die einfache, plastische Handlung des halbstündigen Spiels wohl kaum überfordert. Das Stück endet mit Tells pathetischem Eid:

»Das wir keinen tyrannen mee dulden,
Versprechen wir by unsern hulden.
Also sol Gott vatter mit sim sun,
Ouch heiliger geist uns helffen nun.«(8)

Dabei blieb es in den nächsten Jahren zum grossen Teil. Die Termini wurden zwar definiert und differenziert, als »Hörspiele« wurden spätestens ab 1928 nur noch »radio-eigene« , d.h. eigens für das Radio geschriebene dramatische Werke mit entsprechender Thematik, bezeichnet. Aber die Sendespiele dominierten das Programm. Die meisten waren »Vereinsstückli«, ganz und gar anspruchslose Dialektkomödien, die für die Aufführung durch die zahlreichen Laientheater-Vereine berechnet waren, im ländlichen oder kleinbürgerlichen Milieu der Schweizer Gesellschaft spielten und auch auf ein solches Publikum abzielten. Die Figur des Ausländers oder auch nur des Bewohners eines Nachbarkantons, der ein hörbar anderes Idiom spricht, war oft Objekt des Spotts und prädestiniert für die Rolle des erfolglosen Sonderlings. In Zürich war den Baslern dieser Part zugedacht, auf allen Sendern der deutschen Schweiz tendenziell die Ostschweizer Dialekte von Schaffhausen über Thurgau bis Sankt Gallen. Prominenter Vertreter dieser Gattung unter den Autoren war Richard Schneiter, dessen heitere Szenen aus der Sammlung »Der röslirote Krähenvogel« über das helvetische Festhütten- und Alltagsleben mit fünf Aufführungen bis 1930 die erfolgreichste Quelle von Sendespielen waren.

Das Niveau dieser grotesken Revue-Nummern lässt der Schaffhauser Jakob Bührer weit hinter sich mit seinem satirischen Zyklus »Das Volk der Hirten«, der als Wegbereiter des politischen Schweizer Cabarets gelten kann. 1925 erschien die Gesamtausgabe mit zehn Spielen, deren erste sechs von Radio Zürich vor dem Mikrophon inszeniert wurden. Hauptpersonen sind unter anderen ein Basler und ein Zürcher Nationalrat, ein Bildhauer aus Bellinzona, eine Lehrerin von Estavayer am Lac de Neuchâtel sowie weitere Nationalräte aus Lausanne und Schaffhausen, die zusammen eine Reise durch die Alpenregionen, Symbol schweizerischer Einheit und Eigenart, unternehmen; das Personenverzeichnis sowie die namentliche Benennung der Herkunftsorte der Protagonisten zeigen, dass es dem Autor um eine Darstellung der Vielfalt in der helvetischen Einheit geht. Die Schweiz ist ein kleines und kleinräumiges Land, wo man schon nach dreissig Kilometern in eine andere Dialekt- oder gar Sprachregion gelangen kann, aber Kleintun, das sich in Diminutiven wie »röslirot« oder »Vereinsstückli« manifestiert, war schon damals fehl am Platz. Jakob Bührer hat hier korrigierend eingegriffen und gezeigt, welcher sprachliche Reichtum in der Kleinräumigkeit steckt.


Das erste Hörspiel in Deutschland war ein Paukenschlag – verglichen mit den markigen Knittelversen von Wilhelm Tell, die mehr als ein Jahr später über den Zürcher Sender gingen. Der Autor Hans Flesch, promovierter Arzt und damals schon ein erfahrener Rundfunk-Professional, bezeichnete seine »Zauberei auf dem Sender« (Frankfurt, 24.10.24) im Untertitel als »Versuch einer Funkgroteske« und betonte damit den vorläufigen, experimentellen Charakter der Live-Produktion. Heinz Schwitzke, der Apologet des literarischen Worthörspiels, nannte es im Rückblick »mehr eine Spielerei als ein Spiel«(9) und erkannte wohl damit – entgegen seiner kritischen Intention – das wahre Anliegen von Flesch, der eine Märchentante und einen Zauberer in den geordneten, damals schon etablierten Ablauf einer Sendung eingreifen lässt. Im zweiten Teil steigert sich das Chaos diversester Schall-Ereignisse bis zur »Maschinenraserei«: »Der Sender spielt verrückt!« Der Zauberer will die Hörer zu »Funkzuschauern« machen und damit unter der Hand das Fernsehen einführen, das damals in Deutschland versuchsweise bereits erprobt wurde. Der durch Schadzauber mehrfach entstellte Donauwalzer wird aber schliesslich durch intensive Willensanstrengung des Sendeleiters zu seiner gewohnten, harmonischen Form restituiert – womit die Radiowelt wieder in Ordnung ist und das Spiel endet. Die Störung des Programms erzeugt einen Moment der Anarchie, die Flesch erlaubt, das ganze Spektrum radiophoner Mittel vorzuführen, aus dem sich das gesuchte Radio-Kunstwerk Hörspiel entwickeln könnte – mehr nicht. Vertreter des Neuen Hörspiels in den siebziger Jahren sahen in der Inszenierung dieser anarchischen Episode »die Einsicht früher Rundfunkpioniere in die grundsätzlich vorhandenen Möglichkeiten des Mediums«(10); ihre Vermutung, Flesch hätte damit die »bereits sichtbar gewordenen Tendenz zur Erstarrung« kritisieren wollen, ist aber vielleicht etwas überzogen. Der Frankfurter Intendant nahm sich kraft seines Amtes wohl einfach die Freiheit, die Mittel des neuen Mediums, das die Märchentante als »so schrecklich erwachsen« bezeichnet, spielerisch zu erkunden, bevor Kritiker und Theoretiker die Regeln des Spiels endgültig festlegen konnten. August Soppe zeigt, dass in der theoretischen Erstarrung ein grundlegendes Problem bestand und dass in Deutschland für diese ersten Jahre das »Bedingungsverhältnis zwischen praktischer Erprobung des Hörspiels und seiner theoretischen Definition umzukehren« sei.(11) Der Diskurs zur Theoriebildung setzte vor allem in den deutschen Programmzeitschriften »Funk« und »Der Deutsche Rundfunk« schon zu Beginn des Jahres 1924 ein und wurde über zwei Jahre hinweg intensiv geführt.

Das etablierte Programm wurde vorerst fortgesetzt, die Suche nach dem Radiokunstwerk Hörspiel ging weiter. Ein grosser Sprung gelang Friedrich Walter Bischoff, dem literarischen Leiter und späteren Intendanten des Senders Breslau, der Germanistik und Philosophie studiert, als Lyriker und Dramatiker debütiert und als Dramaturg am Theater Erfahrungen gesammelt hatte, mit seinem Hörspiel »Hallo, hier Welle Erdball« (Breslau, 4.2.28). Dieses hatte im Unterschied zu Fleschs Erstling literarische Qualitäten und orientierte sich an zeitgenössischen Werken, unter anderem an Döblins Alexanderplatz-Roman: Der auf vier Platten überlieferte Teil ist eine Collage von Musikeinlagen und Zeitungsausschnitten aller Art, vom Inserattext und trivialen Fortsetzungsroman bis zu Versen von Stefan George, vorgetragen von diversen Sprecherinnen und Sprechern. In unmittelbarem Anschluss an die Titel-Ansage heisst es: »Wer dort?« Darin klingt sogar schon Brechts Wunsch nach zweiseitiger Kommunikation über das Medium Rundfunk an. Für beide Rundfunkpioniere, Flesch und Bischoff, war charakteristisch, dass sie nicht nur promovierte Akademiker waren, sondern über künstlerische Erfahrung und über ein weit verzweigtes Netzwerk von bedeutenden Intellektuellen, Literaten und Musikern verfügten. Der Schwager von Flesch, der Komponist Paul Hindemith, fand so früh schon einen direkten Zugang zum Radio und war am Lindbergh-Oratorium von Bert Brecht und Kurt Weill massgeblich beteiligt.

Auch in der Schweiz stand von Anfang an fest, dass »eine dem Broadcasting spezielle Kunst, ein charakteristisches Hörspiel«(12) entwickelt werden sollte, und auch hier war die Theorie der Praxis immer einen Schritt voraus. Das erste »richtige« Radio-Hörspiel lancierte dann allerdings – wie in Frankfurt und Breslau – ein Praktiker in doppeltem Sinne: der erfahrene Autor zahlreicher »Vereinsstückli«, die teils zu Sendespielen aufbereitet worden waren, Paul Altheer, der zudem von 1925-27 Sendeleiter der Zürcher Radiostation war. Er war daher nicht auf die Visionen der Kritiker und Theoretiker angewiesen, sondern inszenierte einfach ein neues Stück seiner bereits auf der Bühne und im Radioprogramm bewährten Sammlung »Helvetisches Bilderbuch«vor dem Mikrophon mit allen derzeit zu Gebot stehenden technischen Mitteln, die ihm als Radiomann bestens vertraut waren. Als Ausführende traten live die Mitglieder der Zürcher »Freien Bühne«unter der Leitung von Hans Bänninger auf. Altheer ging also ähnlich wie Flesch an seine Aufgabe heran, doch spielt sein Hörspiel in breitem Züritüütsch (Zürcher Dialekt) auf der Volksbühne, statt hochdeutsch auf der Weltbühne. Wie für viele Exponenten der deutschen Rundfunkanstalten zwischen 1924 und etwa 1927 (Hans Flesch, Alfred Braun, Hans Bodenstedt, Friedrich Walter Bischoff u.a.) galt also auch für ihn die »Personalunion zwischen Autor und Produzent«.(13)

Die ersten drei Folgen des »Helvetischen Bilderbuches« waren lustige Einakter, die bloss auf Elemente verzichteten, welche am Radio nicht dargestellt werden konnten. Von diesen unterschied sich das erste »richtige« Hörspiel der Serie, »Der Fünflampenapparat« (16.7.26), nur darin, dass das Stück »aus dem Milieu des Radios heraus für den [sic] Radio geschrieben wurde«(14) und also als Selbstdarstellung des Radios im Radio gedacht war. Dies entspricht einer naiven Vorstellung vom Hörspiel, die zur Zeit auch bei ausländischen Sendern noch verbreitet war. Fleschs »Zauberei auf dem Sender« und »Maremoto« von Cusy und Germinet lassen den Hörer an einer fiktiven Radiosendung teilhaben, und auch Hughes’ dramatische Szenen im Dunkeln in »A Comedy of Danger« könnten durch kein anderes Medium adäquater vermittelt werden. Altheer dagegen machte nicht die Produktion eines Programms, sondern dessen Rezeption und die Reaktion der Hörerinnen und Hörer darauf zum Thema seines Spiels und unterstrich damit einmal mehr – bewusst oder unbewusst – das Streben des Zürcher Lokalsenders nach grösstmöglicher Nähe zum Publikum und nach ökonomischem Erfolg. Auch ein weiterer Unterschied fällt auf: Flesch hatte eine systematische Störung des Programms inszeniert und am Schluss den normalen Sendebetrieb wieder hergestellt. Altheer lässt seine naiven Zuhörerinnen und Zuhörer auf diverse Störungen reagieren und sein Spiel in der Zerstörung enden: Der Familienvater zertrümmert den störrischen Empfangsapparat mit Getöse, da momentan kein Sender den von ihm verlangten Berner-Marsch im Programm führt. Man wendet sich frustriert vom Zukunftsmedium Radio ab und dem altbewährten Plattenspieler zu. Das hatte eine reale Entsprechung in der Erfahrung des Berner Radio-Direktors, der Emmentaler Bauern erfolglos eine Konzession verkaufen wollte; diese lachten ihn aus und kauften sich aus ihrem Markterlös Grammophon-Apparate.

August Soppe unterscheidet drei Grundformen der Hörspielbestimmung, die sich schon 1924/25 abzeichneten und die bis heute in unterschiedlicher Gewichtung gelten: 1. »Das Hörspiel als Schauspiel für Blinde«, 2. »Das Hörspiel als Wortkunstwerk« , 3. »Das Hörspiel als Schallspiel«.(15) Um ein literarisches Wortkunstwerk handelt es sich bei Altheers »Fünflampenapparat« mit Sicherheit nicht. Eine kleinbürgerliche Familie und deren Besucher hören ein Potpourri von Sendungen, das ihnen der Sohn auf seinem neuen Luxus-Empfänger mit fünf aufgesteckten Radioröhren (»Lampen«) präsentiert. Die sketchartigen Dialoge über die Tücken der komplizierten technischen Apparatur, die Empfangsqualität und die Inhalte der empfangenen Sendungen ersetzen die weitgehend fehlende Handlung. Ein Grossteil der akustischen Effekte, die in diesem Stück tatsächlich eine wichtige Rolle spielen, geht auf das Radio zurück, das ja Thema des Spiels ist. Obwohl die Dialoge gelegentlich in einer Radio-Kakophonie untergehen, die entfernt an den zweiten »Akt« von Fleschs Hörspiel erinnert, kann das Stück als Ganzes auch nicht als Schallspiel gelten. Einer Inszenierung durch eine Laienschauspieler-Truppe steht kaum etwas entgegen, da das Stück keine Elemente enthält, die auf der Bühne nicht auch repräsentiert werden könnten. Ein »Schauspiel für Blinde« ist es nur insofern, als es der visuellen Darstellung nicht unbedingt bedarf. Die Bezeichnung als »Radio-Lustspiel« ist insofern bewusst doppeldeutig, als man sie als Lustspiel zur Aufführung am Radio, aber ebenso gut im Sinne von Altheers »Radio-Roman« als Lustspiel zum Thema Radio deuten kann. Man muss deshalb feststellen, dass sein »Fünflampenapparat« an der Grenze dessen steht, was im Ausland zur Zeit als Originalhörspiel aufgefasst wurde, dass es aber im Hinblick auf Struktur und Gehalt doch eher ein Bühnenstück zum Thema Radio aus der Perspektive des Rezipienten ist.

