"Synthese von Kunst und Technik". Dritter StudioReport
Beobachtungen bei der Produktion von Christa Wiedenmeiers Hörspiel "Kunstbetrachtung"

Typoskript

Christa Wiedenmeier, "Kunstbetrachtung"
(39') * Stereo; Musik: Shasimosa tütü * Regie: Walter Baumgartner, Zürich, 8.12.87 * 87 (DRS-2, 2 Sdg.)


Chr. Wiedenmeier (Wied) schreibt sonst nur Prosa (Tagebücher). Das vorliegende Hörspiel ist eigentlich ihr zweites; ein erstes hat sie nicht eingesandt, da es ihr zu sehr auf klarer Rollenverteilung basierte und wohl zu "konventionell" erschien. Sie bezeichnet ihr Hörspiel als "fast philosophisch". Es sei so kurz geworden, da sie es nicht habe "ideologisieren" wollen. Sie "möchte gerne nur noch Sprache komponieren".

Renate Steiger (Darstellerin) vergleicht das Hörspiel mit Werken von Ferdinand Kriwet, Wied bezeichnet Jandl/Mairöcker als ihre Vorbilder. In der Diskussion nach dem Abhören verweist M. Hindermann (Dramaturg/Regisseur) auf die frappierende Ähnlichkeit mit Jean Tardieus "Sonate der drei Herren" (1955?), und W. Baumgartner (Bg) erklärt, dies sei der Auslöser gewesen, "werum ich uf dä Text eso ggumppet bin."


Vorbesprechung 1. - 5.Szene (9.6.87)

Bg: "Ihr müsst nun aufpassen, dass ihr euch steigert, wie ist mir egal."

"Immer, wenn der Begriff 'Zeit' fällt, wird C hysterisch."

B halte A für einen Macho, der alles in eine Ordnung bringen wolle. Hier protestiert Wied leise, sie habe dies nicht so schematisch gemeint. Bg entgegnet, er arbeite diesen Zug nur heraus, wo er sich aus dem Text ergebe. Wied lacht etwas entwaffnet. Später äussert sie im Gespräch, sie begreife sich als Zuschauerin und wolle nicht zu sehr in die Inszenierung eingreifen. Es sei schliesslich ihr erstes Hörspiel. Bei den Aufnahmen zur 6.Szene präzisiert sie dann doch, sie habe A-B-C mehr ineinander verschwimmen lassen wollen; eine Abgrenzung der Frauen gegenüber A als Macho sei nicht ihre Absicht gewesen.

Bg will die dialektische Gesprächssituation betonen (Manuskript, S.4).

Wied ist erstaunt, wie ihr Dialog Leben annimmt; beim Schreiben habe sie alles gleich "gehört", nun differenziere er sich durch die Individualität der Darsteller. Am Schluss erklärt sie, der Dialog entspreche zu grossen Teilen ihren Vorstellungen.


1. Szene

Das Mikrophon steht an der Stelle des Kunstwerks, einer Plastik, um das sich die drei Personen nach genauem Plan gruppieren.

Bg: "Die ganze Sache ist natürlich ne ungeheuerlich rhythmische Angelegenheit." - "Wämmer s'erschti eso bbüglet händ, bis es sitzt, gaht nachher alles schnäller."

Er bremst die Schauspieler, die sich bald allzu sehr beeilen, um "in ihre Positionen zu kommen".

Ihre Haltung drücke eine positive Grundstimmung gegenüber dem Kunstwerk, Bewunderung, aus.

Wied will die Vorstellung von dem Kunstwerk nicht weiter konkretisieren. Bg über Mikrophon ins Studio: "Die Autorin weigert sich zu sagen, was sie sich darunter vorgestellt hat."

Nach ca. 7 Takes, die ihm teils zu schnell, teils mit zuviel Druck gesprochen sind, fordert er die Schauspieler auf: "Und jetzt macht Ihr noch eine, so, wie Ihr sie spielen würdet", ohne an die Forderungen des Regisseurs zu denken. Von diesem Mitschnitt werden grosse Teile genommen.


2. Szene

Renate Steiger: "Wie sagt man den Rampenspielern beim Radio?"

Rudolf Bissegger (Darsteller von A): "mikrogeil!"

Bg: "Es gibt Schauspieler, die es sofort bei Beginn der Aufnahme zum Mikrophon zieht."

Bg: C muss jedesmal, wenn der Begriff 'Zeit' fällt, hysterisch reagieren und zeigen, dass sie dadurch 'getüpft' ist.

Nach drei Takes verlangt Bg noch ein "lockere" Aufnahme, analog zum Vorgehen bei der 1.Szene; dieser Mitschnitt wird genommen.


3. Szene

Bg zu Wied: "Wänn du s Gfühl häsch, öppis sig total fehlinterpretiert, säg mers vor der Ufnahm."

Bg fordert die Damen auf, mit Atemzügen zu zeigen, dass sie das Verhalten von A wieder typisch finden.


Gespräch mit Chr.Wiedenmeier vor den Aufnahmen am 2.Tag

Sie habe das Manuskript direkt an Bg geschickt, der die Hörspiele ihres Mannes inszeniert hat; sie äussert sich überrascht darüber, dass er es ohne Zögern angenommen hat.

