1970         1972

Klaus W. Leonhard
Der tönende Helfer (12’)
Klaus W. Leonhard, Bern
71 (DRS-1, 1 Sdg.)



Hans Mohler
Diräkter Midas (44')
Dialekt Musik: Emil Moser [L+L]
Walter Wefel, Zürich
8.1.71
71 (DRS-1, 1 Sdg.), 79 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
r+f 1/71, S.56, Hans Mohler, Diräkter Midas
tvrz 39/72, S.74-77, Marianne Boije, Ibsen - mit umgekehrten Vorzeichen. Hans Mohler und seine Dialekthörspielreihe "Regimentsspiel"
 
"Die alte Geschichte vom lydischen König Midas, wie Ovid sie in seinen 'Metamorphosen' erzählt, verlockte den Autor im vorliegenden Dialekthörspiel zur Modernisierung dieser Legende. Aus dem König, dessen Hände durch die Gunst der Götter alles in Gold verwandeln, wurde ein Wirtschaftskapitän, ein 'Diräkter'. König und 'Diräkter', beiden gemeinsam ist die späte Erkenntnis, dass der Segen der Goldmachens in Wirklichkeit ein Fluch ist, ihnen droht der Hungertod, da sich auch die Nahrung in Gold verwandelt. Dem König verhelfen die Götter dazu, seinen Fluch wieder loszuwerden. Der moderne Geldmensch braucht allerdings mehr Zeit, um sich bewusst zu werden.
In der Hauptrolle: Walter Morath." [Pgr 3/79, S.4]
 
"[...] Der moderne Geldmensch braucht etwas mehr Zeit, bis ihm bewusst wird, dass auch er dem Verhungern entgegengeht, allerdings nicht dem körperlichen, sondern dem seelischen. Dem König verhelfen die Götter selbst dazu, seinen Fluch wieder loszuwerden. Der Direktor dagegen sträubt sich lange, die Midasrolle zu übernehmen, fasst sie dann aber allzu wörtlich auf, weil es für ihn keine Götter gibt, sondern bloss den Götzen 'Wert'.
Soweit die Parallele. Darüber hinaus will das Hörspiel eine der Todsünden unserer Zeit sichtbar (oder besser hörbar) machen, nämlich die Erniedrigung des Menschen zum austauschbaren Objekt. Für den Direktor sind Menschen nicht Personen mit ihrem Eigenleben und Eigenwert, sondern bloss Geschäftspartner, Versatzstücke, Handlanger der Wertvermehrung.
Diese sterile Welt wird durch das Ferment der Liebe in Bewegung gesetzt. Das Mädchen Angelina entdeckt den Menschen Midas und möchte ihn aus der materialistischen Versenkung befreien. Bis zu welchem Grad ihr das gelingt, wird die Sendung zeigen." [r+f 1/71, Hans Mohler]
 
[...] "Hoffentlich erwartet ihn kein ähnlicher Schrecken wie seinerzeit bei 'Direktor Midas': 'Als ich es später hörte, war ich beinahe entsetzt, wieviel - für mich - wichtige Dinge nicht mehr drin waren. Aber der Autor findet natürlich immer alles wichtig." [tvrz 39/72, Marianne Boije]
 
 
 
Andreas Fischer
Lug und Trug (49')
Hörspiel-Erstling [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
30.1.71
71 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
Band gelöscht
 
"Als 'wahre' Räubergeschichte aus dem Balkan hat der Autor sein erstes Hörspiel angeboten. Natürlich zeigt es sich bald, dass Wahrheit vieldeutig ist. Dem jungen Mann in der Geschichte dient sie nur dazu, ganz eindeutige Ziele bei seinem Gast, der jungen Frau, zu verfolgen.
Man lernt den jungen Mann allerdings ebensowenig kennen wie die junge Frau. Doch die recht romantisch heitere Phantasie, die heutige junge Leute - am Alter des Autors gemessen - zu beflügeln vermag, lässt einige Schlüsse über diese Jugend zu.
Das Paar wird von Rosemarie Pfluger und René Scheibli gespielt." [Pgr 1/71, S.6]



Rolf Geissbühler
Hör-Spiele: 1. Zwei Eheleute unterhalten sich 2. Zwei Männer spielen Kleinkrieg (2' / 10')
Kurzhörspiel Montagsstudio Hörspiel-Erstling [D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
1.3.71
71 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
r+f 9/71, S.77, Rolf Geissbühler, Rolf Geissbühler: Hör-Spiele
 
"Es handelt sich um die ersten Hörspiel-Dialoge des 1941 geborenen Autors, der bis jetzt mit Gedichten ('Blumengedicht' hat Peter von Gunten 1967 verfilmt) und dem Band Prosa 'Äpfel, Birnen und Lattich' an die Öffentlichkeit getreten ist.
Nächstes Jahr wird sein zweites Buch erscheinen." [Pgr 1/71, S.10]
 
 
 
Thomas Hostettler
Tilt (42')
Dialekt Montagsstudio-Werkstatt Hörspiel-Erstling [D&F]
Walter Baumgartner, Zürich
5.4.71
71 (DRS-2, 1 Sdg.), 72 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 21/72, S.74/75, Claude B.Kirton, Acht junge Schweizer - acht Anklagen. Werkstatt-Reihe im Montagsstudio
tvrz 47/77, S.4, Paul Kretz, Schauspieler wollte ich eigentlich nie werden. Thomas Hostettler, ab 1978 verantwortlich für die "Telearena", schrieb die Szenen zum Thema "Jugendsexualität"
 
"Wenn die Kugel des Flipperkastens, ohne Punkte gesammelt zu haben, aus dem Spielfeld rollt, ist das ein Tilt.
Im Spielsalon erzählt der 19-jährige Peter dem gleichaltrigen Freund seine Geschichte mit Silvia, die er liebt. Die Prüderie ihrer Erzieher trieb sie zum Heimlichtun, und Silvia wurde schwanger. Ihr Vater gab die Einwilligung zur Abtreibung, um einen Skandal zu vermeiden. Die Welt ist wieder in Ordnung.- Nur Peter fühlt sich jetzt etwas 'Tilt'.
Dieses Dialekthörspiel ist die erste Arbeit des jungen Schweizer Schauspielers Thomas Hostettler." [Pgr 1/71, S.15]
 
"Thomas Hostettler verfolgt in 'Tilt' die Liebesbeziehung zwischen einer Schülerin und einem Schüler, die mit einer Abtreibung endet und die beiden davon am stärksten Betroffenen schutzlos und brutal mit gesellschaftlichem Sein und Schein vertraut macht. An einem Extremfall exemplifiziert er das Versagen und die Verlogenheit der kodifizierten, unpersönlich gehandhabten Moral von Schule und Elternhaus." [tvrz 21/72, Claude B.Kirton]
 
[...]
"Um 1970 war Hostettler dann ein Jahr als Schauspieler und Regisseur in Solothurn engagiert. In dieser Zeit begann er auch zu schreiben. 'Tilt', sein erstes Hörspiel, verstand er eigentlich mehr als Fingerübung. Ausser dem Stolz spürt man denn auch jetzt noch eine Spur von Staunen, wenn er berichtet, das Radio-Studio Zürich sei damals 'sofort darauf angesprungen'.
Neben anderen Stücken entstand in jener Zeit das 'Stedtlifescht'. Erzählt wird darin von einem Italiener, der eine Liebesaffäre mit einem Mädchen von noch nicht 16 Jahren hat. 'Weil niemand das Stück spielte, machte ich eben ein Hörspiel daraus', resümiert Hostettler. Und als Dr.Schmassmann von der Fernseh-Dramaturgie das Spiel durch Zufall zu lesen bekam, war er davon so fasziniert, dass er zum selben Thema einen 'Telearena'-Beitrag in Auftrag gab.
Das neue Stück heisst 'Chinderfescht' und spielt in einer Schweizer Kleinstadt. Judith, die Tochter des Bäckers, und Roland, der Sohn des Metzgers, sind miteinander befreundet. Bei den Vorbereitungen zum alljährlichen Kinderfest aber zerstreiten sich ihre Eltern. Darauf spitzen sich die Ereignisse zu. Zwei unterschiedliche Erziehungsmethoden tragen unterschiedliche Früchte. '2000 Jahre Christentum', so Hostettler, 'gingen nicht spurlos an uns vorbei.' Darüber wird unter anderem zu diskutieren sein."
[...] [tvrz 47/77, Paul Kretz]
 