Man könnte mit Spott und Missbilligung auf diesen Beginn mit mehr oder weniger trivialen »Vereinsstückli« aus dem Milieu des Volkstheaters herunterschauen. Aber in diesem Humus wurzelt das Deutschschweizer Hörspiel mit bedeutenden Auswirkungen bis heute. Diese für die Laienbühne geschriebenen Stücke sind ein Reservoir der dialektalen Vielfalt und bewahrten die Hörspielpioniere der Deutschschweizer Sendestationen anfangs davor, auch die weitgehende Normierung des standardsprachlichen Hörspiels nachzuahmen. Im Dialekthörspiel wurde in den sechziger Jahren eine besondere Qualität des Schweizer Hörspiels gesehen – zu Recht, wenn auch in dieser Beschränkung zu Unrecht mit dem Beigeschmack des Provinziellen. Noch mehr als zwei Jahre vergingen, bis man 1929 feststellen musste: »Der Vorrat an guten Dialektlustspielen (vor allem in Zürcher Dialekt), die für eine Hörspielaufführung in Frage kommen, ist heute so ziemlich erschöpft. Die besten Stücke sind schon wiederholt aufgeführt worden, so dass jetzt nichts anderes mehr übrig bleibt, als zu schriftdeutschen Stücken zu greifen.«(16) Typisch für die Schweiz ist der Ausdruck »schriftdeutsch«. Der Anstoss, literarische Spiele ins Programm aufzunehmen, ging von Hans Bänninger aus, der als Leiter der »Freien Bühne« an den radiodramatischen Produktionen der Zürcher Station von Anfang an beteiligt war. Dabei dachte man an Klassiker im weiteren Sinne, wie sie von Beginn an durch die deutschen Stationen als Sendespieladaptionen produziert wurden, etwa an Stücke von Shakespeare, Hebbel, Schnitzler, Strindberg, die länger als eine Stunde dauern und »einen grösseren Apparat erfordern«. 1927 wurde deshalb das »Kammerspielensemble« gegründet, dem Bänninger als Regisseur und verantwortlicher Leiter bis 1958 vorstand; ab 1931 wurde dieses Ensemble, das als eigentliches Instrument des Übergangs vom Sendespiel zum radioeigenen Hörspiel diente, mit dem nun zutreffenden Namen als »Hörspielgruppe von Radio Zürich« bezeichnet.(17) Anfänglich dominierten noch, wie man sich vorgenommen hatte, Sendespieladaptionen von Klassikern, vornehmlich der modernen dramatischen Literatur. 1927 wurden zum Beispiel Bühnenstücke von Strindberg, von Hofmannsthal und Schnitzler inszeniert; 1928 sendete man unter anderem Werke von Tschechow, Tolstoi, Schnitzler und Strindberg sowie mehrere Einakter von Curt Götz, der damals gerade seine ersten Erfolge feierte.


Erste Hörspiele                                                       (nach oben)

Das erste »richtige Radiohörspiel« von Altheer, das 1926 über den Sender ging, gab sich noch als »Scherz ganz besonderer Art«(18). Das Ringen um das »radioeigene« Hörspiel an sich, das im Jahr darauf einsetzte und sich über Jahre hinzog, entbehrte solcher heiterer Aspekte weitgehend. Erst in letzter Zeit hat sich die Hörspielproduktion – zumindest in der Schweiz – von normativen dramaturgischen Vorgaben befreit und einen spielerischen Zugang zurückerobert, wie ihn Flesch in seiner »Zauberei« erprobte. Die erste Periode der Entwicklung war stark geprägt von den dramaturgischen Ansätzen des Weimarer Rundfunks, die sich in Artikeln der schweizerischen Radio-Programmzeitschrift spiegelten und vor allem von Autoren und Radioleuten vertreten wurden, die selbst Erfahrungen bei deutschen Sendeanstalten gesammelt hatten oder das Geschehen im Ausland aus der Ferne aufmerksam verfolgten.

Entsprechende Produktionen des Weimarer Rundfunks konnte Richard Schweizer aus erster Hand kennen lernen, der nach einem Literaturstudium in Zürich und Debüt als Filmkritiker der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) Mitte der zwanziger Jahre als Journalist und Fotoreporter für Schweizer Tageszeitungen in Berlin arbeitete. Im Unterschied zu Altheer war er kein Insider des Mediums, sondern verfolgte die Entwicklung des Hörspiels in Deutschland aus der Sicht des radio-unabhängigen Publizisten und Kenners des zeitgenössischen Stummfilms. Vermutlich berichtete er als Korrespondent auch über das grassierende »Radiofieber« in der Metropole Berlin und über die Hörspielversuche von Gunold, Flesch, Bischoff, Brecht/Weill/Hindemith, Ruttmann, Kesser und anderen. Belege dafür müssten in aufwendiger Forschungsarbeit in Schweizer Zeitungsarchiven recherchiert werden. Von Schweizer stammt das Skript der Reihe »Hörbilder aus Zürichs Vergangenheit«. Mit dem Ausdruck »Hörbild« verbanden sich noch keine klaren Vorstellungen. Die erste Produktion des Zyklus, »Ein Abend im Hause Wesendonk« (25.11.27), wurde denn an anderer Stelle auch als »Hörspiel« bezeichnet. Sie wollte – wie die Versuche deutscher Kollegen – »nur als Experiment gewertet sein« und bestand aus einer Synthese von Musik und Gesang von Richard Wagner mit Dialogen von Richard Schweizer. Das Stück spielt in der Villa Wesendonk in der Enge bei Zürich an einem Herbstabend im Jahr 1857; als prominente Hauptpersonen treten unter anderen auf: Mathilde Wesendonk, Richard Wagner, Hans und Cosima von Bülow, Gottfried Semper und Gottfried Keller.(19) Schon anderthalb Jahre nach Altheers Versuch also hatte man zum literarischen Worthörspiel gefunden, das zudem ein anspruchsvolles musikalisch-literarisches Thema in hochdeutscher Sprache zum Gegenstand hatte. Die Textbücher zu Schweizers Hörspielen sind leider bis heute nicht aufgefunden worden. Ansonsten liesse sich, zum Beispiel durch ein Remake, prüfen, in wieweit diese ersten wirklichen Originalhörspiele des Zürcher Senders auch heute noch ihre Wirkung haben. Auffällig ist, dass die Spiele nie mehr wiederholt wurden, obwohl ihr Konzept so modern anmutet, und dass Schweizers Beiträge als Hörspiel-Autor in biografischen Abrissen mit keinem Wort erwähnt werden.

Auch das Szenario des zweiten Hörspiels von Richard Schweizer, »Klopstocks Fahrt nach der Au« (9.5.28), könnte aus unseren Tagen stammen, was sich von den meisten Produktionen der Zeit keineswegs behaupten lässt. Vielleicht hat sich der Autor bei der Wahl des Themas von Robert Faesis »Zürcher Idylle« (1908) inspirieren lassen, die aber näher bei der historischen Wahrheit bleibt. Faesi war ihm als Literaturhistoriker mit Sicherheit bekannt. Die Bezeichnung »Hörbild« ist irreführend, handelte es sich doch um eine Spielhandlung, die einen historischen Stoff in höchst freier Weise und ohne dokumentarische Ansprüche gestaltete. Die Zeiten, da man das Radio als tauglichstes Thema für ein Hörspiel betrachtete, waren vorbei, und mit den zahlreichen noch folgenden Produktionen, welche Pioniere und deren Taten sowie die Errungenschaften und Gefahren der modernen Technik den Hörern vor Ohren führten, hatte dieses Hörspiel nichts gemeinsam. Es versuchte in schlichter Weise, einem anekdotisch angelegten literaturhistorischen Stoff, der im Lokalen verwurzelt ist, aber auch darüber hinausweist, ein gewisses Mass an Belehrung und Unterhaltung abzugewinnen: ein bescheidener, aber wirkungsvoller Ansatz. In seinem Hörspiel »Napoleon auf St. Helena«, das ein Jahr später (12.7.29) gesendet wurde, liess Schweizer den verbannten Feldherrn mit dem Meer, dem Wind, der Sonne, ja mit dem eigenen Schatten sprechen, um dessen grenzenlose Verlassenheit auszudrücken und ihm als einer Figur von weltgeschichtlicher Bedeutung adäquate »Gesprächspartner« gegenüberzustellen. Die Naturelemente werden aber auch historisch motiviert durch Napoleons Auffassung, dass sich Wasser, Luft und Feuer seiner Welterneuerung feindselig entgegengestellt hätten. »Letzten Endes ist alles, was gesagt und erwidert wird, Selbstgespräch, eine Äusserung von Selbstspott, Selbstanklage und Selbsttrost, wie sie nur der einsamsten Seele entspringen kann.«(20) Wollte damit Schweizer, ähnlich wie Kesser mit »Schwester Henriette« (12.8.29), die Möglichkeiten des inneren Monologs im Hörspiel ausloten? In formaler Hinsicht scheint sein Napoleon-Hörspiel auch mit Brechts gleichfalls 1929 geschriebenem Radiolehrstück »Der Flug der Lindberghs« (29.7.29) verwandt zu sein, in welchem Naturelemente – Nebel, Schneesturm, die Wasser des Atlantik aber auch der Schlaf, die Stadt New York, die Kontinente Amerika und Europa – als Gegensprecher des Fliegers auftreten.

Mehr ist bis heute nicht bekannt über die Hörspiele von Schweizer, die ihm vermutlich als Fingerübungen für seine höchst erfolgreichen Tonfilm-Szenarien nützlich waren. Eines seiner Film-Drehbücher, »Die missbrauchten Liebesbriefe« (1940), war eine Adaption einer Novelle von Gottfried Keller und nahm somit den Bezug zum Zürcher Dichter auf, dem eine Hauptrolle in seinem ersten Hörspiel zukommt. Die Typoskripte von Schweizers Hörspielen sind im Archiv von Radiostudio Zürich nicht überliefert, und auch über die Begleitumstände ist wenig bekannt: Waren es Auftragsarbeiten, oder ging die Initiative auf den Autor zurück? Wer führte Regie? Wer waren die Ausführenden? War der ganze Text hochdeutsch, oder gab es schweizerdeutsche Passagen (Keller, Bodmer)? Wie ähnlich war das »Napoleon«-Hörspiel dem inneren Monolog von Kessers Epoche machendem Hörspiel? Gab es epische Ansätze? Welche Rolle spielten Geräusche? War die Musik in die Spielhandlung integriert oder eher revueartig eingestreut? Gab es bereits Überlagerungen und blendenartige Übergänge, und wie wurden diese technisch realisiert? Schweizer ging anfangs der dreissiger Jahre zum Film und wurde bekannt als Verfasser zahlreicher Drehbücher, für die er zweimal einen Oscar sowie einen Golden Globes Award erhielt. Seine Arbeiten für den Film sind bestens dokumentiert. Sein Nachlass, beginnend mit dem Jahr 1933, lagert im Stadtarchiv Zürich, dessen Verzeichnis die Hörspiel-Arbeiten nicht erwähnt.

Die Zeit der billigen Dialektkomödien, -satiren und -grotesken war jedenfalls spätestens 1929 vorbei. Nebst Theater-Adaptionen und Inszenierungen ausländischer Produktionen wurden nun zunehmend Hörspiele in hochdeutscher Sprache mit ernster, oft historischer Thematik produziert. Eine Besonderheit der ersten beiden »Hörbilder aus Zürichs Vergangenheit« besteht darin, dass sie nicht einen beliebigen historischen Stoff aufarbeiten, sondern im genauen Schnittpunkt von deutscher und schweizerischer Kulturgeschichte spielen.

Auf die Ausschreibung eines Hörspiel-Wettbewerbs durch die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft waren im Jahr 1927 fast 1200 Arbeiten eingesandt worden. Dennoch wurden keine Preise vergeben, da die Einsendungen den eng gefassten und qualitativ hohen Erwartungen der Jury nicht entsprachen. Ein Grossteil erwies sich als Adaptionen von Theaterstücken. Unter den Übrigen lehnte man aber auch wirklichkeitsorientierte Formen mit grossem Geräuschaufwand und vor allem die Gestaltung sozialkritischer Themen ab. Immerhin wurden den Sendern sieben Arbeiten zum Ankauf empfohlen. Trotz dieses scheinbaren Misserfolgs entschieden sich drei Jahre danach die Deutschschweizer Radiogenossenschaften, gemeinsam mit dem Schweizerischen Schriftstellerverein (SSV), zur Ausschreibung eines eigenen Wettbewerbs und betonten, dass die Preissumme von insgesamt 2'500.- unter allen Umständen ausbezahlt würde. Zugelassen waren Skripte in hochdeutscher Sprache oder in Dialekt, das Thema war frei und die Jury setzte sich je zur Hälfte aus Vertretern der Radiogenossenschaften und des SSV zusammen.