Sie erwähnt, dass Katja Amberger (Darstellerin) ihr gesagt habe, sie verstehe den Text überhaupt nicht. Dies konnte sie sich anfangs gar nicht vorstellen, da sie völlig "in dieser Welt lebe". Auf den Stoff sei sie durch ein Kunstgespräch gekommen, das sie eine Nacht lang mit Freunden geführt habe.

Sie versteht ihren Text als literarische Arbeit, deren Realisierung ganz in den Händen des Dramaturgen/Regisseurs liegen solle. Allerdings möchte sie keine realistischen Geräusche.

Sie hat alle drei greifbaren Bände von Schöningh über das Neue Hörspiel gelesen, interessiert sich sehr für Kagel, als ich sie darauf anspreche.


6. Szene (10.6.87)

R. Steiger weiss nicht genau, wie sie ihr Strickmuster sprechen soll und fragt, was damit gemeint sei. Für Wied bedeutet es eine Möglichkeit, sich festzuhalten, wenn Gefahr droht, z.B. in einem philosophischen Gespräch "abzustürzen".

Bg fordert Katja Amberger auf, in dieser Szene eher unbeteiligt zu sprechen; dem kommt der Umstand entgegen, dass sie mit dem Text im Grunde nichts anzufangen weiss.

K. Amberger hat Mühe, auf das Mikrofon, nicht auf ihre Partner, zu zu sprechen.

Nach dem 3.Take ist die Szene "gestorben"; Bg: "Die isch läbig."


7. Szene

Bg: "An sich ist der Adler, den sie da sieht, ihr vertraut." - "Ihr könnt noch n bissl mehr argumentieren", weniger emotional spielen.

Bg zu K. Amberger: "Ich habe noch nie so sehr gespürt, Frau Amberger, dass Sie zwischendurch mitatmen und durch den Atem etwas aufnehmen." Er fordert sie auf, ein "erotisches Verhältnis zum Mikrophon" zu entwickeln. R. Steiger zu ihr: "Habt ihr das in der Schule nicht gelernt?" Amberger: "Das Hörspiel?"

Auch hier fordert Bg zum Schluss noch einen Take, "wo Ihr Euch nicht mehr so viel Mühe geben sollt, nicht den Regisseur zufrieden stellen wollt."


Abhören und Diskussion, Ideen zur Interpretation (19.6.87)

Der Text war den Musikern bei der Aufnahme bekannt. Kritisiert wird die Hintergrundfunktion der Musik: Musik als Ambiance. F. Abgottspon gibt der anderen Funktion als Zwischenmusik den Vorzug ("wenn es swingt").

F. Abgottspon wirft den Begriff "Manierismus" ins Gespräch, kritisiert die "sture Ordnung" des Stücks, hat z.B. vier "falsche Schlüsse" gehört. Später bemerkt er, dass er aufgrund einer Ausstellung, die er eben gesehen hat, mit dem Begriff des Manierismus infiziert ist. Seine Auffassung zeigt aber, dass das Stück seinen Sinn nicht ohne weiteres preisgibt und insofern den Hörer provoziert.

M. Hindermann sagt, er habe ständig versucht, "hinter die Sache zu kommen", sei in Notizen hängen geblieben, während ihm das Stück davongelaufen sei. Er habe dadurch ständig das Gefühl gehabt, etwas zu verpassen. "Ich bin nie warm geworden, sondern habe unentwegt gearbeitet." Sofort habe er das Stück mit Tardieus absurder "Sonate der drei Herren" assoziiert, das aber im Unterschied zu Wieds Hörspiel ganz sinnlich, ohne intellektuellen Anspruch, sei. Er bezeichnet dieses gar als "Kopfgeburt".

Bg bezeichnet das Objekt der Betrachtung, Kunst, als Auslöser. Wichtig sei nicht die Plastik, sondern das, was die Betrachtenden einbringen. F. Abgottspon meint, die drei Personen könnten im Grunde irgend etwas betrachten, z.B. Ein Tier im Zoo. Sicher geht es mehr um die Betrachtung als um die betrachtete Kunst; vielmehr darum, was diese Betrachtung in den Betrachtenden auslöst, und darum, wie sie sich über Kunst unterhalten. Jeder geht von seinem eigenen Standpunkt aus, der am Anfang akustisch-sinnlich fassbar etabliert wird.

Die drei Personen halten sich an ganz verschiedenen Wörtern fest, A an seinen Ängsten (Abstraktum), B am Adler (Symbol), C an Brüsten (Konkretum). Als Symbolhintergrund scheint Prometheus zu dienen, das Urbild des schöpferischen Menschen und Künstlers. Das Spiel des Kindes wird mit Kunst assoziiert ("Ich seh etwas, was Du nicht siehst").

Interessant die radiophone Verbindung von Raum und Zeit:

noch nicht --------------------------------------------------------- nicht mehr
dazwischen die Einsamkeit
dazwischen die Angst
linker Kanal ------------------------------------------------------- rechter Kanal

 

Hier ein Gespräch über den technischen Stand der Hörspielproduktion heute:
3D-Surround

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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