 
 
Fritz Gafner
Das Formular (43')
3 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
10.4.71
71 (DRS-2, 2 Sdg.)
 
r+f 15/71, S.73, Fritz Gafner, Das Formular. Hörspiel von Fritz Gafner
 
"'Füllst wieder einmal ein Formular aus...
Und dann schickst du es irgendwohin,
wo du es gerade hinschicken musst:
aufs Steuerbüro oder aufs Zivilstandsamt.
Auf wie manchem Büro hat es schon so ein Formular
von dir und auf wie mancher Kanzlei...
Wenn du einmal gestorben bist,
dann gibt es dich nicht mehr;
aber auf den Büros!
In den Hängeregistraturen und Kartotheken -
vielleicht auch im Programm eines Computers:
da bist du vorhanden.'
Dieser Text stammt aus dem Prolog des dritten Hörspiels des Lyrikers Fritz Gafner.
Arnold von Hütten muss ein Formular ausfüllen; während er das tut, erfährt man viel mehr über seine Person als je durch ein Formular zu erfahren ist, auch wenn es noch so gewissenhaft ausgefüllt wird." [Pgr 1/71, S.16]
 
"Wenn man etwas schreiben muss (ein Formular ausfüllen zum Beispiel), schweifen die Gedanken gerne ab - von den nackten Tatsachen, wie Name, Geburtsjahr, Beruf, weg in jenes Gebiet, wo an den allgemeinen Feststellungen gezweifelt wird und wo man sich den Erinnerungen an die Kindheit hingibt. Und wenn man sich dort verlieren möchte, rufen die vorgedruckten Aufforderungen des Formulars zurück zur Sache, zu Name, Geburtsjahr, Beruf.
Droht man wirklich sich in Assoziationen zu verlieren? Oder war man nicht eher ganz bei sich; und läuft man nicht vielmehr Gefahr, sich in den Punkten des Formulars zu verlieren, in den Fakten? - Das ist nicht so ganz eindeutig. Beides hat etwas für sich. Und darum geht es im Hörspiel.
Man hört darin die Stimme des Formulars (Inigo Gallo), etwas unpersönlich und fordernd - und doch eine menschliche Stimme, die es gar nicht so bös meint. Meistens hört man aber die Stimme dessen, der das Formular ausfüllen muss (Peter Brogle).
Die Stimme des Formulars spricht nicht nur das aus, was schon schwarz auf weiss geschrieben steht; sie fällt auch dort nicht aus der Rolle, wo sie sich für ihre Sache wehrt, für das Feststellbare. Sie bildet das Skelett, welches all dem Form gibt, was die andere Stimme an Lebendigem erzählt. Das gilt nicht nur für das Hörspiel, sondern so ist es. Die Sache, das, was feststeht, das Kantige gleichsam, ist es, was uns zu unserem ganz Persönlichen nötigt. Das Unpersönliche fordert das Persönliche heraus.
Auf die Seite des Formulars gehören das Altersjahr und der Beruf mit seinem Stundenplan. Der Beruf wirft die Frage nach der Berufung auf: Bin ich geworden, was ich werden sollte, oder hätte ich nicht doch Fuhrmann werden müssen? Aber dazu ist es jetzt zu spät. Mit der Tatsache des Stundenplans taucht die Angst auf vor dem 'Immer-zu-spät'. Und das Altersjahr ruft dem Zweifel am 'Erfahrungenmachen': Bin ich nicht immer derselbe geblieben!
Hinter allem, was das Formular vorbringt, steht die härteste Tatsache: der Tod; er gibt allem die letzte Gestalt. Und deshalb ist es gar nicht so verwunderlich, dass der Mensch, der das Formular auszufüllen hat, sich auch zum letzten Punkt äussern muss: zum Todestag. Doch diesen Punkt vermag er nicht selber auszufüllen; seine Gedanken verhaspeln sich. Aber dabei hört er sich bei seinem Namen gerufen - aus dem Munde eines anderen Menschen.
Im Hörspiel kommt die Erinnerung an ein Pferd vor. An das geliebte Pferd, dem ich als Knabe die Mähne zöpfelte. Und zugleich die Erinnerung an den eisenbeschlagenenen Huf, der mich hätte töten können. Vielleicht steckt hier drin das Grundmotiv des Hörspiels - meines Schreibens überhaupt. Auf jeden Fall findet es sich auch in einem meiner jüngsten Gedichte. Meine Hörspiele sind für mich lange Gedichte, und ein Gedicht kommt mir vor wie ein kleines Hörspiel:
Als Kind habe ich es
Ohne Furcht gefüttert
Aber einmal hat es
Gegen mich ausgeschlagen
Ich weiss wohl
Dass es schon lange tot ist
Aber einmal
Trifft es mich doch" [r+f 15/71, Fritz Gafner]
 
 
 
Walter Matthias Diggelmann
Sie kennen unsere Methoden nicht (53')
Typoskript
Typoskript bei SLA, Bern
Kriminalhörspiel Übernahme durch SWF / RSR (?) [D&F]
Walter Baumgartner, Zürich
24.4.71
71 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
r+f 16/71, S.64, Walter Baumgartner, Sie kennen unsere Methoden nicht
NZZ, 23.4.71, Sr., Der Häftling zum Polizist: "Sie kennen unsere Methoden nicht"
 
"Eine Art Kriminalhörspiel mit kritischer Moral: am Verhaltens-Modell Untersuchungsgefangener-Polizeisoldat-Staatsanwalt versucht der Schweizer Autor zu beweisen, wie ein Mensch mit bestimmten, auf psychologischen Erkenntnissen aufbauenden Verhörmethoden beeinflusst werden kann und wie gefährlich solche Methoden sein können.
Es spielen: Sigfrit Steiner, Gregor Vogel und Paul Weibel." [Pgr 1/71, S.18]
 
"Walter M.Diggelmann ist heute noch akkreditierter Gerichtsberichterstatter. Längere Zeit beschäftigte er sich ausführlich mit der Arbeit der Kriminalpolizei, der Untersuchungsorgane und der Gerichtsbarkeit in Stadt und Kanton Zürich. Ohne seine damals erworbenen Kenntnisse hätte er dieses Hörspiel wohl nicht schreiben können.
Nun ist Diggelmann auch ein gesellschaftspolitisch engagierter Schriftsteller. Darum konnte ihm die einfache Wiedergabe eines Kriminalfalles nicht genügen. Darum versucht er, gewisse durch unsere bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse bedingte Denk- und Handlungsweisen darzustellen und blosszustellen: Dank der perfekten Anwendung bestimmter psychologischer Methoden gelingt es Morf, dem Polizeisoldaten, den Untersuchungsgefangenen Ihringer so weit zu beeinflussen, dass er eine vielleicht nicht begangene Tat eingesteht. - Mit der Anwendung der gleichen Methoden gelingt es dem Staatsanwalt, den Polizeisoldaten bis zum Geständnis eines vielleicht auch nicht begangenen Verbrechens zu treiben.
Ein doppeltes Bespiel für Meinungsmanipulation. Was soll es beweisen? Dass Gefangene nicht nur körperlich, sondern auch seelisch gefoltert werden können. Dass man Polizei- und Gerichtsberichte stets mit kritischer Zurückhaltung aufnehmen sollte. Dass die gezielt Emotionen anheizenden Verbrechensberichte im Ansatz selber verbrecherisch sind.
Oder dass wir allgemein kritischer sein sollten, weniger glauben, mehr fragen sollten?
Sicher aber, dass wir in allen hohe amtliche Funktionen ausübenden Personen nur die mit Fehlern und Schwächen behafteten Menschen sehen sollten." [r+f, Walter Baumgartner]



Hans Karl Müller
Adam kontra Eva 3:3 (60')
Musik: Emil Moser (Improvisationen) 2 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
15.5.71
71 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
r+f 19/71, S.60, --, Adam kontra Eva 3:3
 