1929 waren über deutsche Sender zwei Hörspiele zu der im Vorjahr gescheiterten Nordpol-Expedition von Umberto Nobile ausgestrahlt worden: Walter Erich Schäfers »Malmgreen« und Friedrich Wolfs »S.O.S. ... Rao Rao... Foyn – ›Krassin‹ rettet ›Italia‹«. In den folgenden Jahren bis 1932 wurden weitere so genannte Pionier-Hörspiele über kühne Nordpolfahrer, Flieger und Bergsteiger gesendet. Das Thema lag also in der Luft, als Paul Lang es in seiner Einsendung unter dem Titel »Nordheld Andrée« zum Deutschschweizer Hörspiel-Wettbewerb aufgriff, die mit dem ersten Preis ausgezeichnet und am 6.3.31 gesendet wurde. Langs Hörspiel zur Zeitgeschichte liegt die Expedition des schwedischen Ingenieurs und Polarforschers Salomon August Andrée zugrunde, der 1897 mit zwei Begleitern von Spitzbergen aus aufgebrochen war, um zum ersten Mal den Nordpol mit dem Freiballon zu überfliegen. Das Unternehmen scheiterte, und erst 1930 fand man die Überreste der Expedition. Presseberichte sowie Andrées Tagebücher, die noch im selben Jahr in deutscher Übersetzung erschienen, dürften Lang als Quellen für sein Hörspiel gedient haben. Dass der spektakuläre Fund noch lange nachwirken und ein grosses Publikum in seinen Bann ziehen würde, konnte er mit Sicherheit annehmen, und darauf spekulierten auch die Vertreter der Jury, denen er seinen ersten Preis verdankte. Formal grenzt Lang sein Werk gegenüber den auf dem Sendespiel basierenden »Hördramen« ab und bezeichnet es als »Rundfunk-Epopöe«, deren Geschehen sich gemäss seiner rundfunk-ästhetischen Typologie, die noch im selben Jahr in der Radio-Zeitung erschien, auf verschiedenen Schauplätzen abspielt. Der chronologische Aufbau ist durch grosse Zeitsprünge geprägt, wird aber durch keinerlei Rückblenden unterbrochen.

Ermöglicht wird die »Ubiquität« von Langs Epopöe durch eine Dramaturgie der Blende, die sich Friedrich Walter Bischoff 1928 erstmals in seiner Produktion »Hallo, hier Welle Erdball« zunutze gemacht hatte. Mit Hilfe eines Potentiometers konnte man erstmals »Szenen aus- und einblenden, steigern und gliedern, mit Hilfe von Schallplatten damals kompliziert erscheinende Überschneidungen entwickeln. In jener Nacht, da wir so zum ersten Male experimentierten«, erinnert sich Bischoff, »waren die ersten Formen des wirklichen Hörspiels jenseits fader Geräuschkulissen, wie sie zunächst üblich waren, geboren.«(21) In Langs Spiel erhalten »akustische Kulissen« eine positive Konnotation und werden nun systematisch genutzt für den Übergang von einer Szene zur anderen. Leitmotivische Funktion kommt dabei vor allem dem Brausen des Windes zu, das mittels Raum- oder Zeit-Blende oft in die vertrauten Geräusche des Alltags übergeht. An anderer Stelle wird der Ortswechsel angezeigt durch räumliche Überblendung eines musikalischen Motivs: »Nach dem Schluss des rauschenden dalekarlischen Tanzliedes ertönt dieselbe Melodie von einer Spieldose gespielt.« (S.22) Auch eine kurze Pause, die der Wirkung eines Schnittes gleichkommt, kann den Szenenwechsel markieren. Musik, Geräusch und Blende sind die Elemente, die von nun an als dramaturgische Mittel die Synthese von Wortkunst und Technik im Hörspiel bestimmen. Der Ausdruck »Phonomontage« weist darauf hin, dass man sich wie schon Bischoff zur Überblendung zwischen Geräusch- bzw. Musikpassagen häufig der Schallplatte als Tonträger bediente. Lang gestaltet also nicht nur ein Thema, das auch jenseits der Landesgrenze auf Interesse stösst und damit erstmals ein Schweizer Hörspiel »exportierbar« macht. Er ist auch auf der Höhe der zeitgenössischen Hörspiel-Dramaturgie und geht darin sogar einen Schritt weiter als viele deutsche Pionier-Hörspiele, deren Blendentechnik noch weniger ausgefeilt war. Auf die Ambiance fernmündlicher Übertragung, der sich Wolf und Johannsen noch als Kunstgriff bedienten, verzichtet er dabei konsequent.

Wolfs Hörspiel über die »Italia«-Katastrophe dramatisiert – oft in Form von Funksprüchen aus aller Welt – die Rettung der Nobile-Mannschaft aus dem Packeis durch den Eisbrecher ›Krassin‹ und propagiert mit viel Pathos die Solidarität der jungen Sowjetunion mit den Völkern der Erde. Ganz anders Langs Hörspiel, das Andrées Unternehmen zwar zum Teil ebenfalls aus der Aussenperspektive darstellt, aber einerseits die Hörerinnen und Hörer in langen Passagen nah an den Polarforscher und sein Team heranführt, diesen aber zugleich als einen der letzten Helden der Neuzeit überhöht. Als heroisch erscheint der »Nordheld« des Titels vor allem aus der Sicht der Nachwelt und seines Begleiters Strindberg, der Andrée in ungebrochener Bewunderung bis in den Tod folgt, während dieser selbst in seiner letzten Stunde abwehrt und eingesteht, er sei wohl bei seinem Unternehmen doch »ein bisschen heftig... unvorsichtig« gewesen.(S.35) Hinter dem Heldentum prächtiger Männer steht die mehr leidende Tapferkeit der Frauen, beides scheinbar gründend in christlicher Transzendenz. Von daher nur rechtfertigt sich, »dies schrecklich harte, entbehrungsreiche Leben zu ertragen« (S.42) oder eben als »Held« für das Kollektiv zu sterben. Bedenkt man, dass Andrées Unternehmen im Spiel viel mehr durch solch irrationale Impulse als durch rationale Beweggründe motiviert ist, so erscheint das Hörspiel trotz aller formalen Qualitäten eher bedenklich, das da als bestes im ersten Schweizer Wettbewerb ausgezeichnet wurde und dessen tragischer Gehalt den Hörern als »etwas Schauerlich-Grosses« erscheinen und bei ihnen »tiefere Erschütterungen« bewirken sollte.(22) »Nordheld Andrée« wurde von Schweizer Stationen – auch in italienischer und französischer Übersetzung – bis 1952 mindestens achtmal gesendet. In einer Neu-Inszenierung wurde 1944 aus der Titel-Figur ein »Nordpolflieger Andrée« – die Helden hatten sich bis dahin wohl etwas überlebt. Radio Zürich produzierte von Lang in regelmässigen Abständen auch weitere Hörspiele, mehrere über Persönlichkeiten der Schweizer Geschichte. Eine ähnliche Produktion wie sein Erstlingshörspiel war 1942 die Schulfunksendung »Die tragische Südpolexpedition des Kapitäns Scott. Hörspiel in sieben Bildern«.

Der Heldenkult von Langs Nordpol-Hörspiel kommt faschistischem Gedankengut gefährlich nahe – was allerdings kein Zufall ist. Paul Lang schloss sich 1930 der Neuen Front an und entwickelte sich zu einem wichtigen Exponenten dieser anti-demokratischen, dem italienischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus nahe stehenden schweizerischen Bewegung. In seiner staatstheoretischen Schrift »Lebendige Schweiz« vertrat er 1935 unter anderem die Auffassung, die Schweiz müsse sich der gesamteuropäischen Entwicklung anpassen, der siebenköpfige Bundesrat sei durch einen mit autoritären Vollmachten ausgestatteten »Landammann« zu ersetzen. Unter seinen Schriftsteller-Kollegen befand er sich allerdings in guter Gesellschaft, reisten doch schon im Herbst 1933 der Präsident und der Sekretär des Schweizer Schriftstellervereins zu Verhandlungen mit der Reichsschrifttumskammer nach Berlin, um vorteilhafte Publikationsbedingungen für SSV-Mitglieder in Nazi-Deutschland auszuhandeln.(23) Lang war in den dreissiger Jahren der wohl radio-aktivste Schweizer Autor, der sich immer wieder mit Informationen über in- und ausländisches Hörspielschaffen, Polemiken und Anregungen zuhanden der Programmschaffenden bemerkbar machte. 1932 übernahm er die Leitung der Radiokommission des SSV von seinem sozialdemokratischen Antipoden Jakob Bührer, der sich danach in der Diskussion um Radio- und Hörspielfragen eher zurückhielt und sich auch am zweiten Hörspiel-Wettbewerb nicht beteiligte.

Durch den ersten Schweizer Hörspiel-Wettbewerb trat auch eine gegensätzliche Problematik offen zutage, die an ein Dilemma im Weimarer Rundfunk anschliesst. Den zweiten Preis erhielt Rudolf B. Mäglin für sein Hörspiel »Anna II«, das von Studio Bern produziert und am 14.3.31 gesendet wurde. Auch darin geht es um ein Thema, das nicht typisch für schweizerische Verhältnisse war: um das Bergwerksunglück von Alsdorf bei Aachen, das sich in jüngster Vergangenheit ereignet hatte. Die Dialoge im dunklen Grubenschacht nehmen das uralte Konzept des »Schauspiels für Blinde« wieder auf, das nach dem britischen Auftakt in Deutschland in vielen Variationen inszeniert worden war. Für Schweizer Verhältnisse war aber neu und ungewöhnlich, dass Mäglins Hörspiel für einmal nicht die Taten bürgerlicher »Helden« thematisierte, sondern »den ewigen Kampf ums Leben, den der Bergmann gegen die Erdgewalten führen muss.«(24) Leise reden die Eingeschlossenen, erzählen sich »von ihrem Leben, sehen das Elend in dem sie aufgewachsen sind und fühlen verbitterter denn je die Härte des Schicksals, das sie zwang in diese gefährlichen Schächte hinunterzusteigen und das Leben zu wagen, damit sie ein paar Pfennige mehr verdienen würden.« Der Verfasser der Besprechung in der Radio-Zeitung verwahrte sich allerdings gegen ihre defaitistischen Äusserungen und schrieb diese der bedrängenden Situation zu, welche einige der Opfer »irres und gefährliches Zeug« reden lässt: »Das ist nun so ein Moment, der jede Anklage gegen die Gesellschaft und ihre Ordnung zum furchtbaren Fluche werden lässt.« Der düstere Naturalismus, der in hartem Kontrast zu Langs Idealismus steht, schien den Offiziellen des Radios ebenso inakzeptabel wie der deutschen Jury die zahlreichen sozialkritischen Arbeiten, die im Hörspielwettbewerb 1927 zurückgewiesen wurden. Als Fortschritt kann man aber immerhin werten, dass ein solches Werk – trotz derart skeptischer Beurteilung – mit dem zweiten Preis bedacht und produziert wurde.

Am Schluss der zweiten Phase steht ein Hörspiel, das wie Mäglins Arbeit ein in Deutschland längst obsoletes Thema, eine fiktive technische Katastrophe, gestaltet: Martin Rosts »Stille um L303« (17.3.34), das 1951 neu inszeniert wurde und in dieser Version heute im Klassiker-Archiv von Radio SRF zugänglich ist. Ein Luftschiff – wiederum ein für schweizerische Verhältnisse völlig untypisches Motiv – reisst sich von seiner Verankerung los und wird mit Passagieren an Bord von Sturmwinden auf den Atlantik hinaus getrieben. Über die Funkverbindung eines Reporters kann das Radio-Publikum die Katastrophe hautnah mitverfolgen, was heute noch teilweise peinvoll anmutet. Neu an diesem veralteten Szenario war die Reaktion eines Teils des realen Hörspiel-Publikums, der das fiktionale Spiel mit der Realität einer Live-Reportage verwechselte. Zehn Jahre zuvor hatte das französische Marine-Ministerium weitere Ausstrahlungen von »Marémoto« von Cusy und Germinet verboten, um eine solche öffentliche Irritation zu vermeiden. Rost nahm mit seinem Katastrophen-Hörspiel einen Effekt vorweg, den sich vier Jahre später Howard Koch und Orson Welles in ihrem Hörspiel »The War of the Worlds« systematisch zunutze machten, um mit einem sehr viel phantastischeren Setting, der Invasion der »Marsianer«, eine ungleich stärkere Wirkung zu erzielen. Um das Spiel zu einem Happy-End führen zu können, ohne die dramatische Entwicklung vorzeitig abzubrechen, schien es dem Autor nötig, sein Luftschiff mit einem Sender, nicht aber mit einer funktionstüchtigen Empfangsanlage auszurüsten. Darin spiegelt sich der Status quo des technischen Mediums Radio, für das Bertolt Brecht 1932 – vergeblich – forderte, es sei »aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln«, seine Aufgabe sei es, »den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen«, ihn »als Lieferanten zu organisieren.« (25) Rosts Hörspiel hat insofern geradezu programmatischen Charakter, als es, entgegen den immanenten Bedingungen seines Themas, die reine Distributionsfunktion des Radios reproduziert. Kommunikation wäre der dramatischen Entwicklung hinderlich, ja würde das ganze Spiel unter Umständen erübrigen.

