Wiederholungen         1966

Ulrich Weber / Walter Furrer
"Quatembernacht". Eine Radioballade nach einer alten Walliser Sage, für Soli, Sprechrollen, gemischten Chor, Kinderchor, Orgel und Kammerorchester (45')
Radioballade Musik: Walter Furrer
Amido Hoffmann / Klaus Cornell, Bern
6.1.65
65 (DRS1, 2 Sdg.), 66 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 1/65, S.47, Karl Biffiger, Quatembernacht
 
"Quatember: unverständliches Wort, höchstens dem zugänglich, der im Konversationslexikon nachliest, dass in den quator tempora die alte christliche Kirche durch mehrtägiges Fasten jeweils die Jahreszeiten geheiligt habe, und dass die katholische Liturgie die Quatemberwochen heute noch kenne. Quatembernacht! Magisches Wortpaar aber für jeden, der sich in den Sagen des Bergvolkes auskennt oder gar selber als Kind in einer Stube sass und vor Ahnung und Angst die Beine hochzog, wenn die Alten erzählten, wie dann und dann und dort und dort in der Quatembernacht, 'am Tämperfritag z'Nacht' der Gratzug, die Totenprozession vorbeigezogen sei.
Denn in den Quatembernächten kommen die Toten zurück. Man sah sie und konnte sie hören auf ihrer Wanderschaft. Von der alten Kirche der Burgschaft Leuk aus zogen sie den Emsberg hinauf, in den Bergwald und dem Grate zu. Ihr Kommen wurde wahrgenommen als grosses Getöse und heftiger Wind. Die Züge waren schier endlos. Auf dem Siwiboden ob Staldenried waren die ersten, die letzten sieben Wegstunden weiter zurück, 'z'Visp im Chehr', und doch soll der Vorbeizug nur einige Minuten gedauert haben. Manchmal kamen aber auch so viele, dass er stundenlang anhielt. Der Weg des Totenvolkes im Lötschental, der Tschingelweg, soll über neunundneunzig Alpstaffeln geführt haben, um dann irgendwo im Gletscher wieder zu endigen. [...]
Nun hat sich der Berner Komponist Walter Furrer daran gemacht, den abgründigen Stoff in den Griff zu bekommen. Nach einem Text von Ulrich Weber, der bei aller Spannung dem schlichten Bericht der Sage folgt, hat Furrer mit modernsten musikalischen Mitteln eine Radioballade geschaffen, die hinreisst und erschüttert. Der Wind weht eiskalt vom Gletscher her, Mütter rufen nach ihren im Zuge singend mitgehenden Kindern, und im Gewoge der Rufe und Gebete des Totenvolkes klingt die Weise jenes alten Prozessionsmarsches auf, den einstens die Sagenerzähler gehört haben wollten und den sie ihren ergriffenen Zuhörern noch vorpfeifen konnten." [r+f 1/65, Karl Biffiger]
 
 

Hermann Gerig
Warten (28')
Kurzhörspiel Musik: Heinz Wehrle (Orgelimprovisationen) [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
17.1.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Felix Ingold
Umnachtung (42')
Montagsstudio HörspielErstling [D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
25.1.65
65 (DRS2, 1 Sdg.) 

r+f 4/65, S.8, Felix Ingold, Umnachtung
 
"Die Situation des Kranken, der eingeschlossen ist in einem Spitalzimmer, angewiesen auf fremde Hilfe, abhängig von Medikamenten und Apparaten, scheint mir beispielhaft zu sein für Menschen heute. Walter, ein junger Mann, der völlig gelähmt ist, kann sich mit seiner Krankheit nicht abfinden. Er leistet Widerstand, erschwert dem Pflegepersonal die Arbeit, streitet sich mit seinem Bettnachbarn. In einem Gespräch mit Schwester Anna versucht er, seine Zukunft, die nichts mehr verspricht, durch die Vergangenheit zu ersetzen und so neu anzufangen. Der Versuch misslingt. Walter erwacht aus einem schönen Traum, das Gespräch erweist sich als Fiktion, wird hinfällig. Der Kranke ist mit seiner Krankheit allein. Er identifiziert sich mit ihr, vergisst, dass er einen Körper hat, verlernt das Denken. Er verliert die Orientierung in Zeit und Raum und gewöhnt sich schliesslich an sein langsames, sicheres Sterben. So lebt er hin. [...]" [r+f 4/65, Felix Ingold]
 
 