"Florian hat Liebeskummer. Nichts konnte bisher die solide Bekanntschaft mit Resi trüben. Seit Florian aber Resis Freundin Barbara näher kennen gelernt hat, steigen ernstliche Bedenken aus dem Unterbewusstsein auf. Dieser Konfliktlage ist Florian nicht gewachsen.
Da taucht der Studienkollege Eugen als Retter auf. Für ihn, den Lebenstüchtigen, gibt es keine Probleme. Allerdings handelt er nicht nur aus Nächstenliebe; in seinem Tun steckt reichlich viel getarnter Egoismus.
Um in diesem delikaten Liebesproblem Klarheit zu schaffen, werden die beiden Damen getestet.
Die Studenten haben jedoch nicht mit der weiblichen Raffinesse gerechnet und vor allem nicht mit der Macht des Unterbewusstseins. Der Kampf 'Adam' und 'Eva' endet unentschieden 3:3." [Pgr 2/71, S.5]
 
"Gegenüber früheren Jahrhunderten hat sich die soziale und rechtliche Stellung der Frau wesentlich verbessert. Aber trotz Frauenstimmrecht spuken machtlüsterne Ahnentriebe immer noch in vielen Männerherzen. Der Weg zur idealen Partnerschaft ist noch weit. - Im Hörspiel 'Adam kontra Eva 3:3' wird dieses Überlegenheitsgefühl der Männer in unterhaltsamer Weise aufs Korn genommen [...]" [r+f 19/71]
 
 
 
Paul Pörtner
Kontaktprogramm (60')
Neues Hörspiel experimentelles Hörspiel Übernahme vom WDR Musik: George Gruntz / Pierre Favre / Gerd Dudek Montagsstudio [D&F]
Paul Pörtner, Köln
[7.6.71]
71 (WDR), 71 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
r+f 23/71, S.74-76, Hans Wäfler, Paul Pörtner: Kontaktprogramm
 
"Paul Pörtner definiert den Charakter von 'Kontaktprogramm' folgendermassen : 'Dieses experimentelle Hörspiel bietet nicht nur eine Montage aus authentischen Aufnahmen von Kontaktaufnahmen, sondern versucht eine Synthese von Schallspiel und Psychodrama herzustellen.'
Ausgehend von einem persönlichen Kontakt des Autors mit dem Schweizer Musiker George Gruntz wird eine Wechselbeziehung zwischen Sprache und Musik, freier Improvisation und fixierten Texten bzw. Bandaufnahmen angelegt." [Pgr 2/71, S.8]
 
"'Kontakte lassen sich aufnehmen im Doppelsinn des Wortes: nämlich Aufnehmen als Beziehung zwischen zwei Personen und Aufnehmen im Sinn einer Tonaufnahme', sagt Paul Pörtner, Schriftsteller, Regisseur und Autor des experimentellen Hörspiels 'Kontaktprogramm'. Zu seiner 'Synthese von Schallspiel und Psychodrama' - so nennt er dieses Werk - sagt er: 'Kontakte aufnehmen bedeutet ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten: Vom Augenkontakt zum Sprech- und Körperkontakt, vom Einzel- zum Gruppenkontakt. Kontakt heisst aber auch im übertragenen Sinn Verbindung herstellen, Zusammentreffen von Unzusammengehörigem, von heterogenen Elementen.' Als Autor hat Paul Pörtner das Thema Kontakte schon immer interessiert - es ist eigentlich das Hauptthema seines Schreibens, das immer wieder in Variationen dargestellt wird: 'Das Thema der menschlichen Beziehungen, der Interaktionen und wie man diese Kontaktformen bezeichnen will, die am deutlichsten darstellbar werden in den Störungen, den Kontaktschwierigkeiten oder der Kontaktunfähigkeit.' Der Kontakt Pörtners zu George Gruntz, dem Hauskomponisten am Zürcher Schauspielhaus, ergab Impulse für sein Hörspiel: Das Zusammentreffen des Autors mit einem Musiker wurde massgebend für die Auseinandersetzung von Sprache und Musik, durchgeführt im 'Kontaktprogramm'.
Einige interessante Experimente, die in diesem Hörspiel gemacht werden, seien hier kurz gestreift: Pörtner hat zunächst 'Texte für zwei' geschrieben, Dialoge, die, von zwei Schauspielern gesprochen, im Studio aufgenommen wurden. Dann unternahm man den Versuch, Text und Musik in einer neuartigen Methode umzusetzen: Der gesprochene Dialogtext wurde den Musikern ins Studio eingespielt und im Playbackverfahren die Improvisation der Musiker zu den lautlichen, rhythmischen und semantischen Werten der Sprache aufgenommen und gleichzeitig durch elektronische Modulation dem Text integriert. Bei anderen Dialogen, die Pörtner 'Reissverschlussdialoge' nennt, weil sie sich wie ein Reissverschluss verzahnen lassen, wandte man folgendes Aufnahmeverfahren an: Zwei Schauspieler befanden sich in einem separaten Raum und sprachen ihre Texte, ohne den Partner, d.h. Frage oder Antwort, zu hören. Dabei wurde eine Wirkung erzielt, die wir im Alltag zur Genüge kennen: das Aneinandervorbeireden. Ausserdem spielten zwei Musiker in zwei anderen Studios gemäss der Partitur des Komponisten einige Sequenzen, die nur zeitlich mit den Dialogen übereinstimmten. Pörtner meint: 'Das Resultat dieses isolierten Produzierens von vier Komponenten ergab eine überraschende Stimmigkeit der unstimmigen, getrennt aufgenommenen Stimmen: Die aussergewöhnliche rhythmische und klangliche Spannung zwischen den heterogenen Elementen, kurz: eine nicht nur vom Text, sondern auch für den Gehörsinn unmittelbar sinnliche Umsetzung von Kontaktlosigkeit.
Schallspiele
In seinen Schallspielen unternimmt Pörtner den Versuch, 'eine phonetische und akustische Umsetzung von Handlung, Bedeutung und Ausdrucksmomenten vorzunehmen'. Dabei werden auch authentische Aufnahmen einbezogen. Dazu Pörtner: 'Es wurde zum Beispiel ein Kontakt zwischen zwei Menschen, die sich nicht kannten, im Studio hergestellt. Zwei Studenten begannen das Kennenlernen: mit einem ersten tastenden Gespräch, das wir in all seinen Unsicherheiten haben für sich sprechen lassen; allerdings wurden der zeitlichen Dauer wegen Zäsuren vorgenomen und das Ganze auf die Gesamtkonzeption verteilt.'
Ein weiterer Versuchsbereich war die Gruppensitzung: Unter sechs Schauspielern und zwei Musikern entsteht ein zwangloses Gespräch. Dann 'heizt' ein Spielleiter durch provokative Sätze die Gruppe an. Später wird Musik einbezogen, Instrumente werden an die Gruppe verteilt; mehr und mehr überwiegt das musikalische Element. 'Hier entstehen interessante Übergänge zwischen einer Improvisation im Sinne einer Psychomusik, die zum Psychodrama gehört, und dem Schallspiel, das eine rein akustische und rhythmische Formalisierung des Hörspiels anstrebt', meint Pörtner.
Das gesamte Aufnahmematerial, ungeschnitten, à la Andy Warhol präsentiert, hätte ungefähr zwölf Sendestunden ergeben. Durch Selektion und Montage entstand eine stündige Sendung: 'Kontaktprogramm'.
Mehr als ein Hörspiel
Gruntz und Pörtner bedeutet 'Kontaktprogramm' nicht nur ein Hörspiel, sondern: 'Es ist ein Programm, das fortgesetzt werden kann und soll in weiteren Explorationen im zwischenmenschlichen und im intermedialen Bereich. Kontaktformen sind vielfältig und interessante Bestandteile unserer Wirklichkeit, dass sich hier über ein blosses Spielfeld hinaus immer neue Möglichkeiten zeigen: durch Einbeziehung von wissenschaftlichen Methoden auch analytische Arbeit zu leisten und Aufklärung zu bieten über die Dynamik und Kernspannungen der sozialen Atome.' [...]" [r+f 23/71, Hans Wäfler]
 
 
 
Jakob Stebler
Miss Yurop (27')
Dialekt Berndeutsch Dialektbearbeitung: Rudolf Stalder Kurzhörspiel Groteske
Hans Gaugler, Bern
29.6.71
71 (DRS-1, 1 Sdg.), 73 (DRS-3, 1 Sdg.)*

Erstsendung zusammen mit der Wiederholung von J.Steblers Kurzhörspiel "Bettskandal"
 