Die Hörspiele von Mäglin und Rost offenbaren – trotz positiver Effekte – eine anachronistische Tendenz, die seit Anbeginn charakteristisch ist für die Entwicklung des Deutschschweizer Radios und Hörspiels im Verhältnis zur Entwicklung im Weimarer Rundfunk. Schon zu Beginn zeigte sich ein Rückstand von einem Jahr im Hinblick auf den Sendebeginn und auf die erste dramatische Sendung. Altheer experimentierte ein Jahr nach Flesch mit Geräusch-Effekten. Wenn man davon ausgeht, dass erst »Ein Abend im Hause Wesendonk« von Richard Schweizer 1927 den ersten Ansatz zur Produktion eigentlicher Hörspiele darstellt, so bedeutet dies schon einen Rückstand von drei Jahren. Dasselbe trifft auf die Ausschreibung eines Hörspiel-Wettbewerbs durch die Deutschschweizer Radiostationen und den SSV zu. Das mit dem ersten Preis ausgezeichnete Werk von Lang war ein Heroen-Hörspiel, wie es in Deutschland seit mindestens einem Jahr in Mode war; die Dramaturgie der Blende hatte Bischoff schon drei Jahre zuvor entdeckt und entwickelt. Mäglins »Anna II« thematisierte erstmals in der Schweiz, allerdings durch den entfernten Schauplatz in Mitteldeutschland deutlich distanziert, die Nöte proletarischer Protagonisten, lange, nachdem deutsche Autoren das Thema aufgegriffen hatten. Die Hör-Sensation einer Katastrophe, diesmal das Versagen moderner Luftfahrt-Technik, konnte noch 1934, zehn Jahre nach dem Début von Hughes (1924) und Cusy/Germinet (1924), das Zeppelin-Hörspiel von Rost zum Thema machen, nachdem unter anderen von Gunold (1925), Schäfer (1929), Wolf (1929), Schirokauer (1930) und Braun (1932) Produktionen dieses Typs über die Sender gegangen waren. Nur einer hatte das Ohr am Puls der Zeit und war mit seinen Hörspielen der deutschen Entwicklung mitunter sogar voraus: Richard Schweizer, dessen »Hörbilder aus Zürichs Vergangenheit« das literarische Worthörspiel vorwegnahmen und dessen »Napoleon«-Monolog wenige Wochen vor Kessers »Schwester Henriette« und Brechts »Flug der Lindberghs« gesendet wurde; »Schwester Henriette« war allerdings schon 1928, vermutlich in englischer Übersetzung, von Radio London ausgestrahlt worden. Ausgerechnet von Schweizers Hörspielschaffen wissen wir aber nur sehr wenig, ausschliesslich aus Einträgen im Sende-Journal von Radio Zürich und aus Ankündigungen und Besprechungen der schweizerischen Programm-Zeitschrift. Und ausgerechnet von diesem Autor hörte man nach 1929 nichts mehr im Schweizer Radioprogramm.


Autarkie und Geistige Landesverteidigung                                (nach oben)

»Als der Rundfunk sich anschickte, seine Kinderschuhe abzulegen, wurden ihm SA-Stiefel angezogen«, so Hermann Kasack. Kaum hatte sich das Deutschschweizer Hörspiel in seinen wichtigsten Repräsentanten weitgehend, ja, sogar allzu weit gehend, auf die Produktion des deutschen Rundfunks ausgerichtet, verlor es diese Orientierung wieder und war nun mit der Notwendigkeit konfrontiert, seinen eigenen Weg zu suchen. Die Übernahme des Rundfunks durch die Nationalsozialisten war schockartig und nachhaltig. Die Radiopioniere der Weimarer Republik sassen ab Frühjahr 1933 in Untersuchungshaft und hatten sich in der Folge in einem Rundfunk-Schauprozess gegen den Vorwurf der Korruption und Verschleuderung von »Volksvermögen« zu verteidigen. Für die weitere Entwicklung des deutschen Rundfunks bedeutete dies, dass sich fortan jede Sendung den Forderungen des NS-Regimes zu beugen hatte. Für den schweizerischen Rundspruch hatte es »zur Folge, dass sich schweizerisches Radioschaffen in seinen Resultaten doch wesentlich vom deutschen Vergleichsprogramm unterschied. Bei aller Ähnlichkeit der technischen Instrumente und der programmlichen Fragestellungen waren im gleichen Sprachraum zwei verschiedene geistige Welten entstanden.«(26) Als Folge des Machtwechsels in Deutschland zog aber für die schweizerische Hörspiel-Produktion am Horizont auch eine neues Schreckbild der Unfreiheit auf: Zensur im Namen der Geistigen Landesverteidigung. Aber die Massnahmen waren – auch aus heutiger Sicht – unumgänglich und in ihrer praktischen Umsetzung moderat. Das Erfolgsrezept bestand wohl darin, dass die vom Staat verordnete und kontrollierte Geistige Landesverteidigung auf überzeugende Art von Medienpraktikern umgesetzt wurden, die – wie Arthur Welti – das Vertrauen des Publikums genossen. »Im Erleben der Zeitgenossen ging es um eine als echt empfundene Identität und kollektive Abwehr einer von Deutschland und Italien ausgehenden geistigen und kulturellen Bedrohung.«(27)

Schon 1932, also noch vor dem Ende der Weimarer Republik, zeichnete sich die Tendenz der SRG zum Rückzug auf nationale Positionen ab, die sich unter anderem in verstärkter Werbung für die Schweiz als Tourismus-Destination und im Ausbau des Programm-Angebots für Auslandschweizer äusserte. 1934 forderte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates stärkere Anstrengungen der SRG im Sinne der Geistigen Landesverteidigung (GLV). Generell war die SRG gehalten, »sich mit den ausländischen politischen Verhältnissen überhaupt nicht zu befassen«(28), sondern der massiven ausländischen Rundfunk-Propaganda durch möglichst attraktive, professionell gestaltete eigene Programme entgegenzuwirken. 1938 wurde der Berner Studiodirektor Kurt Schenker, der sich durch seine bisherige Linientreue profiliert hatte, beauftragt, ein »Aktionsprogramm zum weitern Aufbau der geistigen Landesverteidigung« zu entwerfen. Ein Abstract in zehn Punkten wurde noch im selben Jahr in der Radio-Zeitung publiziert. Für die Hörspielproduktion waren die folgenden Punkte massgebend:

»1. Wir möchten uns bewusst jeder Kritik an fremden Einrichtungen enthalten. Beromünster muss sich hüten, die politische Anstandstante Europas spielen zu wollen. [...]

3. Wir freuen uns, zu zeigen, was wir in der Schweiz an politischen und wirtschaftlichen Freiheiten und Rechten, aber auch an Pflichten besitzen. [...]

9. Wir senden weiter Bilder unserer Heimat, Lieder unseres Volkes, die Sprache unserer Altvorderen. Was bodenständig und echt, gehört neben den Arbeiten unserer geistigen Elite ans Mikrophon.

10. Wir sind aber auch verpflichtet zu zeigen, dass unser Volk ebenfalls seine Feste und Freuden, die Frau ihren Kuchen und der Mann seinen Stumpen hat. Kurz gesagt: Wir müssen in die Schweizer Schädel hineinhämmern, dass es uns gar nicht schlecht, zum mindesten besser als den uns umgebenden Ländern geht.«(29)

Durch Betonung der Freiheiten und Pflichten gemäss Punkt 3 sollte vor allem der Wehrwille des gesamten Volkes gestärkt werden, was nach der Erinnerung von Max Frisch auch gelang: »Man rechnete mit dem deutschen Überfall. Ich hatte Angst. Ich war dankbar für alles, was nach Waffe aussah. Ich verweigerte mich jedem Zweifel an der Armee.«(30) Dennoch äusserte er sich rückblickend auch sehr kritisch über die »Stimme der Heimat«, die er als obrigkeitlichen Jargon und schweizerisches Pendant zur Propaganda des Feindes durchschaute: »Selbstvertrauen aus Folklore. Was mir damals nicht auffiel: der dezente Geruch von Blut-und-Boden – helvetisch.«(31) Eine prononcierte Behauptung, die sich aber durch Zitate aus Hörspieltexten der damaligen Zeit einwandfrei belegen lässt.

Ferdinand Hodlers Tell trat mit erhobener Armbrust den Leserinnen und Lesern der Schweizerischen Radio-Zeitung auf der Titelseite jener Nummer im September 1937 entgegen, die in ihrem ganzen Umfang der Geistigen Landesverteidigung gewidmet war. Da wurden zuhanden des breiten Publikums die in Punkt 9 genannten »Altvorderen« vorgestellt, die im Kontrast zur totalitären Propaganda »bodenständiges und echtes« Schweizertum repräsentieren sollten: Niklaus von Flüe, Heinrich Zschokke, Heinrich Pestalozzi, Johannes von Müller, Paul Vital Troxler, Jeremias Gotthelf und Gottfried Keller. Frauen wurden namentlich keine genannt, doch wurde in einem Artikel spekuliert, wie die wiedergeborene Stauffacherin aus Schillers »Wilhelm Tell« sich wohl eine ideale Schweizerin der Gegenwart vorstellen würde.– Entgegen der Forderung von Punkt 1 ging man in dieser GLV-Nummer der Radio-Zeitung noch ausgesprochen weit in der Kritik totalitärer Verhältnisse im Ausland, z.B. der gleichgeschalteten Presse oder von Schauprozessen einer parteiischen Justiz. Die folgenden Jahre bis zum Kriegsende waren geprägt durch geistige Abwehr und Selbstzensur. Eine systematische Präventivzensur durch externe Stellen gab es aber auch während des Krieges nicht. Die Programme wurden durch Abhören der Sendungen kontrolliert, was auf eine geschickte Verstärkung der internen Selbstzensur hinauslief. Diese konnte darin bestehen, dass einzelne Wörter und Sätze, aber auch ganze Textpassagen, in Absprache mit dem Verfasser oder auch ohne dessen Mitwirken, gestrichen wurden, was die Autoren meist ohne weiteres akzeptierten, wie etwa Georg Thürer und Ernst Kappeler in ihren Erinnerungen bezeugen. Nur in einzelnen Fällen wurde ab 1940 von der Abteilung für Presse und Funkspruch im Armeestab vorgängig Manuskriptvorlage gefordert, zum Beispiel für ein Hörspiel von Franz Fassbind, das als »ein ausgesprochenes pazifistisches Tendenzstück« angesehen wurde.(32)

Problemlos fügten sich vor allem unterhaltende Dialekt-Produktionen in dieses GLV-Konzept ein, nicht zuletzt deshalb, weil der Dialekt per se eine Abgrenzung gegenüber ausländischen Produktionen signalisierte. Das Radio hatte anfangs der dreissiger Jahre gerade seine »Steinzeit«-Phase überwunden, das improvisierte Zufallsprogramm war einem strukturierten Programm gewichen, als die deutschen Sender und später auch die Sender der anderen Krieg führenden Nationen mit ihrer Funkpropaganda einsetzten. Diese war eingebettet in ein Arrangement von »Kettenmusik«, die populär war und die Aufgabe hatte, von den bedrängenden Zeitumständen abzulenken. Solche Angebote kamen der Tendenz breiter Schichten entgegen, den nunmehr technisch weiterentwickelten und im Preis attraktiveren Radioempfänger als Grammophonersatz zu nutzen. Da nun die Schweizer Studios zunehmend die Devisen der Geistigen Landesverteidigung auch aktiv verbreiten mussten, wurden Wort-Sendungen oft nach ausländischem Vorbild in einen gefälligen musikalischen Kontext eingebettet oder im Anschluss an beliebte volkstümliche Produktionen programmiert. Schon früh ging man auch dazu über, aufklärende und belehrende Inhalte in Form von Hörfolgen oder unterhaltenden Dialektszenen, Sketches und Gedichten mit musikalischer Umrahmung zu bunten Monatssendungen zusammenzustellen, über deren Beliebtheit zum Beispiel der Jahresbericht der RGZ 1942 berichtet:

»Nachdem im Jahre 1940 die bunte Sendung ›Kaleidoskop, Miniaturen des Monats‹ ein sehr günstiges Echo gefunden hatte, weiteten unsere Herren Welti, Rösler und Steingrube diese Sendungen zu einer Art Hörspiel in Fortsetzungen aus, zu der heiteren Chronik eines Miethauses ›Brunnenhofstrasse elfundzwanzig‹. [...] Erfreulicherweise fanden auch diese Sendungen sehr viel Beifall, so dass man fast sagen kann, dass der ›Brunnenhof‹ mit seinen Typen, nicht zuletzt mit den Brunnenhofkindern, fast zu einem lustigen schweizerischen Begriff geworden ist.«(33)