Walter Oberer
Die drei Tage des Herrn Speck. Ein unzeitgemässes Intermezzo (66')
Komödie CoProduktion WDR/RDRS [D&F]
Raoul Wolfgang Schnell, Basel
18.2.65
65 (DRS1, 1 Sdg.; DRS2, 1 Sdg.)

r+f 7/65, S.5, Walter Oberer, "Die drei Tage des Herrn Speck"
 
"Es gibt vielerlei Begegnungen der Menschen untereinander; solche, die zu unserem täglichen Lebensvorgang gehören, die routinemässigen; solche, denen wir gerne aus dem Wege gehen möchten und die doch aus irgendeinem Grunde unvermeidbar sind; solche, die stattfinden, ohne dass wir sie realisieren, und solche, die sich schicksalshaft, wie von langer Hand vorbereitet, ereignen. Zu dieser letzteren Art gehört diejenige des Herrn Speck.
Ein MusikFachgelehrter, Spezialist für die Madrigale des 16.Jahrhunderts, der aus einem ihm selbst nicht erklärbaren Umstand mitten in seiner Dozententätigkeit den Unterricht unterbricht und auf einer Reise in den Süden mit einer Frau zusammentrifft, die sein Leben in entscheidendem Masse bestimmen könnte und es doch nicht tut, weil beide Partner dieser Begegnung fühlen, dass die 'verlängerte' Begegnung, nämlich die Ehe, das nicht wiederbringen könnte, was an Unberührtem und Unaussprechlichem in diesen drei Tagen lag. [...]
Um diese beiden Protagonisten des Hörspiels gruppiert sich ein italienisches Städtchen, seine Menschen, die Landschaft und die ganze Ambiance eines winterlichen Italiens, dessen Leben, im Gegensatz zum Sommer mit der grossen Reisezeit und den vielen Fremden, echtestes Italien ist: ein Italien mit Zeit und Musse und Lust zur Untätigkeit. [...]
Die wahre Begegnung liegt für die Gräfin und zu dieser Einsicht entschliesst sich später auch Speck in der vibrierenden Ahnung grosser Glücksmöglichkeiten, ohne sie auszunützen; die Möglichkeit, dass der Nachgeschmack des Genusses bitter sein könnte, wird dem Verzicht untergeordnet. Eine wahrhaft komische Lebenseinstellung in einer realistischen Zeit, vielleicht nicht ganz ohne Köstlichkeit für die, die wissen, dass die Vorhöfe des Paradieses oft paradiesischer sein können als dieses selbst." [r+f 7/65, Walter Oberer]
 
 

Martin Trüeb
Erkennt Euch im Wasser! (80')
HörspielErstling [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
28.2.65
65 (DRS1, 1 Sdg.; DRS2, 1 Sdg.)

r+f 9/65, S.6/7, Martin Trüeb, Erkennt Euch im Wasser!
 
vgl. Werner Gutmanns Hörspiel "Brunnevergifter", 1984
 
"'Der Mensch besteht zum grössten Teil aus Wasser', sagt ihre Exzellenz, die Frau Gesundheitsministerin an dieser Sitzung des phäkalischen Ministerrates. Bedenkt man, dass die Krankheit unserer Gewässer bereits vor Jahrzehnten erkannt wurde, so könnte man wahrhaftig der Vorstellung huldigen, soviel Nass im Kopfe liesse keinen Raum mehr übrig für die Sorge um den wichtigsten Lebensstoff.
Man wusste es also. Doch in der noch nie dagewesenen Armut unserer Wirtschaftsblüte liess man den rechtzeitigen Schutz des Wassers ins Wasser fallen. Mit staatsmännischem Weitblick warteten wir zu, bis uns das Wasser am Halse stand, oder bis der 'Krebs im Stadium der Metastase' war, wie der Innenminister Phäkaliens behauptet, in der Meinung, den todkranken Seen und Flüssen sei nicht mehr zu helfen, und Aufwendungen zu deren Rettung bedeuteten nur noch Aufschub der Katastrophe. Es ist natürlich sein gutes Recht, dies zu glauben, sind sich doch selbst Fachleute darüber uneinig, ob gewisse Seen überhaupt noch eine Chance haben, ihr biologisches Gleichgewicht jemals wieder zu erlangen. Die Gesundheitsministerin und der Aussenminister dagegen sind optimistisch. Begreiflich, wenn man verliebt ist! Sie halten durch dick und dünn zusammen und predigen tauben Ohren über die Schicksalsfrage, die das Wasser in Phäkalien geworden ist. Sie kommen nicht auf gegen jene schizophrene Politik, die um jeden Preis die Schale eines längst verfaulten Kerns schützen will, ohne recht zu wissen, gegen was oder wen. Nach einem tumultuösen Putsch der Demagogen verbleibt dem Liebespaar lediglich die Hoffnung, der Schöpfer selbst werde aus Erbarmen mit seinem Geschöpf dem unablässigen Vormarsch der Zerstörungskräfte doch noch Einhalt gebieten.
Wer erkennen will, wo wir heute mit unserer Gesinnung stehen, der braucht bloss einen Blick in ein Gewässer zu werfen. Freilich nicht in die Quellen der Bäche oder in die kristallklaren Bergseen, denn hier widerspiegelt sich noch nicht das Ergebnis jener Oberflächlichkeit, die das eigennützige und kurzsichtige Gelddenken zur vorherrschenden Devise erhob. Wo das Auge noch in die Tiefe dringt, achtet man die Natur noch als Geschenk des Himmels." [r+f 9/65, Martin Trüeb]
 