Wiederholung zusammen mit H.Konrads Kurzhörspiel "Ab uf d Böim" und einem weiteren Kurzhörspiel (Bearbeitung) gesendet
 
"Jakob Steblers Groteske 'Miss Yurop' schliesslich geisselt helvetische Modetorheiten - sprachliche und andere - und führt sie lachend ad absurdum." [tvrz 52/73, S.25]
 
* "Mit drei Kurzhörspielen eröffnet Radio DRS am Silvesterabend [31.12.73] sein 3.Programm (nur über Mittelwellen)." [tvrz 52/73, S.25]
 
 
 
Hans Konrad
Wenn Helvetia nach Bern fährt. Unpatriotische Episoden einer patriotischen Reise (53')
Dialekt Dialektfassung: Hans Rudolf Hubler Komödie [L+L]
Robert Egger, Bern
31.7.71
71 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
r+f 30/71, S.60, --, Wenn Helvetia nach Bern reist
 
[Hans Konrad = Pseudonym für Hans Konrad Bettler]
 
"Warum sollte die ehrwürdige Landesmutter Helvetia nicht wenigstens einmal im Jahr in den Schnellzug sitzen und nach Bern fahren wollen? Morgen ist doch ihr Geburtstag. Eigentlich hätte sie längst gerne erfahren, wie ihr Volk dieses Fest feiert. Da sie sich in historischer Aufmachung - im Faltengewand, mit Brustpanzer und Schwert - auf die Reise begibt, bleiben ihr allerhand Überraschungen nicht erspart. Sie gibt damit dem Autor aber auch Gelegenheit, auf liebenswürdig-heitere Art helvetische Selbstkritik zu üben. (Produktion Abteilung Folklore)" [Pgr 2/71, S.16]
 
 
 
Max Frisch
Herr Biedermann und die Brandstifter (71')
eigene Bearbeitung
Klaus W. Leonhard, Bern
1.8.71
71 (DRS-2, 2 Sdg.), 86 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
Hans Jedlitschka hat ein Exposé zu einem "Biedermann"-Hörspiel, das Max Frisch RDRS schon 1948 angeboten hat, das aber refusiert wurde!
Inszenierung DRS: Zürich, 18.6.53, 1 Sdg. (59')
 
"Ein Fremder kommt zu dir. Er ist dir verdächtig. Doch du vertraust ihm. Denn du hast Angst. Einem Freund wird er das Haus nicht anzünden. Also bist du sein Freund. Er fordert Beweise der Freundschaft. Du gibst ihm Streichhölzer. Aus Angst. In falschem Vertrauen.
Dein Haus brennt. Die Stadt brennt. Die Welt brennt. Wer ist schuld?
Der Stoff ist bereits im 'Tagebuch' von 1948 als Kurzgeschichte mit dem Titel 'Burleske' zu finden. Die Hörspielfassung wurde 1953 vom Bayerischen Rundfunk erstmals gesendet, das Bühnenstück 'Biedermann und die Brandstifter' im März 1958 in Zürich uraufgeführt." [Pgr 2/71, S.16]
 
"Nach dem Originalhörspiel 'Herr Biedermann und die Brandstifter' entstand 1957/58 das Bühnenstück 'Biedermann und die Brandstifter', Untertitel: 'ein Lehrstück ohne Lehre'. Da es allein nicht ganz abendfüllend war (Frisch wollte ursprünglich zusammen mit Dürrenmatt einen Theaterabend bestreiten), wurde es jahrelang nur zusammen mit dem noch kürzeren Schwank 'Die grosse Wut des Philipp Hotz' gespielt.
Die Uraufführung der beiden Stücke fand am 29.März 1958 am Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Oskar Wälterlin statt." [Pgr 2/86, S.5]
 
Zu einer Mundartinszenierung (Regie: Walter Wefel; Dialektbearbeitung: Emil Bader; 12.1.73, DRS-1, 1 Sdg.): "Es ist nicht das erstemal, dass Max Frischs 'Biedermann und die Brandstifter' in eine schweizerische Mundart übertragen wurde. In die zürcherische Mundart jedenfalls, in jene des Autors also, hat das Stück erstmals Emil Bader gesetzt. Die 'Freunde des Volkstheaters Wädenswil' sind eine Laienspielgruppe, die versucht, auch anspruchsvolle Bühnenwerke aufzuführen. [...]" [tvrz 1/73, S.52]
 
 
 
Hansjörg Schneider
D'Schlummermueter (42')
Typoskript
Typoskript bei SLA, Bern
Dialekt Auftrag [D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
5.9.71
71 (DRS-2, 2 Sdg.), 76 (DRS-1, 1 Sdg.), 79 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
r+f 36/71, S.37, Wk, D'Schlummermueter
NZZ, 7.9.71, lb., "D'Schlummermueter"
 
Kassette: ExLibris (TR-Verlagsunion, Audiothek-Reihe)
Von E. Pulver als "interessant" bezeichnet [Kindler 1974, S.354]
H.Schneider spielt die männliche Hauptrolle
Buchausgabe als Erzählung: Die Schlummermutter, Basel (GS Verlag) 1973; abgedruckt in: Ein anderes Land. Geschichten, Zürich (Ammann) 1982, S.117-87
Buchausgabe als Bühnenwerk: Die Schlummermutter, 1976
Nähe zum O-Ton-Hörspiel
 
"'D'Schlummermueter' ist kein Hörspiel im üblichen Sinn: Hansjörg Schneider hat den Text dazu nicht er-, sondern ge-funden. Er führte viele Gespräche mit einer alten Frau aus den unteren Volksschichten, die er alle auf Tonband aufnahm. Sie berichtete ihm von Gott und der Welt aus ihrer Sicht. Auf Grund der Tonbandaufnahmen fertigte er ein Manuskript an, das die Äusserungen seiner Gesprächspartnerin im genauen Wortlaut wiedergibt.
'D'Schlummermueter', von Elfriede Volker und dem Autor selbst gesprochen, ist ein Extrakt aus diesem Manuskript." [Pgr 3/71, S.2]
 
"'Die Schlummermutter' entstand im Herbst 1970 und wurde erstmals 1973 im GS Verlag, Basel, veröffentlicht. Dieser Text beruht auf einem mit Tonband aufgezeichneten Gespräch mit einer meiner Zimmervermieterinnen." ['Ein anderes Land', Nachbemerkung, S.189, Hansjörg Schneider]
[Schneider verschweigt - bezeichnenderweise!? - die Hörspielinszenierung.]
 
 
 
Hans Konrad
Illusione (36')
Dialekt Bearbeitung: R.Stalder / H.R.Hubler [L+L]
Hans Gaugler, Bern
10.9.71
71 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
[Hans Konrad = Pseudonym für Hans Konrad Bettler]
 
 
 
Robert Messerli
"König F". Dialekt-Hörspielreihe in sechs Folgen

(60' / 60' / 60' / 60' / 60' / 60')
Dialekt Musik: Franz David
Ulrich Studer, Zürich
17.9.71 / 24.9.71 / 1.10.71 / 8.10.71 / 15.10.71 / 22.10.71
71 (DRS-1, 6 x 2 Sdg.)
 
r+f 37/71, S.60, --, "König F"
r+f 37/71, S.70-71, Hans Wäfler, Ein Bombenspiel. "König F", die neue Dialekt-Hörspielfolge von Robert Messerli
 
Sportfans vermuten hinter dem Titel 'König F' wohl sofort den 'König Fussball'. Aber unsere Geschichte richtet sich nicht nur an die zahlreichen Fussballkenner; auch diejenigen, die sich der Faszination des runden Leders bisher nicht beugten, sollen in eine Welt geführt werden, die ihnen bis anhin fremd war. Und glauben Sie ja nicht, dass der 'König Fussball' nur am Wochenende während 90 Minuten in irgendeinem Fussballstadion regiert. Er ist so mächtig, dass er auch in private Sphären hineinspielt. davon kann Ihnen der Held unserer Geschichte, Toni Tschümperli, ein Lied singen. Es ist viel leichter, von einem Tag auf den andern durch ein wichtiges Tor zum Stadtgespräch zu werden, als gleichzeitig im Beruf ebenso schnell weiterzukommen. Und nicht jeder verdaut seinen sportlichen Erfolg, oft kommen durch die Überbewertung des Sportes auch private Misserfolge. Unser Fussballer erlebt diese Höhen und Tiefen eines Spitzensportlers, hat aber insofern Glück, als er von seinem Vater immer wieder in die richtige Bahn gelenkt wird." [r+f 37/71]
 