Brunnenhofstrasse 22 war seit 1931 die reale Adresse des neuen Zürcher Radiostudios. Als besonderes Verdienst der Deutschschweizer Studios lobte der SRG-Generaldirektor unmittelbar nach dem Kriegsende, dass sie »eine neue Art eines typisch schweizerischen Radio-Kabaretts geschaffen« hätten, »bunte Darbietungen, die der Unterhaltung dienen, dabei aber auch offenherzig Mängel und Fehler im öffentlichen oder privaten Leben aufzeigen und lachende Wahrheiten aussprechen, von denen eine heilsame Wirkung ausgeht.«(34) Eine lockere Folge von »Kaleidoskop«-Szenen zu aktuellen Themen wie dem Hamstern von Nahrungsmitteln, der Evakuierung in angeblich kriegssichere Gebiete, der Beteiligung an der »Anbauschlacht«, aber auch ganz und gar unpolitischen Sujets bildete also den Ursprung von Dialekthörspiel-Zyklen, welche bald einen ungeahnten Aufschwung nahmen und zu einem guten Teil für den legendären Ruf des Schweizer Dialekthörspiels in der Nachkriegszeit bis 1965 sorgten. Solche Zyklen, oft mit mehr als zehn Folgen, waren aus dem Programm bald nicht mehr wegzudenken. Bekannt und beliebt waren nach der Serie »Brunnenhofstrasse elfundzwanzig« (1941) zum Beispiel »Gross- und Kleinbäckerei Tünkli. Eine heitere Familienchronik« (1944) von Max Werner Lenz, Emil Hegetschweiler und Arthur Welti, »Landarzt Dr. Hilfiker« (1952/53), »Oberstadt-Gasse. Das Leben einer Strasse « (1955/56) und »Familie Heiri Aeppli« (1960) von Jakob (Schaggi) Streuli. Aus den Titeln wird ersichtlich, dass es sich um kleinbürgerliche Familien-Unterhaltung handelte – wie schon in den Sendespielen von Schneiter und Altheer in der frühesten Pionierzeit. Am populärsten waren Streulis endlose Serien um »Polizischt Wäckerli« (1949/50, 1962), die bezeichnenderweise in »Allenwil« spielen. Der Ortsname kann zugleich »jederzeit« und »überall« bedeuten (wobei Letzteres auf die Schweiz und genau genommen auf den Kanton Zürich zu beschränken wäre). Der Name des Protagonisten endet wieder einmal typischerweise mit einem Diminutiv auf -li, und das Adjektiv »wacker« drückt mit seinen Bedeutungsnuancen (nach Duden: anständig, rechtschaffen, ehrlich, redlich; tüchtig, tapfer; sich frisch und kraftvoll einsetzend ) das Selbstverständnis des dargestellten und angesprochenen Kleinbürgers perfekt aus. Zu den »Strassenfegern« (weil zur Sendezeit angeblich die Strassen leer gefegt waren) gehörten auch die berühmten Gotthelf-Zyklen des Berner Studios, die anfangs der Fünfzigerjahre vor allem wegen ihrer Übertragung in gefälliges Berndeutsch im Stil des »bluemete Trögli« von Kritikern und Literaturwissenschaftlern äusserst kontrovers diskutiert wurden. Einen repräsentativen »Beitrag der deutschen Schweiz zum europäischen Hörspielschaffen« sah Armin P.Frank 1963 im »volksnahe(n) Mundartspiel mit sozialkritischem und pädagogischem Einschlag«, wie es nach seiner Auffassung zum Beispiel die Serie »Es Dach überem Chopf« von Jean-Pierre Gerwig und Kurt Früh (1961) darstellte.(35)

Als besonders geeignet für die Vermittlung von GLV-konformen Programminhalten erwies sich das Hörspiel mit historischer Thematik, meist in hochdeutscher Sprache. Den Auftakt hatte schon Richard Schweizer mit seinen frühen literarischen Worthörspielen gemacht. Die im ersten Wettbewerb prämierten Werke von Lang und Mäglin fügen sich bestens in diese Tradition ein. Auch drei Preise im dritten Hörspiel-Wettbewerb von 1937/38 gingen an historische Werke von Friedrich Hochstrasser, Arthur Welti und Traugott Vogel. Jubiläen boten vielfach Gelegenheit zu entsprechenden Produktionen, so 1931 das 50-Jahr-Jubiläum der Gotthardbahn und 1939 die 600-Jahr-Feier der Schlacht bei Laupen. Das Jubiläum »650 Jahre Schweizerische Eidgenossenschaft« allein brachte 1941 fünf grosse historische Hörspiel-Retrospektiven über die Schlachten am Morgarten und bei St. Jakob an der Birs, über Ulrich Zwingli und Hans Conrad Escher von der Linth sowie über die Gründung des Bundesstaates hervor. Zur 750-Jahr-Feier der Stadt Bern entstand im selben Jahr ein aufwendiges Radio-Festspiel mit Musik und Chorgesang. Historisch-biographische Produktionen galten unter anderen Hans Waldmann, Rudolf Brun, Anna Göldi, Jörg Jenatsch, Henri Dunant, Goethe, Napoleon, Abraham Lincoln, Giuseppe Mazzini, Dschingis Khan und Madame de Staël. Das historische Hörspiel war eine der wenigen Möglichkeiten, politische Themen ausführlich und einigermassen differenziert zu behandeln, meist in gezielter Auswahl und mit volkspädagogischer Intention. Viele dieser Produktionen waren dank ihrer didaktischen Aufbereitung auch für die Verwendung im Schulfunk des Beromünster-Programms geeignet.

Ein Zehntel der für den Hörspielwettbewerb von 1937/38 eingesandten Arbeiten griff thematisch auf die Vergangenheit zurück. Den dritten Preis erhielt für sein historisches Hörspiel »Napoleon von Oberstrass« (11.9.38) der Mitarbeiter des Zürcher Radiostudios Arthur Welti. Er erinnert damit vordergründig gesehen an ein unbedeutendes »Jubiläum«, eine Episode aus den Jahren der Regeneration, einer Zeit heftiger Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und Liberalen vor dem Sonderbundskrieg und der Gründung des Bundesstaates 1848. Ein aussenpolitisches Geplänkel ergab sich, als Frankreich die Auslieferung von Prinz Louis Napoleon verlangte, der, wegen eines versuchten Staatsstreichs in die Vereinigten Staaten verbannt, 1837 ans Sterbebett seiner Mutter im thurgauischen Arenenberg gereist und dort geblieben war, da er als thurgauischer Ehrenbürger und Hauptmann der schweizerischen Artillerie unter dem Schutz des schweizerischen Asylrechts stand. Die unter sich zerstrittenen Eidgenossen sahen sich alsbald der Forderung einer Grossmacht gegenübergestellt, welche ihre Staatsautonomie negierte. Ihr nachzugeben oder es auf eine kriegerische Auseinandersetzung ankommen zu lassen, das waren die möglichen Alternativen. In dieser ungewissen Situation – und hier setzt die Handlung von Weltis Spiel ein – stimmen die Mitglieder des Gemeinderats von Oberstrass bei Zürich dem Vorschlag ihres Vicepräsidenten zu, dem prominenten französischen Flüchtling auch das Ehrenbürgerrecht ihrer Gemeinde zu verleihen. Den entscheidenden Ausschlag in der Versammlung des Gemeinderats geben aber erst der Gedanke an eventuelle materielle Vorteile aus dem vorgeschlagenen »Handel« und die Drohung des Initianten, das Projekt im Fall einer Ablehnung durch den Souverän von Oberstrass mit Hilfe der rivalisierenden Nachbargemeinde Schwamendingen zu verwirklichen. Mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts bekräftigt die kleine Zürcher Gemeinde eigenmächtig die schweizerische Entschlossenheit, die Souveränität des Staates unter allen Umständen zu verteidigen. Angesichts der nun verschärften Kriegsgefahr sind sich die eidgenössischen Stände, die Kantone, mit einemmal einig. Eine Szene von vier Manuskriptseiten Länge ist erfüllt von Pferdegetrappel und Tritten aufmarschierender Truppen und Vereine, Marschmusik und Volkes Stimme, bis die Nachricht eintrifft, die Gefahr sei abgewendet, der »Bougeois d'Oberstrass« habe die Schweiz aus Rücksicht auf das Land verlassen. Wir erleben eine Generalmobilmachung – aus fragwürdigem Anlass – sowie deren unerwarteten Abbruch. Der Ernstfall trat in der politischen Realität knapp ein Jahr nach der Ursendung von Weltis Hörspiel ein, und die allgemeine Mobilmachung vom 1.9.1939 wurde nicht vorzeitig abgebrochen, im Gegenteil: die zweite Stufe folgte am 20.4.1940. Mehr als eine Million Schweizer Wehrmänner – und auch Frauen – standen damals unter Waffen im »Feld«.

Oberstrass war um 1838 eine kleine Bauern- und Winzergemeinde, am Südhang des Zürichbergs, buchstäblich vor den Toren der Stadt Zürich gelegen, deren Mauerring ab 1830 schrittweise geschleift wurde, mit prächtiger Panorama-Aussicht auf Limmattal, Stadt und Seebecken, dahinter die Albiskette, die Voralpen und die Schneespitzen der Hochalpen – ein Postkarten-Idyll! Im Skript von Weltis Hörspiel herrscht gerade »Sommerabendstimmung« beim Spaziergang von Vater und Tochter, in einem kurzen Moment, da der kontroverse Disput zwischen beiden ruht und die Handlung stillsteht:

Vater: »E prächtigs Luege isch es aber doch, gäll Chind? All die Räbe de ganz Rai ab und duruf bis zum Milchbuck...
Tochter: Und der Zürisee und d'Berg derhinderzue... Lueg, wie blau si sind!
Vater: Säg, hämmer nüd e schöns Ländli? Müemer nüd em Herrgott danke, dass mer drin läbe dörfed?... Los, wie d'Schwälmli zwitschered...« (S.6)

Ein Idealbild der Heimat, die zu verteidigen war, die ideale Illustration von Punkt 10 der Schenkerschen GLV-Doktrin. Aber: Zu Weltis Zeit war Oberstrass seit Jahrzehnten als Stadtquartier eingemeindet. Die einstigen Rebhänge waren bis zum Waldrand schon mit Villen und Wohnblöcken bebaut. Und durch die Winterthurerstrasse, einst Dorfstrasse der Landgemeinde Oberstrass, brauste der Verkehr. Das neue Radiostudio Zürich, Weltis Arbeitsplatz, war 1931 etwas weiter aussen in der Nähe des damaligen Stadtrandes erbaut worden. Eigentlich deutet der Autor an, dass die Idylle längstens passé ist.

Gespielt wird auf einem höchst unbedeutenden Nebenschauplatz der Geschichte. Es handelt sich also nicht um ein lehrhaft aufbereitetes, imposantes Historiengemälde wie bei vielen Hörspielen der Geistigen Landesverteidigung. Aber es wäre auch verfehlt, in der »komische(n) Geschichte, die beinahe ernst wurde« (Untertitel) bloss eine »auf historischer Basis ruhende reizende Komödie« zu sehen, wie Hans Bänninger sich ausdrückt(36). Vielmehr trug Weltis Hörspiel Züge einer Parabel, die als solche für die Hörer wohl leicht erkennbar war, deren Deutung aber geistige Anstrengung verlangte. Weder konnte die Geschichte in all ihren Details mit gegenwärtigen Vorgängen und Verhältnissen in Beziehung gesetzt werden, noch stand das Ergebnis des Transfers von vornherein fest. Im Konzept der Geistigen Landesverteidigung war allerdings ein solches Hörspiel, das »Fragen und in Frage stellt« (37), nicht vorgesehen

Die Zuhörerinnen und Zuhörer werden mitten in die kleine Gemeinde hineinversetzt, zunächst in die Familie des Gemeindepräsidenten, danach aber auch ins Zentrum der Vorbereitung politischer Entscheidung, eine Gemeinderatssitzung, wo die Disputation des Pro und Kontra stattfindet, wo auch mitunter harsche Worte fallen. Der Antragsteller erhält den Auftrag, seinen Vorschlag an einer über Nacht einberufenen Landsgemeinde vor dem Stimmvolk zu vertreten. Seine Rede auf dem Schulhausplatz verfolgen die Radiohörerinnen und -hörer neben Frau und Tochter des Gemeindepräsidenten am Fenster – wie in einer Loge, aber eben doch aus der Perspektive der Aussenseiter, bezeichnenderweise auch jener des Asylbewerbers Grosse. Teil der Landsgemeinde sind eben nur die stimmfähigen Männer, und so blieb es in der politischen Realität der Schweiz auch noch weitere 133 Jahre. Vom Logenplatz aus verfolgt das Hörspielpublikum den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. »Denn was ist eine Republik, wenn nicht auch der kleine Bürger, der letzte Mann nach den allgemeinen Dingen schaut?« (S.15) So die rhetorische Frage des Volksredners. Arthur Welti hütet sich aber, den Prozess der basisdemokratischen Beschlussfassung derart zu idealisieren, sind doch vom versammelten Volk nur ein paar zustimmende, teils gegrölte Zwischenrufe und Lacher zu vernehmen. Eine formelle Abstimmung durch Handerheben findet nicht statt, sie wäre auch nicht radio-wirksam.