 

Erwin Heimann
An allem schuld. Aufzeichnungen zum Fall Oppliger
(5 Folgen)
(50' / 95' / 40' / 95' / 90')
Dialekt Berndeutsch Hörspielreihe Hörfolge (?) [L+L]
Robert Egger, Bern
3.3.65 / 10.3.65 / 17.3.65 / 24.3.65 / 31.3.65
65 (DRS1, 5 x 2 Sdg.), 70 (DRS1, 5 x 1 Sdg.)

r+f 9/65, S.8, Erwin Heimann, Neue Hörspielreihe: "An allem schuld"
NZZ, 17.1.70, zd, Hausmannskost für heute. Zu Erwin Heimanns Hörspielreihe "An allem schuld"
Buchausgabe: Bern (Viktoria) 1965; wurde an Fahrprüfungskandidaten gratis verteilt
 
"Es mag manchen Hörer überraschen, vielleicht sogar befremden, wenn ich ein Thema zum Gegenstand einer Hörfolge nehme, das eigentlich, wenn man unsere Tagespresse verfolgt, zu den Banalitäten unseres Alltags gehört: ein Autounfall!
Aber gerade darin liegt das Aufreizende: dass man sich daran gewöhnt hat, andie Tausende von jährlichen Opfern der Strasse, an die Zeitungsberichte, an die Gerichtsurteile. Man nimmt das alles zur Kenntnis, gibt einen mehr oder weniger oberflächlichen Kommentar und fährt weiter. [...]
Ich selbst befahre mit viel Glück seit 38 Jahren unsere Strassen, und ich habe mich daran gewöhnt, dass alles gut geht. Trotzdem habe ich mich immer wieder mit der Frage der Unfallverhütung auseinandergesetzt, auch literarisch und zumeist in heiterer Form. Aber als ich nun dieses langgehegte Projekt für das Studio Bern ausführte, blieb mir die Heiterkeit weg. Während ich den Auswirkungen des 'Falles Oppliger' nachspürte, während ich mich darum bemühte, diese Auswirkungen dem Hörer klar und fassbar zu machen, wuchs in mir selber immer deutlicher ein Gefühl der Erschütterung. So etwas kann, darf oder soll auch dem Autor widerfahren.
Es lag nicht in meiner Absicht, auch nicht in meiner Kompetenz, Urteil oder Meinung zu provozieren. Beides soll sich der Hörer selbst bilden. Aber es liebt in der Natur der Sache, und vielleicht auch in meiner eigenen, dass ich mich in der ganzen Auseinandersetzung zu mancher vorgefassten Meinung in Gegensatz stelle und juristische wie menschliche Gegebenheiten als fragwürdig anfechte. Dies geschieht indessen keineswegs aus blosser Freude an der Polemik, sondern um in einer Entwicklung, die uns immer eindeutiger über den Kopf wächst, zur Besinnung und vor allem zur Selbstbesinnung zu rufen." [r+f 9/65, Erwin Heimann]



Rudolph Bolo Mäglin
Polizeistund. E fasnächtlig Stiggli (50’)
Dialekt
Willy Buser, Basel
8.3.65 * 65 (B-MW, 1 Sdg.)
 