 
 
Ernest François Vollenweider
Die ausgestreckte Hand (46')
Hörnovelle Hörspiel-Erstling [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
18.9.71
71 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
"Ein kleiner Ort auf einer spanischen Mittelmeerinsel ist Schauplatz der Handlung. Meer, Himmel, Sonne: Zauberwort Ferien! Doch auch in Ferienparadiesen leben Einheimische, Bürger, die an den Ort und sein Geschick gebunden sind. Ein tödlicher Autounfall hat auf einer kleinen, verkehrsarmen Insel für die Bevölkerung eine ganz andere Bedeutung als sonstwo. Die ausgestreckte Hand entscheidet zwar über Schuld oder Unschuld, doch Recht und Urteil, Strafe und Sühne sind in der Volksmeinung zwei ganz verschiedene Begriffe.
Die Rolle des Erzählers in dieser Hörnovelle, dem radiophonischen Erstling von Ernest Françcois Vollenweider, hat Sigfrit Steiner übernommen." [Pgr 3/71, S.4]
 
 
 
Wilhelm Michael Treichlinger
Das Gesetz (55')
eigene Bearbeitung Musik: Emil Moser [D&F]
Mario Hindermann, Zürich
19.9.71
71 (DRS-2, 2 Sdg.), 75 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
r+f 38/71, S.36, hn, Das Gesetz
NZZ, 21.9.71, rlo., "Das Gesetz" von W. Treichlinger
 
Erstsendung laut Mario Hindermann: Nov.56, BR München und SDR Stuttgart
 
"Zwei Stoffe liegen der Handlung dieses Hörspiels zugrunde: zum einen die Geschichte von drei Bauern, denen plündernde Soldaten das Versteck des Viehs abpressen wollen, zum andern die auf einem alten chinesischen Dramenmotiv beruhende Geschichte vom Kindesopfer - 'Der Waise aus dem Hause Dschau', wie der Titel im Original lautet. Dieses gehört zu den frühesten Dramentexten, welche Missionare aus China nach Europa brachten, wo Voltaire als erster sich zu einem 'chinesischen' Stück ('L'orphelin de la Chine') anregen liess.
Das ewiggleiche Rauschen des Yangdse-Flusses, das die zeitlich rund 2000 Jahre auseinander liegenden Spielebenen verbindet, ist Sinnbild der immerwährenden, zeitlosen Thematik dieses Stückes.
Der in Wien geborene, in Zürich beheimatete Autor hat sich vor allem als Übersetzer altchinesischer Lyrik, als Drehbuch- und Hörspielverfasser, als Opernlibrettist und Herausgeber einen Namen gemacht." [Pgr 3/71, S.4]
 
"Wie verhält sich ein Mensch der Macht gegenüber, wenn, rein äusserlich, die Gegenwehr aussichtslos ist? Wie bringt er das Gebot der Gewaltlosigkeit mit dem Gesetz der Rache überein? Darf er Recht als Recht anerkennen, obwohl es seinem Gefühl für Gerechtigkeit widerspricht?" [r+f 38/71]
 
 
 
Hanspeter Gschwend
Feldgraue Scheiben (60')
Dialekt Stereo Auftrag Zürcher Radiopreis 1971 2 [D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
25.9.71
71 (DRS-1, 2 Sdg.), 72 (DRS-1, 2 Sdg.), 74 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
r+f 30/71, S.17, --, Geräuschkulissen
r+f 38/71, S.69, Hanspeter Gschwend, "Können wir uns der Logik der Gewalt nicht entziehen?". Hanspeter Gschwend zu seinem neuen Hörspiel "Feldgraue Scheiben"
Basler Nachrichten, 24.9.71, -ley., Neue Hörspiel-Tendenzen
Der Bund, 27.9.71, rbc., Dem Stereo-Hörspiel entgegen. "Feldgraue Scheiben" der Presse vorgeführt
TA, 27.9.71, hz., Helvetische Kasernensprache
Neue Zürcher Nachrichten, 2.10.71, Paul Schorno, Stereo Hörspiel: Nutzen oder Rückschritt?
TA (Auslandausgabe), 19.10.71, Fritz Hirzel, Wiederentdeckte Mundart. Das Radio wirkt als "Schneidebrenner"
Neue Zürcher Nachrichten, 22.1.72, sda, Feldgraue Scheiben. Zürcher Radio-Preis für Hanspeter Gschwend und Joseph Scheidegger
NZZ, 23.1.72, sda, Verleihung des Zürcher Radio-Preises 1971
NZZ (?), (?).72, Martin Schlappner, Das schweizerische Mundarthörspiel
TA, 24.3.72, fm., Zürcher Radio-Preis. Diesmal für Teamarbeit
Die Tat, 25.3.72, sr., Zürcher Radiopreis für Mundart-Hörspiel
St.Galler Tagblatt, 25.3.72, --, Zürcher Radiopreis 1971
tvrz 8/75, S.17, --, Feldgraue Scheiben
TA 12.3.75, --, Kein realer Hintergrund für fiktives Fernsehspiel "Feldgraue Scheiben". EMD begründet den TV-Entscheid
(?), (?), Gerhard Weeger, "Feldgraue Scheiben" unter Beschuss. Aspekte der Kontroverse EMD - Schweizer Fernsehen
NZZ, 11.3.75, mw., Mehr als eine Spielplanänderung. Ein geplatztes Fernsehspiel zu einem militärischen Thema
NZZ, 12.3.75, sda, "Feldgraue Scheiben". Der Standpunkt des EMD
Die Weltwoche, 12.3.75, Peter Rüedi, Feldgraue Leiden
National Zeitung, 15.3.75, Manuel Isler, Feldgrau
Neue Zürcher Nachrichten, 26.4.75, drs, Programmkommission diskutiert "Feldgraue Scheiben"
LNN, 11.9.75, --, Hanspeter Gschwend: "Rehabilitieren kann nur, wer vorher verurteilt hat." Ein ehrenvolles Begräbnis der "Feldgrauen Scheiben"? [Interview]
tvrz 11/75, S.21, --, "Feldgraue Scheiben"
tvrz 18/75, S.21, --, zu "Feldgraue Scheiben?" [sic]
 
Wiederholung im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums, 1974
Buchausgabe: Bern (Zytglogge)
Kassette: ExLibris (TR-Verlagsunion, Audiothek-Reihe) 1974
Von E. Pulver als "interessant" bezeichnet [Kindler 1974, S.354]
 
"Um die notwendigen Geräuschkulissen aufnehmen zu können, reiste eine Aufnahme-Equipe des Radios DRS unter der Leitung des Regisseurs nach Bern, wo sie Gelegenheit erhielt, während eines ganzen Tages mit den Mikrophonen einen Zug einer Infanterie-Unteroffiziersschule zu belauschen." [r+f 30/71]
 
"Ende letzten Jahres brachten wir den Erstling von Hanspeter Gschwend, 'Essen', eine Dialekt-Studie, die sich an schweizerischer Wirklichkeit orientierte. Auch im zweiten Hörspiel gestaltet der Bieler Autor eine Welt, die er, als Leutnant, kennt; aus naheliegenden Gründen wieder im Schweizer Dialekt.
'Feldgraue Scheiben' wurde stereophon produziert, kann jedoch leider nur monophon ausgestrahlt werden." [Pgr 3/71, S.5]
 