Als offizielle Stellungnahme im Auftrag des Gemeinderates wird die Rede selbstverständlich in (leicht mundartlich getöntem) Hochdeutsch gehalten, das an entscheidender Stelle, auf die rhetorische Frage: »Was ist Oberstrass in der Schweiz? In Europa?« von der zürichdeutschen Antwort durchbrochen wird: »E chlises, chlises Gmeindli...« (S.16) Die damit angesprochenen latenten Inferioritätsgefühle werden kurz darauf hinweggefegt von der in geschniegeltem Französisch vorgetragenen Vision, wie man durch entschlossenes Handeln den Respekt des übermächtigen Gegners erlangen werde: »Bis jetzt hat die Welt nicht gewusst, wo Oberstrass liegt. Aber übermorgen werden es in Paris die Spatzen von den Dächern pfeiffen (sic): Oberstrass, c’est en Suisse, ou l’on sait ce que c'est que l'honneur et le courage! Oberstrass c’est la Suisse!« (S.16) Damit ist der Durchbruch geschafft, und »gewaltige Begeisterung« bricht aus. Dass die idealistischen Motive des Redners untadelig sind, wissen wir als Hörerinnen und Hörer, da wir am Vorabend bei der Verhandlung des Gemeinderats dabei waren. Die Rede selbst aber ist ein musterhaftes Beispiel populistischer Beeinflussung: harmlos zwar im Rahmen einer lokalpolitischen Posse, aber strukturell von derselben Art wie die Propaganda jener totalitären Mächte, gegen die mobilisiert werden soll. Nicht zufällig führt Welti hier eine präsentative Ebene ein und sorgt dafür, dass wir als Aussenseiter aus Distanz und von übergeordneter Warte den Verlauf der Landsgemeinde beobachten. Das wahre Subjekt demokratischen Handelns, so zeigt das Spiel, ist eben nicht das Mittelmass der volonté générale, sondern der vorgängige kontroverse Diskurs einzelner Protagonisten, der verantwortungsvolle individelle Entscheidungen der Zuhörenden erst ermöglicht. Das hat der Schriftsteller Thomas Hürlimann achtzig Jahre später explizit formuliert.(38)

In die Gemeinderatsversammlung und in diese Rede des Vicepräsidenten kleidet Welti seine Beurteilung der GLV-Doktrin, in der sich Zustimmung und Kritik die Waage halten: Dass angesichts der äusseren Bedrohung nur Einigkeit zum Erfolg führt, ist über alle Zweifel erhaben. Die Art aber, wie der Konsens hergestellt wird, und viel mehr noch die nicht nur lauteren Motive, die dahinter stehen, gestattet der Autor sich durchaus – und im Widerspruch zur Doktrin – in Frage zu stellen. Weltis Hörspiel richtet sich an ein mündiges Publikum, worin der diametrale Gegensatz zu totalitärer Indoktrination besteht. Darin unterscheidet es sich aber auch von allen übrigen Hörspielen, die in der Schweiz seit 1933 in zunehmendem Mass nach eigener Rezeptur produziert wurden. Man könnte die These wagen, die Hörerinnen und Hörer würden in diesem Hörspiel durch eine Art Versuchslabor geführt, wo demokratische Sicht- und Verfahrensweisen auf verschiedenen Ebenen – in der Familie als Keimzelle, im überschaubaren Kreis der Gemeinde, auf kantonaler, nationaler und sogar internationaler Ebene – erprobt werden. »Napoleon von Oberstrass« wäre somit nicht nur eine historische Parabel, sondern ein politisches Hörspiel erster Güte.

Welti bekennt in einer Besprechung der Erstsendung, er habe aufgehört, »an absolut Gutes oder Schlechtes und unbedingte Dummheiten oder Gescheitheiten zu glauben.« Er schliesst mit den Worten: »Wenn dann der geneigte Hörer Sympathien und Antipathien fasst zu den einzelnen Figuren des Stückes oder zu Teilen dieser Figuren, kurz, wenn er das Spiel der Ereignisse [...] mit Interesse verfolgt, seine Schlüsse zieht und, wie gesagt, Gutes im Schlechten, Grosses im Kleinen erkennt, selbst, wenn er nachher historischem Geschehen – wie die Figuren des Stückes – ›so klug als wie zuvor‹ gegenübersteht – dann ist eigentlich das erreicht, was ich erreichen wollte.«(39) Im Unterschied etwa zu Langs »Nordheld Andrée« gibt es in seinem Hörspiel keine Helden, die über alle Zweifel erhaben sind. Die Hauptfiguren können ihre Seldwyler Abstammung alle nicht verleugnen. Der Gemeindepräsident zeigt sich als Zauderer, der sich nur unter Konkurrenzdruck zum Handeln entschliessen kann, danach aber den Glanz seiner prominenten Rolle merklich geniesst. Hinter dem Vicepräsidenten als offiziellem Initianten des »Prinzenhandels« steht als eigentlicher spiritus rector der westfälische Dissident und Emigrant Grosse, der seinerseits mit seiner kühnen Tat die Gunst der Tochter des Gemeindepräsidenten zu erlangen hofft. Sie ist wie auch die anderen Frauen – aus heutiger Sicht – mit ihrem ängstlichen Getue etwas einfältig gezeichnet. Sie heisst nicht Anna, sondern »Anneli« und wird nicht nur vom Vater, sondern auch von ihrem Verehrer öfters als »Kind« angesprochen. Auf dem Spaziergang durch das Dorf überführt sie ihren Vater aber mehrerer politischer Widersprüche und bringt ihn damit in Erklärungsnot, und als die beiden beim Gemeindehaus ankommen, ist dieser froh, dass der Disput damit ein Ende hat. Eben diese junge Frau ist es, der Welti die lachende Wahrheit in den Mund legt: Ihr Verehrer, der deutsche Emigrant, hätte durchaus das Zeug zu einem senkrechten Schweizer, »und als rächte Bürger müesst er dänn au gar nümme go so Ehrebürgerrächt vermittle und sottige Gschäftli mache...« (S.27 f) Der Ausdruck »Gschäftli« ist ambivalent und bedeutet hier vordergründig einen parlamentarischen Vorstoss; zugleich klingt aber auch die bis heute geläufige kommerzielle Bedeutung an. Dasselbe gilt für den Terminus »Handel«, der nicht nur, in seiner alten Bedeutung, für einen politischen Vorgang steht. So explizit lässt Welti seine Kritik nur von dieser einen weiblichen Hauptfigur vorbringen. Mit deren positiver Charakterisierung nimmt er einen Trend vorweg, der die schweizerische Hörspielgeschichte bis heute durchzieht. Das letzte Wort im Spiel ist aber die Antwort des Vaters: »Mer wänd dänn luege... schwyg jetzt still und los de Glogge zue...« (S.28) Das Ende bleibt offen. Die Zuhörenden müssen sich selbst ein Urteil bilden.

Ein äusserst »heisses Eisen«, das in diesem Werk ausführlich behandelt wird, ist die Asyl- und Flüchtlingsproblematik. Gleich zwei (ungleiche) Flüchtlinge setzen die Handlung in Gang und bestimmen deren Verlauf: ein historisch belegter prominenter, Prinz Louis Bonaparte, und ein aus dichterischer Freiheit erfundener, der westfälische Liberale Dr. Grosse, der den Prinzenhandel aus dem Hintergrund steuert. In seiner Rolle klingt unausgesprochen die Furcht vor politischer Unterwanderung an, und konspirativ ist ja in gewissem Sinn auch sein Verhältnis zum Gemeinderatsvicepräsidenten. Hier treffen auch Dialekt und Hochdeutsch unmittelbar aufeinander, was ein hervorragendes Merkmal dieses Hörspiels ist. Zwischen den beiden in der deutschen Schweiz normalerweise koexistierenden Sprachformen verläuft die Demarkationslinie zwischen Eigenem und Fremdem. Der Gemeindepräsident reagiert nach der höflichen Verabschiedung des Deutschen mit den Worten: »Auf Wiedersehen, Fräulein Anneli.. Fräulein Annelii (nachäffend) Cha dä nüd säge Jumpfer Rinderchnächt... und so eine wott bi eus ibürgeret werde...« (S.4)

Die Flüchtlingsproblematik nimmt einen grossen Teil der Exposition dieses nach tradiertem Muster gebauten Dramas ein. Louis Napoleon zahle immerhin Steuern für ein Millionenvermögen und habe als Gegenleistung für sein Thurgauer Ehrenbürgerrecht der betreffenden Gemeinde ein Schulhaus spendiert, räsoniert der Gemeindepräsident. Aber »dänn ebe, hät me eimal ja gseit, dänn chömed eso Jude und Schwabe und Prüsse, wo au niene dihei sind oder suscht Dräck am Stäcke händ und wänd au ibürgeret si.« (S.4 f) Die Diskussion könnte an dieser Stelle in heutiger Zeit nahtlos weitergeführt werden.– Welti greift also ein drängendes Problem der Zeit auf, das kurz vor der Erstsendung des Hörspiels in der Konferenz von Évian international verhandelt, aber nicht einmal ansatzweise gelöst wurde. Sogar ein »Judegsetzli« spielt am Rand eine Rolle, doch kann das Traktandum vom Magistrat getrost vertagt werden, da in der Gemeinde nur drei Juden wohnen. Unterschwelliger Antisemitismus äussert sich aber punktuell immer wieder, auch von höchster Stelle. Der Gemeidepräsident etwa erwähnt beiläufig »all die Jude, womer im ganze Land umenand händ. Was meinsch Du, was die für Gschäft mached und Euserne de Verdienscht ewegnähmed?« (S.7) Seine Tochter widerspricht ihm vehement.

Damit ist wenigstens teilweise erklärt, weshalb dieses radiophone Wortkunstwerk, das die Situation der Zeit so kritisch und differenziert ausdrückt, trotz seiner offensichtlichen Qualität (und Verwendbarkeit im Sinne der GLV) nicht mit dem ersten Preis ausgezeichnet werden durfte. Davon, dass seine Bedeutung bald erkannt wurde, zeugt aber sein Fortleben im Radioprogramm: Bis dato wurde es zweimal, 1942 und 1961, neu inszeniert und insgesamt gut zehnmal wiederholt. Zu Recht ist es heute im Klassiker-Archiv von Radio SRF zugänglich in der hervorragenden Neufassung, die kurz nach Weltis Tod zu seinem Gedenken produziert wurde. Wer aber war dieser Autor, der 1938 überraschend mit einem so vielschichtigen literarischen Werk hervortrat, der die seismischen Regungen der Zeit so sensibel registrierte und der offensichtlich das mediale Instrumentarium sicher, gezielt und selektiv zu gebrauchen verstand?

Arthur Welti (1901-61) entstammte der seit 1838 bis heute existierenden Fuhrhalter-, Transport- und Logistik-Dynastie Welti-Furrer, die auch Künstler wie den bekannten Maler und Radierer Albert Welti (1862-1912) und den Schriftsteller Albert J. Welti (1894-1965) hervorgebracht hat, also einer gut situierten, bürgerlichen Zürcher Unternehmerfamilie. Dank der musischen und musikalischen Neigungen der Mutter erhielten beide Kinder früh schon Musik- und später Gesangsunterricht, was sich auf Arthur Weltis Laufbahn auswirkte. Nach der Matura belegte er je ein Semester an den Universitäten Zürich und Berlin in den Fächern Germanistik und Geschichte. Danach begann seine Theaterlaufbahn, zunächst mit Gesangs- und Schauspielunterricht. Darauf folgten Engagements an Bühnen verschiedener deutscher Städte, mehrmals und für längere Zeit auch in Berlin, von wo er 1932 aus wirtschaftlichen und politischen Gründen nach Zürich zurückkehrte, da es für Bewerber, die nicht blond und blauäugig waren, zunehmend schwierig wurde, ein Engagement an deutschen Theatern zu erhalten.(40) Nach diversen Versuchen als Schauspieler und kleinen Aufträgen beim Radio, unter anderem in Hans Bänningers Hörspielgruppe von Radio Zürich, bewarb er sich noch im selben Jahr neben 15 anderen Kandidaten um die ausgeschriebene Stelle eines Radio-Reporters und erhielt diese nach einem intensiven Assessment, wie dies heute genannt würde. Nebst seinem Talent als Sprecher war wohl mitentscheidend, dass Welti soeben das Skript zu einem Richard-Wagner-Hörspiel eingereicht hatte, das vom Direktor des Zürcher Studios angenommen wurde. Welti war fortan nicht nur Reporter für alle möglichen Themen – Ski-, Rad- und Autorennen, das Zürcher Sechseläuten, Leben im Gefängnis –, sondern als Sprecher die Stimme von Radio Studio Zürich, ein Allrounder für fast alles. Besonders am Herzen lagen ihm aber die Erarbeitung von Hörfolgen sowie Hörspiel-Regie. Manchmal übernahm er selbst eine Rolle, wenn es sich ergab auch mit Gesang. Wie sein Sohn und seine Tochter in ihrer sehr lesenswerten Biografie zeigen, war er ein eigentlicher Entwickler neuer Radioformate, die sich nach dem Krieg während mehr als zwei Jahrzehnten bewährten. Welti wurde von der SRG als Verantwortlicher für das gläserne Radiostudio der Landesausstellung in Zürich, der »Landi 39«, designiert und machte dieses zum Publikumsmagneten. Damit fiel ihm, kurz nach der Erstsendung seines Hörspiels, die zentrale Aufgabe zu, seine differenzierte Auffassung der Geistigen Landesverteidigung während eines halben Jahres mit persönlichem Engagement live vor Publikum zu vertreten. Welti hat - im Unterschied zu den meisten Exponenten der GLV - nicht monologisiert, sondern das akustische Medium sichtbar gemacht und beharrlich den Dialog mit dem Publikum geführt. Diese Vermittler-Rolle machte ihn so populär, dass man ihn fortan als »Radiolegende« bezeichnen konnte.(41) Arthur Welti hatte wohl von da an für Radio Beromünster, zumindest für Studio Zürich, bis Ende der fünfziger Jahre eine vergleichbare integrative Funktion und ähnlich wichtige Bedeutung wie Hans Flesch und Friedrich Walter Bischoff für den Weimarer Rundfunk, allerdings als praktischer Allrounder und nicht wie diese als Intendant.