 

Walther Franke-Ruta
Zirkus Nero (60')
Neuinszenierung Erstsendung 1941 Komödie historisches Hörspiel Musik: Roman Flury [D&F]
Werner Hausmann, Basel
22.4.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 16/65, S.8, Walther FrankeRuta, Zirkus Nero
 
"Walther Franke-Ruta, der dem Studio Basel bis zu seinem Tode im Jahre 1958 eng verbundene Hörspielautor, wäre in diesem Jahre 75 Jahre alt geworden. Das Studio Basel benützt diesen äusseren Anlass zur NeuEinstudierung des 1941 geschaffenen Hörspiels, [...]
Der Autor schrieb:
Diese Komödie hat unvermeidlicherweise historischen Charakter; sie sollte deshalb doch keine historische Komödie werden. Rückgreifen musste ich wohl oder übel auf die Quellen, also auf Tacitus, Suetonius und Cassius Dio, und es ergab sich bei meiner Gemütsart von selbst, dass ich diese 'Quellen' munter in die handelnden personae dramatis einreihte. Wichtig war mir aber nicht der Geschichtsablauf, sondern die menschliche Idee, die Frage nach dem Sinn der Geschichte... und diese Frage lasse ich den bedeutendsten Kopf jener Zeit, wahrscheinlich den ersten und bestimmt einen der besten Romanciers der Weltliteratur, stellen: den Arbiter elegantiarum Petronius. Dieser erfreuliche Bursche ruft die drei alten Historiker und Zeitgenossen aus der Papiergruft ihrer Werke, bedient sich ihres Materials, aber nicht so, wie es diese ehrwürdigen Geschichtsschreibungsbeamten gemacht haben, sondern indem er selbst die Regie übernimmt, und indem er aus dem altersgrauen Tatsachenmaterial ungefähr das macht, was daraus geworden wäre, wenn er, Petronius, die Geschichte geschrieben hätte. Nicht nur das: Wenn er vier Szenen aus Neros Leben hätte aufführen lassen.
Ich lege besonderen Wert auf die Feststellung: Die Aussprüche Neros und die Situationen sind historisch echt. Gerade die unglaubhaftesten Ausdrücke Neros sind wortwörtlich belegt! Man glaube nicht, dass ich etwas erfunden habe. Selbst Neros 'Cocktail' ist historisch (Decoctus Neronis)! Es hat mich selbst überrascht, wie wenig ich meine Erfindungsgabe habe bemühen müssen! Die boshaften Pointen sind den 'Quellen', genau gesagt den Schriften von Tacitus, Suetonius, Cassius Dio, Plinius und Seneca entnommen. Im übrigen handelt es sich bei meinem Hörspiel nicht um Geschichtsarbeit, sondern um ein Spiel der freien Phantasie." [r+f 16/65, Walther FrankeRuta]



Alexander E. Heimann
Am Bär sy Heiwäg (50')
Dialekt Berndeutsch Kriminalhörspiel Musik: François Rabbath
Hugo Ramseyer, Bern
24.4.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Oskar Pfenninger
Das Interview (39')
Alfons Hoffmann, Bern
25.4.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 17/65, S.10, Oskar Pfenninger, Das Interview
 
"Der Ort der Handlung ist Tokio, die japanische Hauptstadt. Eine junge Dame aus Europa wartet in Tokios Flughafen auf den Start ihres Flugzeuges. Ihr Aufenthalt in Japan war eine Enttäuschung. Sie verlässt das Inselreich mit bitteren Gefühlen.
Es ist nicht ihre erste Enttäuschung in fremden Ländern. Sie reist sozusagen von Enttäuschung zu Enttäuschung. Jedesmal, wenn sie einen Ort wieder verlässt, ist es wie eine Flucht.
Im Flughafen von Tokio aber erlebt diese junge Europäerin etwas Entscheidendes. Ungeplant und unerwartet, im Verlauf einiger weniger Stunden, verändert sich ihr Leben. Die Augen werden ihr geöffnet. Ihr ichbezogenes, in sich versponnenes Wesen öffnet sich der Welt und findet den Weg zu den Mitmenschen.
Während meines eigenen langjährigen Aufenthaltes in Japan lernte ich viele Weltreisende aus Europa und Amerika kennen, die in Japan ihr Glück suchten. Japan ist ein besonders beliebter Ort für all diejenigen, die sich von einer Reise in ein fernes Land eine entscheidende Bereicherung ihres bislang unerfüllten Lebens versprechen. Ich selber zähle mich zu diesen Menschen, zog ich doch auch in den Fernen Osten, um dort das Glück zu finden. Doch es ist mir allmählich zum Bewusstsein gekommen, wie ungerecht wir Glücksucher einem solchen fernen Land gegenüber sind, wenn wir von ihm etwas erwarten, das uns unsere angestammte Heimat nicht hat geben können. Es ist eine kindische Erwartung. Wir leben in unserer Traumwelt. Und da diese mit der Wirklichkeit unserer Heimat nicht übereinstimmt, ziehen wir aus in der Hoffnung, im fernen Land unsere Traumwelt bestätigt zu finden. Da aber auch in der Ferne die Wirklichkeit ganz anders ist, wenden wir uns bald enttäuscht auch von ihr wieder ab.
Denn wir wollen uns der Wirklichkeit nicht stellen. So verbarrikadieren wir uns aber auch den Zugang zu den Menschen. Wir leben an ihnen vorbei. Wir bleiben isolierte, vergrämte, enttäuschte Wesen, und wir gleichen Schildkröten, die sich bei jeder Gefahr in ihre Schale zurückziehen. Dies aber ist bestimmt nicht der Sinn unseres Lebens!" [r+f 17/65, Oskar Pfenninger]
 