"Für den Krieg gibt es keine Argumente. Aber es gibt den Krieg. gegen den Krieg gibt es viele Argumente. Aber es gibt den Krieg. - Also nützt es nichts, gegen den Krieg zu argumentieren. Beim Krieg hört das Argumentieren auf; Krieg vernichtet Argumente, Krieg vermag, was Argumente nicht vermögen: Er zwingt, dass man auf ihn eingeht, auch wenn man nicht will. Das ist die Logik der Gewalt. Kein Staat, der ihr nicht folgte.
Auch wir haben uns dieser Logik unterworfen, indem wir tun, was wir mit unserer Schweizer Armee zu tun versichern: Rüsten, um nicht wehrlos unterzugehen, wenn die Logik der Gewalt uns zwingt zu kämpfen. Auch wir folgen der Logik der Gewalt, indem wir rüsten, um den Logiker der Gewalt von der Anwendung der Gewalt abzuhalten, indem wir ihm mit dem drohen, woran er am meisten glaubt: mit Gewalt.
[...]
Ist Rüstung, ist die Schweizer Armee, ist mein Einsatz in dieser Armee also gerechtfertigt?
Wenn ich Nachrichten lese oder höre, wenn ich Bilder von Völkermorden, etwa in Pakistan, sehe, wenn ich von dem schlauen Spiel der Sowjetunion mit der offenbar rüstungsmüden NATO erfahre, dann scheint es mir unverantwortlich, mich nicht in eine Wehrorganisation einzugliedern.
Wenn ich aber über die Logik der Gewalt nachdenke, wenn ich mir ihre Konsequenzen vor Augen führe, dann scheint es mir unverantwortlich, sie mit meiner Wehrbereitschaft zu bestätigen.
Was tun?
Ich habe mit meinem Hörspiel die Situation von Schweizer Soldaten in einer Rekrutenschule unserer Schweizer Armee in unseren friedlichen Zeiten dargestellt; ich habe dabei versucht, typische Situationen spielen zu lassen, aus denen die vieldiskutierten Fragen, die sich in unserer Armee und durch unsere Armee stellen, sich in der Vielfalt der Aspekte der Wirklichkeit ergeben sollten. Meine Arbeit hat mich selber nicht dazu gebracht, Dienstverweigerer zu werden. Vielleicht hat sie aber doch einen ganz kleinen Fortschritt zur Folge: dass es ein paar wenigstens verantwortungsbewusste Schweizer Soldaten mehr gibt." [r+f 38/71, Hanspeter Gschwend]
 
"Das kritische Hörspiel hat bei seiner Erstsendung vor drei Jahren heftige, nicht durchwegs positive Reaktionen aus dem Hörerkreis hervorgerufen. Anderseits baten ein Instruktionsoffizier und mehrere Feldprediger um eine Kopie, damit sie das Hörspiel als Diskussionsgrundlage über den Sinn der Schweizer Armee verwenden könnten.
Hanspeter Gschwend und Joseph Scheidegger erhielten für 'Feldgraue Scheiben' den Zürcher Radiopreis." [Pgr 3/74, S.21]
 
"Das Ressort Theater des Fernsehens der deutschen Schweiz bereitet in Zusammenarbeit mit dem EMD die Fernsehspiel-Produktion 'Feldgraue Scheiben' vor. Das Stück des Schweizer Autors Hanspeter Gschwend spielt in einer Rekrutenschule und setzt sich mit Fragen des Miliärdienstes und der Landesverteidigung auseinander. Der Regisseur Joseph Scheidegger will alle Szenen an Originalschauplätzen aufzeichnen, wobei zum ersten Male bei einem Fernsehspiel der Reporterwagen eingesetzt wird. Produzent ist Max P.Ammann." [tvrz 8/75]
 
"Dreimal wurde das Hörspiel 'Feldgraue Scheiben' von Hanspeter Gschwend (Jahrgang 1945) bereits ausgestrahlt. Es erhielt den Zürcher Radiopreis 1971, wurde vom Zytglogge-Verlag als (preiswertes) Buch ediert und als Kassettenproduktion von diversen Militär-Ausbildnern sogar zu Schulungszwecken benutzt. Nun hätte das erfolgreiche Stück auch noch als Fernsehinszenierung aufgezeichnet werden sollen. Doch dieser Versuch ist Ende letzter Woche gescheitert. Das Eidgenössische Militärdepartement, das erst gegen das Projekt und auch gegen eine Beteiligung an der Realisation nichts einzuwenden hatte, begann in letzter Minute Bedenken zu äussern und hinter dem Stück 'ein Zerrbild unserer Armee' zu entdecken - ohne allerdings bislang mit einer offiziellen Begründung aufzuwarten. Beim Fernsehen konnte man aus Termingründen nicht länger zuwarten und hat jetzt ersatzweise mit der Produktion von Jean Giraudoux' 'Apollon de Bellac' begonnen." [tvrz 11/75]
 
"Die Programmkommission DRS nahm in ihrer Sitzung vom 24.4. Stellung zu dem Entscheid des Eidg.Militärdepartementes, auf eine aktive Unterstützung bei der Produktion des Fernsehspiels nach dem bereits ausgestrahlten Hörspieltext von Hanspeter Gschwend zu verzichten. Das Spiel - so hiess es - habe die 'Wirklichkeit des Militärdienstes' verzeichnet. Davon kann nach Auffassung der Mehrheit der Programmkommission nicht die Rede sein. Vielmehr biete das Stück eine gute Grundlage für die vertiefende Diskussion aktueller und vor allem die jüngere Generation interessierender Fragen der Landesverteidigung und der militärischen Ausbildung. In einem freiheitlich demokratischen Staat hätten die Medien nicht nur das Recht, sondern die Verpflichtung, prinzipielle Fragen des öffentlichen Lebens zur Diskussion zu stellen. Angesichts des in seiner Grundhaltung positiven und konstruktiven Stückes hofft die Programmkommission, dass die verantwortlichen Instanzen ihre Meinung noch revidieren könnten." [tvrz 18/75]
 
"Tatsächlich zeichnet sich in Hutterlis Prosabüchern [...] der Versuch einer differenzierten, nicht schablonenhaften Auseinandersetzung mit den bestehenden Institutionen ab. Das gleiche in den Hörspielen von Hans-Peter Gschwend (*1945): 'Feldgraue Scheiben', 1971, und 'Joggeli chasch ou ryte', 1978. Der Autor trägt seine Kritik nicht von aussen an das Bestehende heran, sondern wählt Protagonisten, die sich in dessen Rahmen einsetzen. Im Zentrum von 'Feldgraue Scheiben', einer kritischen Darstellung der Armee, steht nicht ein Dienstverweigerer, sondern ein junger Leutnant, der sich durch guten Willen, überdurchschnittlichen Einsatz auszeichnet und seine Aufgabe, aus Rekruten kriegstüchtige Soldaten zu machen, nur allzu ernst nimmt. Aber ausgerechnet er wird beinahe schuldig am Tod eines halb debilen Rekruten, und er muss erfahren, wie auch in seinem Kopf die Phrasen, mit denen seine Vorgesetzten den inneren Widerspruch einer Armee, die zur Kriegstüchtigkeit erziehen soll und zugleich 'dem Frieden dienen' will, zudeckt." [Kindler 1980, S.424/425, E.Pulver]
 
 
 
Karl Jakob Hausmann
Hier irrte Casanova. Hörspiel in drei Folgen (37' / 44' / 47')
historisches Hörspiel [D&F]
Walter Baumgartner, Zürich
9.10.71 / 16.10.71 / 23.10.71
71 (DRS-1, 3 x 2 Sdg.), 74 (DRS-1, 3 x 1 Sdg.)
 
r+f 40/71, S.64, Walter Baumgartner, Hier irrte Casanova
 
"1.Folge
Giacomo Casanova (1715-1798), der berühmte Abenteurer und Frauenfreund, lebte von 1785 bis zu seinem Tode auf Schloss Dux in Böhmen, wo ihm sein Gönner, Graf von Waldstein, Asyl angeboten hatte.
Casanova schreibt seine Memoiren und erinnert sich dabei an seine Erlebnisse in der Schweiz. Erste Station ist Zürich, wo er die schöne Solothurnerin, Baronin von Roll, kennenlernt.
Den alten Casanova spielt Rainer Litten, den jungen Wolfgang Stendar." [Pgr 3/71, S.7]
"2.Folge
Giacomo Casanova reist der schönen Baronin von Roll nach Solothurn nach. Auf Empfehlung des französischen Aussenministers nimmt ihn der französische Gesandte in Solothurn, Herr de Chavigny, gastlich auf, führt ihn in die Gesellschaft ein und begünstigt seine Pläne bezüglich der Baronin.
Um an das Ziel seiner Wünsche zu gelangen, mietet Casanova das nahe Schloss Waldeck." [Pgr 3/71, S.8]
 