»Napoleon von Oberstrass« war formal konventionell nach dem Muster des klassischen Dramas gebaut, aber radio-dramaturgisch auf dem neusten Stand der Entwicklung. Die Inszenierung dieser lokalpolitischen Posse war auch eine subtile Komödie, was einen wesentlichen Teil ihrer kritischen Wirkung ausmacht. Und sie integriert und konfrontiert Dialekt und Hochsprache in Variationen, die mitunter dramaturgische Funktion haben. Über all dies sowie über Weltis Erfolg als Entwickler von Dialekthörspiel-Serien, die nach dem Krieg zu »Strassenfegern« wurden, kann hier nicht weiter berichtet werden. Erstaunlich und bedauerlich ist, dass »Napoleon von Oberstrass« sein einziges eigenes literarisches Worthörspiel blieb. Den Grund dafür sehen seine Biografen wohl richtig in den drängenden Anforderungen seines beruflichen Alltags, die ihm keine Musse für das Schreiben eigener Werke mehr liessen.(42) Die weitere Entwicklung des literarischen Worthörspiels im Programm von Radio Beromünster soll nun anhand des Werdegangs von Ernst Bringolf (1889-1954) als Hörspielautor, Regisseur und Radio-Journalist skizziert werden. Wie Welti hatte er als Schauspieler in Deutschland debütiert und war schon vor dem ersten Weltkrieg auch als Theaterregisseur in München und Hamburg tätig. Nach dem Militärdienst in der Schweiz während der Kriegsjahre kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete nach Engagements in mehreren Städten lange Zeit als sehr angesehener Autor, Hörspielregisseur und -dramaturg beim Berliner Rundfunk.(43) Ein Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste er wie viele seiner Schweizer Kollegen Deutschland verlassen und betätigte sich vorerst beim neu gegründeten Zürcher Cabaret »Cornichon« und am Stadttheater seines Heimatorts Schaffhausen und führte Regie in einem Schweizer Film, bis er 1936 eine Stelle als Regisseur bei Radio Studio Bern erhielt. Wie Welti war er dort vor allem für Reportagen, Hörfolgen und Hörspielregie zuständig, doch verlief seine Laufbahn in Bern weit weniger erfolgreich und endete 1948 aufgrund einer »Intrige« mit Pressepolemik.(44) Die zu recherchierenden Hintergründe wären möglicherweise nicht nur politisch (Bringolf stand schon in seiner Berliner Zeit der Arbeiterbewegung nahe), sondern auch im Hinblick auf hörspiel-dramaturgische Aspekte aufschlussreich. Bis zur Pensionierung – in seinem Todesjahr – arbeitete er weiter in der Hörspielproduktion bei Radio Studio Zürich.

Bringolfs Hörspiel »Ein Mensch allein« (6.3.37), das noch vor seiner Rückkehr offenbar von Studio Zürich abgelehnt worden war, drei Jahre später aber mit einem Zusatzpreis im zweiten Hörspielwettbewerb ausgezeichnet und kurz darauf unter der Regie des Autors, der seit einem Jahr bei Studio Bern arbeitete, in Szene gesetzt wurde, versteht sich als eine Art radiodramaturgisches Lehrstück, das »im Rahmen der Handlung versucht, alle akustischen Möglichkeiten auszuschöpfen.«(45) Hier findet sich noch die genau gleiche Phonomontage-Technik wie bei Lang; Bringolf bedient sich jedoch nicht wie dieser der Geräusch-Überblendung als eines dominierenden Stilmittels, sondern er variiert die Verwendung von Geräuschen im Sinne seiner programmatischen Erklärung im Vorspann des Manuskripts. Die Blende dient ihm als Mittel, um einen Wechsel der Raum-, Zeit- oder Realitätsebene anzuzeigen. Geräusche, Lärm, Musik dringen durch die Wände, durch Boden und Decke ans Ohr der Hauptfigur und machen deren Isolation bewusst; zugleich dienen solche Effekte zur Vermittlung einer Art räumlicher akustischer Perspektive. Durch mehrmaliges »Umschalten« zwischen Innen- und Aussenräumen mit verschiedener Nachhallcharakteristik soll ein akustischer Wechsel bewirkt werden, wie ihn Welti 1942 in der Neu-Inszenierung seines eigenen Hörspiels mit Hilfe des neuen Zürcher Hörspielkomplexes mühelos realisieren konnte; Bringolf wusste wohl von solchen Möglichkeiten aufgrund der Erfahrungen, die er in Berlin gesammelt hatte. Die Besonderheit seines Hörspiels besteht im Versuch, der äusseren Realität, deren verschiedene Räume durch akustische Wirkungsmittel zu differenzieren sind, eine alternative Dimension entgegenzustellen. In den Regieanweisungen zu einzelnen Passagen (»denkt«) schreibt das Skript inneren Monolog vor. Neben den normalen dramatischen Dialog und leises Für-sich-Sprechen tritt als für die Handlung konstitutives Element der Dialog zwischen den zwei Seiten der Hauptfigur, die auf verschiedene Stimmen verteilt sind.

Es scheint, als hätte Bringolf in diesem frühen Versuch all das ausprobieren wollen, was er wenige Jahre später in seinen dramaturgischen Ausführungen als »Regiekünsteleien« ablehnte. Zugleich weist dieser Versuch, mit grossem radiodramaturgischem Aufwand Innerlichkeit zu inszenieren, die Richtung, die er schon kurz nach seiner Anstellung im Studio Bern einschlagen wird. Sein zunehmend entschiedeneres Eintreten für das illusionistische Worthörspiel ging mit einer Erstarrung der allgemeinen dramaturgischen Vorstellungen einher, die so absolut war, dass nach dem Krieg auch das ganz auf dem Wort basierende epische Hörspiel beim Schweizer Radio keine Chance mehr hatte. Schon in Paul Langs »Rundspruchästhetik« (1931) fehlte diese Kategorie. Franz Fassbind war der einzige, der das epische Hörspiel in seiner hörspiel-dramaturgischen Publikation 1943 ausführlich berücksichtigte.(46) Ernst Bringolf erhielt, durch den Zufall des Krieges bedingt, die Gelegenheit, als Erster ein episches »Radiostück« zu inszenieren, das auf keinem anderen europäischen Sender ausgestrahlt werden konnte. Er ergriff sie, ohne zu zögern, da er den Autor, Bertolt Brecht, während seiner langjährigen Tätigkeit in der ersten Berliner Hörspielwerkstatt kennen gelernt hatte. Darin besteht – aus heutiger Sicht – seine bedeutendste Leistung als Regisseur von Radio Beromünster. Unter seiner Regie wurde, während eben Hitlers Wehrmacht in Paris einmarschierte, kurz nach der zweiten Generalmobilmachung der Schweizer Armee, Brechts Hörspiel »Das Verhör des Lukullus« (12.5.40), uraufgeführt. Es war Radio Bern angeboten worden, nachdem der Stockholmer Rundfunk entgegen der Abmachung mit dem Autor aus politischer Vorsicht von einer Realisierung des Hörspiels hatte absehen müssen.(47) In der Schweizer Programm-Zeitschrift wurde diese Ursendung mit einer Grafik von Heinrich Danioth angezeigt, jedoch verzichtete die Ankündigung, im Unterschied zu anderen Hörspielsendungen, auf Inhaltsangabe und Kommentierung. Das war nötig, da Brechts Hörstück eindeutig gegen Punkt 1 der GLV-Regeln des Berner Studiodirektors (s.o.) verstiess. Solche Vorsichtsmassnahmen reichten aber offenbar, um die interne Selbstzensur sowie die Zensur durch die Organe des zuständigen Armeestabs zu passieren, zumal es sich äusserlich gesehen um ein historisches, also politisch scheinbar unverfängliches Werk handelte.

Die historische Figur des römischen Kaisers Lukullus wird in diesem mythischen Parabel-Spiel im Orkus vor das Totengericht gestellt, wo sein Fall vor fünf Geschworenen verhandelt wird. Die explizite Verurteilung wurde in dieser Erst-Inszenierung noch ausgespart, doch musste der Ausgang des Prozesses allen Zuhörenden klar sein. Offensichtlich war auch, dass mit Lukullus der gegenwärtige Diktator Hitler gemeint war. Dazu wäre nicht einmal die überdeutliche Bemerkung eines der »Schatten« notwendig gewesen: »Es hiess, sie werben Legionäre an / In den Schenken am Tiber, für den Krieg im Westen / Der jetzt erobert werden soll. / Das Land heisst Gallien.«(48) Kurz nach seiner Inszenierung des »Lukullus« äusserte Bringolf die Meinung, das Schweizer Hörspiel habe sich seit mindestens zehn Jahren »formal nicht weiterentwickelt«. Während ihm zum Schweizer Hörspiel nichts nennenswert Neues einfiel, äusserte er sich im Rahmen eines Berichts, den der Berner Studiodirektor seinem Zürcher Kollegen zukommen liess, ausführlich über »Das Verhör des Lukullus«:

»Die Grundform dieses Hörspieles ist episch, es läuft vor dem Hörer ab, wie eine breite, schöne Erzählung. Und doch sind alle entscheidenden Szenen der Handlung ausserordentlich dramatisch und in ihrer Wirkung unmittelbar packend. Zur Verdeutlichung der Vorgänge und Kenntlichmachung der jeweils Redenden oder Handelnden, hat der Autor am Anfang des Geschehens einen Beobachter (Ausrufer) und später eine Stimme (fahle Stimme) in die Handlung eingefügt, die das, was sie sehen schildern, resp. ankündigen wer sprechen, oder den Schauplatz betreten wird. Und zwar kündigen oder schildern sie nie (direkt) für den Hörer an [sic], sondern für die im Stück vorkommenden Spieler. Das Bedeutungsvolle ist also hier, dass diese ›Stimmen‹ nicht zufällige, aus der Not geborene ›Erzähler‹ oder ›Sprecher‹ sind, sondern ›dramatisch handelnde‹ Personen des Stückes.

Die Sprache und der gedankliche Ausdruck dieses Hörstückes sind von einer geradezu ›simplen‹ Einfachheit. Mit grosser Liebe und Fleiss ist hier eine formvollendete Arbeit entstanden, die trotz des ›historischen‹ Stoffes jeden Hörer, auch den nicht ›vorgebildeten‹ gepackt hat und von ihm ohne Schwierigkeiten verstanden wurde. Hörstück und Lehrstück!«(49)

Bezeichnend ist, dass Bringolf sich, angesichts der beengten Verhältnisse, auf die Erörterung dramaturgischer und sprachformaler Aspekte beschränkt. Leider hatte seine »subversive« Inszenierung keine Folgen für die weitere Entwicklung der Dramaturgie des Schweizer Hörspiels. Dazu fehlte es während der Kriegsjahre vor allem an Berufsschriftstellern von Format, die bereit gewesen wären, sich ernsthaft mit dieser Gattung zu befassen. Viele Autoren hätten dazu auch keine Zeit gehabt, da sie im militärischen Aktivdienst waren. Bringolf kommt immerhin das Verdienst zu, Brechts Stück inszeniert und – leider zuhanden der falschen Adressaten – wahrscheinlich als erster in der Schweiz auf die Möglichkeiten des epischen Hörspiels hingewiesen zu haben. Dass die Programm-Verantwortlichen von Radio Beromünster die Bedeutung von Brechts Hörspiel nicht erkannten, lässt sich aus dem Umstand schliessen, dass man die Aufnahme nach einmaliger Wiederholung im Juli 1945, auf die auch diesmal nicht besonders hingewiesen wurde, vermutlich gelöscht hat.