 

Christoph Mangold
Stationen (27')
Kurzhörspiel Montagsstudio HörspielErstling [D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
26.4.65
65 (DRS2, 1 Sdg.), 66 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 18/65, S.40, Christoph Mangold, Stationen
zusammen mit "Sprich dich aus" von Max Zihlmann gesendet
vgl. Jürg Seiberth, "Fortbewegen", 1983
 
"Der Mensch im ständigen Aufbruch, 'Der Zug fährt, ich sitze'. Die Züge erlauben einem, immer wieder wegzugehen. Er steigt irgendwo aus. Es ergeben sich Situationen. Man ist da, es könnte nie anders sein als so, wie es jetzt gerade ist. Episoden: Er (Sprecher: Peter Brogle) und Sie 1 (Ingeborg Weikart), die da und dort zusammentreffen; sie reden und schwören, 'immer nur wir zwei', Schicksale wollen entstehen; aber wenn es ernst wird, fährt man wieder weg. Die Personen sind in die Fahrt versessen. Die Realitäten wechseln so schnell, dass alles unwirklich wird, die ewigen Werte sind nur noch ewige Worte, keine Standpunkte, Gedächtnisstützen. In der Erinnerung, im 'inneren Dialog', werden die Situationen verwechselt. Während der Fahrt träumt er von gewissen Bleiben. 'Flucht in die Geschwindigkeit', konstant ist die Fahrt. Eine Sie 2 (Heide Kern) kommt dazu, im Tagtraum in seinem Abteil vermengt Er die Dialoge. Er hat, zum Beispiel, auch eine 'politische' Erinnerung auf Lager, Episödchen am Checkpoint Charley, Friedrichstrasse, Mädchen. 'Ich bin ja ein Fremder, ein Ausländer'. Die Züge machen das Bleiben unmöglich, 'was geht uns irgendwas an' (Er ist auch noch Schweizer!). Man kann aussteigen, wo man will, in Gedanken ist man bereits weiter, ist immer an einem andern Ort als da, wo man sich im Moment aufhält. Krampfhaft wird 'sprichwörtlich' agiert. Jede Geschichtlichkeit ad absurdum geführt. Der Irrationalismus gilt. In einer Realität begriffen, träumt man sich gegenseitig von ebender Realität vor. Vielleicht ist brieflich noch ein Kontakt möglich. Zum Spass wird ernst gespielt. Es scheint alles so ewig. Er ist sogar zufrieden in seinem Abteil, Bilder und Gedankensplitter genügen." [r+f 18/65, Christoph Mangold]
 
"Ein junger Mann sitzt im Eisenbahnabteil: 'Der Zug fährt, ich sitze.' Er erinnert sich an Stationen, die Stationen sind auswechselbar, die Leben, die Mädchen ebenfalls. Heisst es in einem Moment doch 'Immer nur wir', so ist das im nächsten Moment vergessen, weil der Zug einen wegbringt. Haften bleiben vielleicht etliche mehr oder weniger kitschige poetische Bilder; Episoden. Der junge Mann bewegt sich, fährt von Ort zu Ort; bleibt aber in der Fahrt stecken. Rettet ihn vielleicht die Möglichkeit des Ausdrucks, der Reflexion?" [r+f 31/66]
 
 

Max Zihlmann
Sprich dich aus (38')
Montagsstudio HörspielErstling [D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
26.4.65
65 (DRS2, 1 Sdg.)

r+f 18/65, S.40, Max Zihlmann, Sprich dich aus
zusammen mit "Stationen" von Christoph Mangold gesendet
 