"3.Folge
Seine Liebeshändel haben Casanova wieder in Schwierigkeiten gebracht. Den Baron von Roll hat er sich verpflichtet, aber Frau von Falkenburg, die eifersüchtige Freundin der Baronin, wird gefährlich. Casanovas Haushälterin, die hübsche Witwe Dubois aus Lausanne, hilft ihm, die verfahrene Situation zu meistern: Zusammenarbeit ist eine gute Voraussetzung für eine grosse Liebe!
Die Rahmenhandlung führt uns wieder nach Dux zurück, wo der nach einem erfolglosen Fluchtversuch zurückgeholte alte Casanova in seinen Erinnerungen versinkt." [Pgr 3/71, S.9]
 
"Schon lange beschäftigte den Autor Karl Jakob Hausmann die Figur Casanovas, die Intelligenz, der Witz, die Geistesgegenwart dieses Weltmannes, seine Beherrschung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten in Wort und Schrift, seine umfassende Bildung - er schrieb historische, philosophische, mathematische, dramatische und poetische Werke, übersetzte Lateinisch, Italienisch und Französisch und korrespondierte mit allen klugen Köpfen seiner Zeit -, seine Stellung zu den Frauen - bis heute steht der Name Casanova für den Inbegriff des Frauenverführers, kaum jemand fragt sich, warum: Casanova sah nicht besonders gut aus, wohl war er nie knausrig, aber nur seinen Geschenken können die Frauen nicht erlegen sein, er war nicht nur ein leidenschaftlicher Liebhaber, dabei zartfühlend und taktvoll, er achtete vor allem die Persönlichkeit der Frauen, mit vielen blieb er über Jahrzehnte hinweg freundschaftlich verbunden -, die Tragik seines Alters - die Französische Revolution und ihre Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in ganz Europa konnte er nicht verstehen und schon gar nicht billigen, sie hatte sein Weltbild zerstört. Selber aus dem Volke stammend - seine Eltern waren Theaterleute - konnte er sich eine Gesellschaft ohne Ausschliesslichkeit der Machtansprüche einer Elite nicht vorstellen. Der Gedanke an den 'Pöbel' war ihm zuwider.
Aus der Erinnerung des alten verbitterten Bibliothekars auf Schloss Dux lässt der Autor den jungen erfolgreichen Casanova erstehen und seine Schweizer Abenteuer erleben. Karl Jakob Hausmann hält sich eng an Casanovas eigene Angaben, denen die neuere Wissenschaft überraschende Wahrhaftigkeit bescheinigen muss und nur gewisse falsche Datierungen nachweisen kann." [r+f 40/71, Walter Baumgartner]
 
 
 
Heinz Weder
Der Mann im Mond (31')
Montagsstudio 2 [D&F]
Guido Wiederkehr, Basel
1.11.71
71 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
r+f 44/71, S.73, Heinz Weder, Der Mann im Mond
 
vgl. mit Walter Vogts "T'Innkwisizioon"
 
"Heinz Weder, der sich durch seine Verlegertätigkeit in der Psychopathologie genau auskennt, lässt in seinem Hörspiel einen Grössenwahnsinnigen mit einem Psychiater sprechen. Der unablässige Wechsel zwischen Gedankengängen des Kranken, die sich auf die Wirklichkeit beziehen, und solchen, die der Logik des Wahnsinns folgen, charakterisiert ein Krankheitsbild; das Verhalten des Arztes lässt begreifen, wie nahe normale und abnormale Menschen einander eigentlich stehen." [Pgr 3/71, S.10]
"Geboren und aufgewachsen in Berneck, St.Galler Rheintal, Maturität in St.Gallen, anschliessend Aufenthalte in Basel, Genf und Bern. Beruf: Verleger für Medizin und Psychologie.
Reisen beruflich und privat, nach Deutschland, Oesterreich, England, USA, Italien, Holland und Frankreich.
1956 begann ich zu schreiben und zu publizieren, zunächst Gedichte, in der naturlyrischen Tradition der Loerke, Lehmann, Krolow. Später wendete ich mich, im Gedicht, mehr und mehr der Beschreibung, der Chronik (auch der erfundenen), dem Protokoll zu, und in den neuesten Gedichten (Gegensätze, S.Fischer, Frankfurt a.M., 1970) dem Vergleich zwischen wissenschaftlichem Dokument und lyrischer Improvisation mit Hypothesen und Behauptungen. In der Prosa, die ich seit 1958 schreibe und veröffentliche, interessiert mich der literarische Surrealismus, der rational herstellbare, kontrollierbare Surrealismus. 1963 wurde mein erstes Hörspiel, 'Der Antiquitätenhändler', gesendet. Darin erprobte ich an nachvollziehbaren Fakten und Ereignissen meine surrealistische Technik, die sich, für mich, in der Prosa bewährt hatte.
Auch das Hörspiel 'Der Mann im Mond' ist, wenn man will, ein surrealistisches Produkt. Die Figuren oder Stimmen: ein psychiatrischer Patient, ein Psychotiker einerseits, und ein Arzt, ein Psychiater, andererseits. Als Ergänzung ist die Figur des Ansagers aufzufassen der die Rolle eines Moderators verkörpert. Seit ich mich beruflich als medizinischer Verleger und schriftstellerisch mit dem Problem Geisteskrankheit und Kunst beschäftige, interessieren mich die Übergänge vom sogenannten Normalen zum Pathologischen in erster Linie literarisch, sprachlich, phänomenologisch. Die verbale und ausdruckbedingte Dynamik in einem Text eines Schizophrenen bestätigt in vielerlei Hinsicht selbst Bretons Theorie vom unbewussten Automatismus und liefert Ansätze zum Verständnis vom künstlerischen Wollen, vom künstlerischen Vollzug. Hier nun, im Hörspiel 'Der Mann im Mond', geht es mir aber auch um ein Kommunikationsproblem, mit dem wir eigentlich täglich konfrontiert werden, das wir nur unzulänglich wahrnehmen. Dieses Problem erhält im ärztlichen, im psychiatrischen Gespräch eine entscheidende Funktion: Übertragung und Gegenübertragung, Begriffe aus Psychoanalyse und Psychotherapie. Der psychiatrische Patient investiert seine wesentliche Energie in den Kontaktversuch. Und immer dann, wenn die Beziehung zu seinem Partner, hier zum Arzt, hergestellt und geregelt zu sein scheint, weicht der Patient aus, stellt Wirklichkeit und Gegenwart in Frage und rühmt ausschweifend und kompliziert seine, wie er glaubt, zuverlässige Welt. Der Arzt, gesichert durch seine Vorstellungen, sein Wissen und seine diagnostischen Fähigkeiten, verunsichert aber durch den Anfall von kaum kontrollierbarer Phantasie des Patienten, adaptiert, vorübergehend, Reaktion und Verhalten des Patienten. Die Verständigung aufgrund von unwiederbringlicher Wirklichkeit wird fragwürdig, sprachlich entsteht ein Capriccio. Und hier beginnt, meine ich, das literarische Faszinosum. Die Geschichte vom Bauer, der mit seiner Ernte Pech hat und betet, damit ihm Gott helfe, ist doch allzu einfältig. Die menschliche Figur oder Gestalt ist doch viel mehr als eben nur ein von einer imaginierten Instanz abhängiges Wesen.
'Der Mann im Mond' ist nicht nur ein Stück Literatur, dieses Hörspiel ist auch, ich hoffe es, als solches eine Provokation." [r+f 44/71, Heinz Weder]
 
 
 
Gertrud Lendorff
Vor hundert Jahren (1870): 1. Die ungebetenen Besucher 2. Unheimliche Erscheinungen 3. Der Schicksalstag 4. Die Hochzeit 5. Die Fahrt ins Paradies
(45' / 47' / 47' / 49' / 59')
Dialekt Fortsetzung einer Hörspielfolge aus den 40er und 60er Jahren! Musik: Hans Moeckel [L+L]
Helli Stehle, Basel
5.11.71 / 12.11.71 / 19.11.71 / 26.11.71 / 3.12.71
71 (DRS-1, 5 x 1 Sdg.), 81 (DRS-1, 5 x 1 Sdg.)
 
r+f 19/68, S.71, R.Auer, "Vor hundert Jahren". Zur neuen Hörspielfolge von Gertrud Lendorff
r+f 44/71, S.75, Gertrud Lendorff, Vor hundert Jahren. Neue Hörspielfolge von Gertrud Lendorff
Buchfassung: Drei Schicksalstage / Die Fahrt ins Paradies Basel (Reinhardt)
 