Geradezu tragisch wirkt Bringolfs Versagen im Zusammenhang mit Dürrenmatts brillantem Erstling »Der Doppelgänger«, einem literarischen Worthörspiel reinster Ausprägung, das überdies die damals etablierte Skepsis gegenüber Geräuschkulissen zum Thema macht. Der fünfundzwanzigjährige Friedrich Dürrenmatt stellte sich 1946 in einem Brief an Bringolf mit den Worten vor: »Mein Name wird Ihnen unbekannt sein, und es sind denn auch wenige, die ihn kennen. / Wenn ich Ihnen ein Hörspiel zusende, so nur deshalb, weil mich das Hörspiel als neue künstlerische Möglichkeit interessiert, die noch viel zu wenig in Betracht gezogen wird.«(50) Er wünschte sich ein Gespräch mit dem Hörspielleiter, um zu erfahren, welche Fehler er in seinem Erstlingsentwurf »begangen habe«. Das war vermutlich auch etwas ironisch gemeint, da der dramatisierte epische Rahmen des Werks in einem Gespräch des Schriftstellers mit dem Regisseur über den sich stetig ändernden Verlauf der Binnenhandlung besteht – ein dramaturgischer Kunstgriff von Dürrenmatt, der im Hörspiel damals wie heute seinesgleichen sucht. In diesem Rahmen-Disput ist es nicht etwa der Regisseur, der über die Dramaturgie bestimmt. Er verfügt nur über die technischen Wirkungsmittel und über »gute Stimmen«; die Führung liegt vielmehr beim Autor, der die Handlung des »dunklen« Parabel-Spiels fortlaufend entwickelt – und der Verlauf der Handlung führt in die Aporie. So etwas war aber in der (ungeschriebenen) schweizerischen Hörspiel-Dramaturgie der beginnenden Nachkriegszeit sicher nicht vorgesehen.

Dürrenmatts Brief und Bringolfs Antwort sowie das Original-Skript sind im Archiv von Radio Bern nicht mehr auffindbar. Sicher ist nur, dass Bringolf die Zusendung retourniert und eine Produktion abgelehnt hat. Seine Begründung und damit die Gründe für diesen epochalen Fehlentscheid zu kennen, wäre heute für die Forschung von grossem Interesse. Für einen Aufschwung nach dem Krieg hätte man jedenfalls kaum ein besseres Hörspiel finden können: ein episch-dramatisches Grundkonzept, das die traumähnlich-kafkaeske Binnenhandlung kommentierend auffängt – eine raffinierte Weiterentwicklung des epischen Hörspiels, wie es Bringolf von Brechts »Lukullus« her kannte, und der nahtlose Anschluss an die literarische Produktion hohen Ranges. Der Ausstoss der Traum-Fabriken, zu denen sich die Hörspielstudios der fünfziger Jahre zeitweise entwickelten, wäre nicht nur vorweggenommen, sondern zu Beginn schon relativiert worden. Elisabeth Brock-Sulzer bezeichnet Dürrenmatts »Doppelgänger« als »eines der wichtigen Werke des Dichters, in denen sich auf kleinstem Raum seine Hauptthemen gültig ausgeformt haben«.(51) Als Hörspiel ist es mit seinem innovativen Potenzial und seiner inhaltlichen Vielschichtigkeit möglicherweise sein bestes. Es wurde erst 1960 vom Norddeutschen und Bayerischen Rundfunk urgesendet.

Radio Beromünster orientierte sich nach dem Krieg im Bereich des literarischen Worthörspiels in hochdeutscher Sprache nicht nur an der deutschen Produktion wie schon vor 1933, sondern musste fortan den bundesdeutschen Sendern auch die besten Werke von Dürrenmatt, Frisch, Oberer und einiger anderer Autoren zur Ursendung überlassen, da man in der Schweiz mit den grosszügigen deutschen Honoraren nicht mithalten konnte. Wenn man davon absieht, bestand der wichtigste eigenständige Beitrag der Deutschschweizer Studios zum europäischen Hörspiel in der Nachkriegszeit bis 1965 tatsächlich, wie Armin P. Frank feststellte, in Dialekthörspielen und Serien »mit sozialkritischem und pädagogischem Einschlag«, deren Entwicklung sich Arthur Welti und seine Kollegen schon während des Krieges in durchaus verdienstvoller Weise gewidmet hatten. Erst mit der Gründung der Abteilung »Dramatik« von Radio DRS (Radio der deutschen und rätoromanischen Schweiz, ab Reorganisation 1964) änderte sich diese Situation grundsätzlich.

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© Paul Weber (2021)

 

 

 

Anmerkungen

(1) »Restaurant du Soleil« von Angelina Braun und Beat Weber (25.3.84)

(2) "Rollkoffer-Rhapsodie" von Anton Rey (24.1.2015)

(3) A.Muschg, Wüthrich im Studio, in: r+f 9/62, S.10

(4) A.Döblin, Literatur und Rundfunk, Rede anlässlich der Arbeitstagung Dichtung und Rundfunk im September 1929 in Kassel, in: H.Bredow, Aus meinem Archiv. Probleme des Rundfunks, Heidelberg (Vowinckel) 1950, S .313 und S.314

(5) M.Böhler, Das Verhältnis der Deutschschweizer Autoren zur Schriftsprache, in: K.Pezold, Geschichte der deutschsprachigen Literatur in der Schweizer Literatur im 20.Jahrhundert, Berlin 1991, S.316

(6) A. Soppe, Der Streit um das Hörspiel 1924/25. Entstehungsbedingungen eines Genres, Berlin 1978, S.88

(7) K.Schenker, Aus romantischer Zeit, in: SRZ 40/50, S.20

(8) zit. nach: -e-, Das alte Urner Spiel vom Wilhelm Tell. Das Hörspiel unserer Bundesfeier, in: SRZ 30/27, S.386

(9) H.Schwitzke, Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte, Köln 1963, S.59

(10) St.B.Würffel, Das Hörspiel, Stuttg. 1978, S.14

(11) Soppe, 1978, S.94/95

(12) RP 1/25, S.4

(13) Ch.Hörburger, Das Hörspiel der Weimarer Republik. Versuch einer kritischen Analyse, Diss., Stuttg. 1975, S.9

(14) Anonym, "Der Fünflampenapparat", in: RP 30/26, S.529

(15) Soppe, 1978, S.98 ff

(16) B.Herzog, Bemerkungen zum Sommerspielplan, in: SRZ 18/29, S.291 f

(17) J.Job, Radio und Literatur. Sonderdruck aus dem Jahrbuch "Die Schweiz", Bern 1951, S.4

(18) -e-, "Der Fünflampenapparat". Ein neues Hörspiel von Paul Altheer aus der Serie "Helvetisches Bilderbuch", in: RP 28/26, S.489

(19) vgl. SRZ 46/27, S.III

(20) Richard Schweizer, Napoleon auf St.Helena, in: SRZ 27/29, S.443

(21) mündliche Stellungnahme von F.W.Bischoff anlässlich der Wiederauffindung von Schallplattenaufzeichnungen mit Ausschnitten aus "Hallo, hier Welle Erdball" (H.Naber, Radio-Soiree; Pioniere der Radiokunst I. Hallo, hier Welle Erdball. Friedrich Bischoff - der Avantgardist als Intendant, SWF 1981)

(22) B.Herzog, Hörspiel-Wettbewerb, in: SIRZ 4/31, S.70

(23) Zur Berlin-Reise von Felix Moeschlin und Karl Naef vgl. Ch.Linsmayer, Literarische Reporte (4): Schweizer Autoren unter dem Hakenkreuz. Zwei Tellensöhne biedern sich im Nazideutschland an, in: Zürcher Oberländer, 28.4.89, S.9

(24) -z-, "Anna II", in: SIRZ 28/31, S.680

(25) B.Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks, in: B.Brecht, Gesammelte Werke, Stuttg. 1967, Bd.18, S.129

(26) Philippe und Christiane Welti, Arthur Welti. Reporter - Regisseur - Radiolegende (Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik - Nr. 98), Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich 2014, S.33 f

(27) ib., S.29

(28) K.Sch., Rundspruch und Landesverteidigung, in SRZ 49/36, S.3

(29) Anonym, Generalversammlung der Radiogenossenschaft Bern, in: SRZ 24/38, S.20

(30) M.Frisch, Dienstbüchlein, in: Frisch, 1976, Bd.VI, S.541

(31) ib., S.571 f

(32) Brief der Abt. Presse und Funkspruch des Armeestabes an den Schweizerischen Rundspruchdienst vom 7.12.40 (Kopie), Briefarchiv Radio DRS, Studio Zürich

(33) 18.Jahresbericht der RGZ, 1941/42, S.14 f

(34) A.W. Glogg, Der schweizerische Rundspruch an einem Wendepunkt, in: E.v.Schenck (Redaktion), Schweizer Annalen, Nr.5/6, Sonder-Heft Radio, Aarau, 1945 , S.284

(35) A.P.Frank, Das Hörspiel. Vergleichende Beschreibung und Analyse einer neuen Kunstform, durchgeführt an amerikanischen, deutschen, englischen und französischen Texten, Heidelberg 1963, S.72

(36) Philippe und Christiane Welti, 2014, S.44

(37) G.Eich, Rede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises (1959), in: Eich, 1973, Bd.IV, S.448

(38) Th.Hürlimann, Demokratie jenseits der Mehrzahl, in: Abendspaziergang mit dem Kater, FfM 2020, S.95 ff. Hürlimann schreibt: "Demokratie ist nur in ihrer Zerfallsform eine Diktatur des Mittelmasses und der Mehrheit, wie Nietzsche gehöhnt hat; in ihren Anfängen und in ihren besten Momenten ist sie eine politische Organisationsform, die von klugen, auf eine selbständige Haltung bedachten Einzelnen getragen wird." ib., S.96

(39) A.W., »Napoleon von Oberstrass«, in: SRZ 36/38, S.18

(40) Philippe und Christiane Welti, 2014, S.20

(41) ib., S.55 ff

(42) ib., S.45

(43) http://tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Ernst_Bringolf

(44) ib.

(45) Anmerkung im Anschluss an das Personenverzeichnis

(46) F.Fassbind, Dramaturgie des Hörspiels, Zürich (Leuen-Verlag) 1943

(47) vgl. H.Schwitzke, Referat »Über die Wandlungen des ›Lukullus‹-Textes«, gesendet im Anschluss an die Ausstrahlung der Neuinszenierung von Brechts »Das Verhör des Lukullus« unter der Regie von Urs Helmensdorfer (DRS-2, 14.11.74)

(48) B.Brecht, Das Verhör des Lukullus, in: Gesammelte Werke, Bd. 4, FfM. 1967, S.1472

(49) Bemerkungen von E.Bringolf in einem Brief von K.Schenker an J.Job, 2.8.40 (Briefarchiv Radio DRS, Studio Zürich)

(50) Anonym, Alle sind wir schuldig. Friedrich Dürrenmatt: "Der Doppelgänger", in: tvrz 5/75, S.69

(51) E.Brock-Sulzer, Die Hörspiele (1960), in: Dürrenmatt, 1980, Bd.30, S.266

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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»Randglossen«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tell beimApfelschuss, Holzschnitt des Basler Künstlers Daniel Schwegler für die Ausgabe von Etterlins Chronik von 1507 (Abb. Wikipedia)


Vierlampenapparat OWIN E16 (1926)

 

 

Der Fünflampenapparat
Textbuch 1925/26


«bluemets Trögli«: mit Blumenmuster bemalte kleine Massivholz-Truhe, Sinnbild für unverfälschten, urtümlichen Dialekt, heute meist mit pejorativer Konnotation in Opposition zu »ModernMundart«

«Radiofieber«: vierteilige TV-Serie zur Radiogeschichte der 20er Jahre (Westdeutscher Rundfunk, 1989)

 

Nordheld Andrée
Typoskript 1931

 

Richard Schweizer
(Screenshot aus Schweizer Filmwochenschau. SRF)




Ferdinand Hodlers Wilhelm Tell (1897) (Abb. Wikipedia)




Arthur Welti führt Regie (Foto: Unternehmensarchiv SRF, Radiostudio Zürich)

Napoleon von Oberstrass
Typoskript 1938/42 und neue Szene aus dem Typoskript 1961


Blick von der reformierten Kirche Oberstrass über die Stadt Zürich und das Seebecken auf die Alpen (Foto: Marc Boehler, Medienbildung, reformierte Kirche Zürich)


politische Parabel:
Oberstrass, c'est la Suisse!


»Napoleon von Oberstrass«als SRF-Hörspiel-Klassiker online anhören.

»Was wäre, wenn Herr Bringolf den ›Doppelgänger‹ angenommen hätte? (...) Dann wäre womöglich nicht ›Draussen vor der Tür‹, sondern ›Der Doppelgänger‹ der erste Vertreter des bundesdeutschen Trends des Nachkriegshörspiels geworden.«(Dieter Lohr)

Philippe und Christiane Welti, Arthur Welti. Reporter – Regisseur – Radiolegende, Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Nr. 98 , Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich, 2014

 

Hörspiel-«Plakat»zur Ankündigung der Ursendung im Mai 1940. Heinrich Danioth in der »Schweizerischen Radio-Zeitung»


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