"'Sprich dich aus', das kann nur bedeuten, dass einmal mehr eine Aussprache stattfindet. Die dramatische Literatur lebt ja zu einem beachtlichen Teil von Aussprachen, die durch irgendwelche trächtigen Ereignisse oder unliebsamen Personen hervorgerufen werden (oder die Aussprache kommt gerade nicht zustande, was auf dasselbe herauskommt). Dabei geht es (in den besseren Fällen) meist weniger darum, was ausgesprochen wird. Und somit: wie ausgesprochen wird. Es ist eine alte Weisheit, dass Kunst nicht vornehmlich dazu dienen sollte, Meinungen unter die Leute zu bringen. Sollten Erich und Silvia welche haben (sie haben gewiss welche), so geht es ihnen im Augenblick nicht darum, den andern von deren Güte zu überzeugen. Sie sind Opportunisten und benützen Meinungen (da der Gebrauch jeder Waffe freisteht), um in einem Kampf, in dem es keinen Sieger geben kann, sondern nur Verlierer (wie in den meisten Kämpfen), die Oberhand zu gewinnen. Sie sind sich nicht einmal böse, nur: haut man dem andern nicht eins auf den Kopf, fällt man schnell selber in die Versenkung. Mit andern Worten: es geht um Leben und Tod. Man hat es gemerkt: es geht um Liebe." [r+f 18/65, Max Zihlmann]
 
 

Hermann Ferdinand Schell
Salzburger Legendenspiel (45')
Übernahme vom ORF (Radio Salzburg)
Hermann Brix, Salzburg
13.6.65
65 (DRS2, 1 Sdg.)

r+f 23/65, S.39, HS, Salzburger Legendenspiel
 
[...]
"Das 'Salzburger Legendenspiel', welches als Gasthörspiel des österreichischen Rundfunks über die Schweizer UKWSender ausgestrahlt wird, schildert die Heilung eines mittelalterlichen Salzburger Bürgers von langem Siechtum durch zwei geheimnisvolle Bettler." [r+f 23/65, HS]
 
 

Albert Werner
Der Tod der Klytaemnestra. Kriminalhörspiel um eine Richard-Strauss-Oper (60')
Kriminalhörspiel
Albert Werner, Basel
11.9.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 37/65, S.50, Albert Werner, "Der Tod der Klytaemnestra"
 
"Haben Sie sich schon einmal überlegt, was sich alles hinter den Kulissen abspielen könnte, während Sie gebannt im Zuschauerraum eines Theaters sitzen und das Bühnengeschehen verfolgen? Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, dass hinter dem Schauspieler, der auf der Bühne den Narren spielt, ein wirklicher Mensch mit seinen Nöten und seinen Sorgen steckt; dessen privates Leben vielleicht ganz anders verläuft, als die Rolle, die er auf den Brettern, die die Welt bedeuten, spielt?
Das Thema des lachenden Bajazzo, dem 'ach, so weh ums Herz ist', ist nicht neu. Trotzdem ist es gerade diese Situation, die mich dazu veranlasst hat, eine kriminalistische Handlung in ein Operntheater zu verlegen. Während sich auf der Bühne die blutrünstige Geschichte der 'Elektra' abspielt, treibt hinter den Kulissen, zwischen den Auftritten der Sänger, ein Kriminalfall seiner Katastrophe und Lösung zu. Und von all dem ahnt das Publikum im Zuschauerraum nichts, bis der Mordfall selbst ins Bühnengeschehen eingreift und die Vorstellung ein jähes Ende nimmt, um der Wirklichkeit die Bühne zu räumen." [r+f 37/65, Albert Werner]
 
 

Hans Gmür
"Rette sich wer kann". Amerikanische Geschichten aus der Al CaponeZeit (60')
Kurzhörspiel (?) (Sketches und Hörspiele)
Hans Gmür, Zürich
17.9.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Hans Raaflaub
Die Nadeltürme (69')
[D&F]
Inigo Gallo, Zürich
26.9.65
65 (DRS2, 1 Sdg.)
 
 

Dieter Waldmann
's Dorf (Dauer (?))
Dialekt Dialektbearbeitung: Helli Stehle [L+L]
Willy Buser, Basel
7.10.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Hermann Roth
Bi Stettlers het er agchlopfet (30')
Dialekt Berndeutsch Kurzhörspiel
Robert Egger, Bern
3.11.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Bettina Hottiger
E häisses Yse. Hörspiel in fünf Folgen (76' / 78' / 46' / 65' / 60')
Dialekt [D&F]
Inigo Gallo, Zürich
12.11.65 / 19.11.65 / 26.11.65 / 3.12.65 / 10.12.65
65 (DRS1, 5 x 1 Sdg.)

r+f 45/65, S.6/7, Bettina Hottiger, E häisses Yse
 
"'Wie kamen Sie dazu, dieses Hörspiel zu verfassen?' Die Frage wurde mir gestellt, und ich konnte sie wenig befriedigend beantworten.
Was drängt den Menschen zum Singen? Der Italiener behauptet von sich, er singe, wenn der Hunger ihn plage; andere singen, wenn ihr Herz vor Lust und Wonne überfliesst.
Die Frage, warum ich die Hörfolge in der Mundart geschrieben habe, ist einfacher zu beantworten.
Erstens spielt sich alles in Zürich und seiner Umgebung ab. Dann hat es mich gereizt, wieder einmal zu zeigen, dass sich zur Behandlung ernsterer Fragen auch die Mundart eignet, und ein wenig war auch die Absicht dabei, die Zürcher und das Zürichdeutsch etwas aufzuwerten. Die Zürcher kommen in dieser Hörfolge gut weg; sie sind darin besser als ihr Ruf. Es widerstrebt mir, niedrige, engstirnige Menschen darzustellen, darum habe ich die besseren zu Hauptgestalten erhoben und die anderen nur am Rande auftreten lassen. Das Spiel ist also nicht ganz lebensecht.
Ein weiteres Zugeständnis wollte ich nicht machen; Wahrheit und Gerechtigkeit, wie ich sie empfinde, zu unterschlagen, dazu hätte ich weder Lust noch den Willen gehabt.
Die Sprache mag manchmal sehr unverhüllt sein, aber ich bin überzeugt, die Mehrheit der Hörer wird sie billigen und in den Gesprächen ihren eigenen Gedanken begegnen. Wie das Hörspiel auch aufgenommen wird, es wurde geschrieben von einem Menschen, der meint, nirgendwo möchte er lieber leben und arbeiten als in seiner Heimat. Es ist der Niederschlag aus Erfahrungen, Ängsten und Sorgen, die ich mit vielen Tausenden teile, die sich ebenso wehrlos wirtschaftlichen und politischen Mächten ausgeliefert fühlen und diese Mächte als keine guten empfinden.
Das Spiel gehört nun nicht mehr mir, es ist jetzt ganz die Angelegenheit der Betreuer und der Darsteller geworden. Die Zeit der Niederschrift war schön, und die Freude eines Erfolges habe ich bereits erlebt in der herzlichen Zustimmung und der liebevollen Aufnahme, die dem Hörspiel im Zürcher Studio zuteil geworden ist. Ich wünsche, diese Begeisterung möge auch auf die Hörer ausstrahlen." [r+f 45/65, Bettina Hottiger]
 
 

Fritz Schäuffele
Des Bruders Hüter. Hörspiel um den Philanthropen Pfarrer Dr.Johannes Lepsius (66')
Neueinstudierung
Helli Stehle, Basel
9.12.65
65 (DRS1, 1 Sdg.), 67 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Hermann Strehler
Don Carlos, der Briefmarkenhändler (46')
[D&F]
Lilian Westphal, Zürich
19.12.65
65 (DRS2, 1 Sdg.), 66 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Jakob Stebler
Glück und Glas. Ein beinahe boshaftes Hörspiel (50')
Hugo Ramseyer, Bern
20.12.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)
 
 

Manfred Schwarz
In den Tagen des Herodes. Hörspiel um das Weihnachtsgeschehen
(66')
Musik: Hans Moeckel [D&F]
Robert Bichler, Zürich
25.12.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 51/65,S.44/45, Manfred Schwarz, In des Tagen des Herodes
 
"Von der Schwierigkeit, ein Weihnachtshörspiel zu schreiben
Wie sagt man originell 1 + 1 = 2? Die Frage stellt sich. Was sich vor bald 2000 Jahren zutrug oder zugetragen haben soll in Bethlehem, das ist ladauf und landab oberflächlich wenigstens genau so bekannt wie das Resultat der Kinderrechnung 1 + 1; auch jenen, die im Weihnachtsgeschehen weniger ein Ereignis von geschichtlicher Tragweite als ein Gleichnis ein Zeichen, eine Sage mit Gehalt sehen wollen. Wie aber erzählt man eine so bekannte Geschichte, dass sie der Gläubige und der Gleichgültige in Sachen Religion wieder hören will? Orignell offenbar. Das heisst mit andern Worten: man forstet sie auf, die Geschichte, man reichert sie an, man wandelt sie ab, man überträgt sie, siedelt sie um, macht sie modern, aktuell, man deutet sie.
Mein Weihnachtshörspiel ist nicht originell. Ich tat nämlich zuerst nach langer Ratlosigkeit freilich das Nächstliegende. Ich las in den Evangelien von Matthäus und Lukas die bekannte Geschichte nach. Dann las ich Literatur, geschichtliche Darstellungen jener Zeit um das Jahr eins, von dem die Forschung sagt, dass es bereits im Jahre sieben 'vor Christi Geburt' stattfand... Und da ich die Geschichte rund um das Jahr eins so spannend fand, weil sie mir so vieles enthüllte, was man uns im Religionsunterricht aus weiss was für Gründen nicht gesagt hatte, da tat ich wieder nichts Originelles, sondern das Naheliegende: ich versuchte die Situation und die Ereignisse dieses Jahres sieben oder eins nachzuzeichnen. Sehr frei allerdings. Auch sehr menschlich. Ich nahm Herodes für das, als was ich ihn kennengelernt hatte in den geschichtlichen Darstellungen, als alternden, misstrauischen, um seine Macht bangenden und mit Routine kämpfenden Mann; ich sah die Juden in Erwartung des Messias und der Endzeit, als unter römischer Herrschaft resignertes oder zum verschwörerischen Aufstand bereites Volk. Ich nahm den Stern über dem Stall zu Bethlehem nicht als Wunderzeichen am Himmel, sondern astronomisch nachgewiesene Begegnung von Jupiter und Saturn im Zeichen der Fische. Und vor allem: ich machte aus Maria und Joseph kein 'Heiliges Paar'. Ich habe darauf verzichtet, nicht Sagbares sagen zu wollen." [r+f 51/65, Manfred Schwarz]
 
 

Harry von Graffenried
Der Weg zur Hölle. Ein silvesterliches Spiel mit guten Vorsätzen (60')
Komödie Musik: H.v.Graffenried (Chanson) [L+L]
Hans Gaugler, Bern
29.12.65
65 (DRS1, 1 Sdg.)

r+f 52/65, S.6/7, Harry von Graffenried, Der Weg zur Hölle
 
"Die um die Nerven einer sensiblen Hörerschaft besorgten Herren des Studios Bern haben meinem Hörspiel einen Untertitel beigefügt: 'Ein silvesterliches Spiel mit guten Vorsätzen'. Für diesmal haben sie recht getan. Erstens bin ich kein Georg Kreisler, und zweitens ist 'Der Weg zur Hölle' gar kein Weg zur Hölle, sondern ein wenn auch recht verschlungener Pfad, der in eine Sonnenstrasse mündet.
Wer als Jounalist alljährlich gegen Jahrsende für seine Zeitungen einen Jahresrückblick verfassen muss, der kann kaum anders, als sein Heil und Auskommen im unerschöpflichen Wald der Gemeinplätze und Sprichwörter suchen, besonders, wenn dieser Rückblick auf den politischen Ereignissen eines Jahres basieren soll. Und so kommt es, dass man jeweils aus lauter Verzweiflung mindestens einen verlogensentimentalen Schlusssatz zusammenbastelt, etwa in der Tonart: 'All diese politischen Dissonanzen, dieses Anorttreten falsch dosierter und falsch genutzter Kräfte, dieses bewusste oder unbewusste Gegeneinander der Völker und ihrer Politiker lässt unsere Welt zwischen Angst und Hoffnung hin und herpendeln und bildet eine schwere Hypothek, die wir wohl oder übel ins neue Jahr hinübernehmen müssen. Hypotheken aber, liebe Freunde, sind da, um abgelöst zu werden. Es lebe das neue Jahr!' Ja, ungefähr so schmeisst der Jounalist seine politische Welt über die silvesterliche Schallmauer. [...] Vorsätze selbst die allerbesten können niemals Unheil anrichten, weil sie in hundert von neunzig Fällen Vorsätze bleiben. Kein vernünftiger Mensch denkt daran, sie wie das manchmal in der Politik mit unguten Einfällen vorkommt zu verwirklichen ausgenommen die freierfundenen Menschen meines Hörspiels. Aber auch in 'Der Weg zur Hölle' ist es von den rund 12 Mitwirkenden nur ein allereinziger, der die Sache mit den Vorsätzen ernst nimmt. Deshalb spielt er auch die Hauptrolle. Sein belangloser Name ist Kaspar Böhlen. (Das kann ja nur ein Kasper sein!) Er nimmt den Weg zur Hölle tatsächlich unter die Füsse und setzt die drei ihm in unserer Zeit am wichtigsten erscheinenden Vorsätze und Tugenden, nämlich Genügsamkeit, Ehrlichkeit und Höflichkeit in die Tat um. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es dem Manne dabei schlecht ergeht. [...]" [r+f52/65, Harry von Graffenried]
 

Wiederholungen         1966