"Vor ungefähr zwanzig Jahren kam Herr Haeser, der Leiter der Abteilung Folklore am Radio Basel, mit einer Frage zu mir: 'Nun hat Zürich den 'Polizisten Wäckerli', Bern die 'Familie Läderach' gesendet, und die Reihe wäre an uns. Könnten Sie uns eine baseldeutsche Hörspielfolge schreiben?' Natürlich bejahte ich. Herr Haeser hatte auch bereits dramatische Arbeiten von mir gesendet. Aber im Grunde träumte ich nicht vom Hörspiel, sondern vom Theater. Konnte ich mich vom Sehen vollkommen aufs Hören umstellen? Und ausserdem: der Stoff? Zürich hatte den Kriminalroman, Bern die Familiengeschichte vorweggenommen. Leben in einem Mietshause?
Plötzlich fiel mir der angefangene Altbasler Roman ein, der in meiner Schublade ruhte. Er war, wie es schien, für immer unvollendet in der Versenkung verschwunden. Ich hatte darin das Leben der Basler zu schildern versucht, die im letzten Jahrhundert nach Paris auswanderten.
[...]
...was uns vorschwebte, war ein Stück der gesamten Kulturgeschichte in ansprechender Form. Unser Stichdatum 1850 bot des Interessanten genug: Basel war daran, seinen mittelalterlichen Mauerring zu sprengen, die Stadttore wurden abgetragen, die Mauern und Gräben entfernt, Eisenbahnen und Industrie veränderten das Strassenbild. Überdies war auch das Problem Neuenburg aktuell, das noch preussischer Besitz war. Auch gab es immer noch Basler, die in fremden Kriegsdienst zogen. Es fehlte also nicht an Stoff. Aber würden die Hörer davon angesprochen werden?
Herr Haeser hatte den Mut, die Sache zu wagen. Die Hörspieler waren am Anfang skeptisch. Aber dann geschah das Überraschende: Das Publikum ging begeistert mit. Die Familie Sternenberger wurde von allen geliebt, weitere Hörfolgen wurden bestellt, Oberst Aymon de Bogenthal und Frau Fanny wurden allgemein freundlich aufgenommen. Später fand sich der Reinhardt-Verlag, der meine neuen hochdeutschen Fassungen der Hörfolgen in Buchform herausbrachte. Sie mussten dafür völlig neu geschrieben werden, aber der Stoff war ja vorhanden.
Jetzt, nach zwanzig Jahren, bringt Radio Basel eine neue Folge 'Vor hundert Jahren'. Der Krieg 1870/71 als Hintergrund der Familiengeschichte ist ebenso aktuell wie das Geschehen um 1850, die Schicksale der Sternenberger und Bogenthal nicht weniger spannend als am Anfang der Sendereihen. Wenn die Hörer sie ebenso gern bekommen wie vor zwanzig Jahren, so ist dies für uns alle das schönste Geschenk." [r+f 44/71, Gertrud Lendorff]
 
"Mit dieser Folge wurden vor 10 Jahren die Hörspielreihen der Basler Autorin abgeschlossen. In 5 Sendungen - sie spielen, abgesehen von einer Stadt-Episode, auf dem Schlösschen Bogenthal im oberen Baselbiet - werden die Geschicke der aus früheren Reihen bekannten Basler Familien erzählt, vom Juni bis zum November 1870. Um den Kreis von Geburt, Hochzeit, Tod ranken sich die Schilderungen der Erlebnisse von Verwandten, Nachbarn, Freunden, und der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges wirft seine dunklen Schatten." [Pgr 2/81, S.13]
 
 
 
Barbara Seidel
Lernen, Abschied zu nehmen (33')
Hörspiel-Erstling [D&F]
Walter Baumgartner, Zürich
20.11.71
71 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
r+f 46/71, S.77, Barbara Seidel, Lernen, Abschied zu nehmen. Hörspiel von Barbara Seidel
 
[...]
"Das also müsste gelernt werden: Bei jedem Abschied gelassen zu sein und doch so, als wäre es ein Abschied für immer.
Dabei ist jeder Abschied auf Zeit, für Liebende besonders, schon schwer genug, und wer kann das schon, so mitten im bedrängenden Erleben, von dem vielen, was noch zu sagen und zu tun wäre, das Richtige sagen oder tun.
Der Abschied von zwei Liebenden wird in dem Hörspiel nacherlebt zu einer Zeit, zu der nichts mehr zu sagen oder erklären ist. Was die beiden weder sagten noch erklärten, wissen zwei beobachtende Wesen. In früheren Zeiten und anderen Ländern, da man, sei es, seine inneren Mächte noch ausserirdisch gesehen hat, sei es, sich von Geistern begleitet glaubte (wer kann sagen, ob es nicht so sei) - in jenen Zeiten und Ländern also würde man die beiden Beobachtenden Daimon, Djinn oder auch (Schutz-Engel) nennen.
Sie, die Liebende, als Kind viel krank und viel allein, nun selbständig in ihrem Beruf, besucht ihn, den Mann, dann und wann übers Wochenende in seinem Bergchalet. Er, älter als sie, hütet in einem Leben, das er als verpfuscht betrachtet, seine Unabhängigkeit, zugleich hasst er seine Einsamkeit. Die beiden haben sich in einem Sanatorium kennengelernt wie auf einem Floss. Ihre Beziehung besteht vollkommen und unverletzlich, solange die Ansprüche der übrigen Welt ausgespart bleiben. Eine Liebe, die in solcher Vollkommenheit kurz sein musste.
'Lernen, Abschied zu nehmen' ist mein erstes Hörspiel. An einem Abend vor unbestimmter Zeit habe ich im Dunkeln ein Hörspiel gehört, welches es war, weiss ich nicht mehr, ich habe dann weniger auf die Handlung geachtet als auf das Handwerk.
Damals, im Dunkeln und auf die Stimmen konzentriert, ist mir zum erstenmal bewusst geworden, wie Hörspiele ganz anderen Gesetzen unterstehen, als was ich bisher geschrieben hatte, Berichte, Erzählungen und einmal einen Roman. Im Hörspiel gibt es nichts zu schildern und zu erzählen, gibt es auch kein Sichtbarmachen eines Zustandes durch die Person, ihre Kleidung, ihre Gesten und Mimik, keine beschriebene Umwelt, allenfalls die Geräusche als Kulissen. Jedes Geschehen müsste dramatisiert oder, bescheidener, in Dialog umgesetzt und so hör- und für den Zuhörer sichtbar werden.
Meine ersten Versuche waren, das musste ich einsehen, Hörnovellen, keine Hörspiele. Weg, weit weg vom Erzählen, abstrahieren - es war und bleibt ein faszinierendes Unternehmen, es lässt nicht los, hält in Spannung, nunmehr: wie wird, von unbekannten Stimmen verwirklicht, das Spiel zu hören sein." [r+f 46/71, Barbara Seidel]
 
 
 
Michel Haymann
Der Befund (52')
3 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
21.11.71
71 (DRS-2, 2 Sdg.)
 
r+f 47/71, S.77, Michel Haymann, Der Befund. Hörspiel von Michel Haymann
 
"Ärzte stehen vor einer unheilbaren Krankheit wie Spieler vor den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung: mit dem verzweifelten Ehrgeiz zu gewinnen und der Gewissheit, letztlich doch zu verlieren. Soll der Patient erfahren, wie es um ihn steht? Die Wahrheit zerstört das Magierbild des Arztes, an welches der Kranke sich klammert und hinter dem sich der Arzt oft auch gern versteckt. Die schonende Leugnung des Todes erhält dem Patienten die Hoffnung auf Leben, die ihn bis an sein Ende begleitet.
'Der Befund', eine Spiegelung dieser tödlichen Lebenslüge, ist die dritte Arbeit für die 'Hörbühne' des jungen Schweizer Autors Michel Haymann.
Die Hauptrollen spielen Lukas Ammann, Sigfrit Steiner, Wolfgang Stendar und Gert Westphal." [Pgr 3/71, S.13]
 
"[...]
Das Stück berührt nur beiläufig die Streitfrage, ob einem Todkranken die Wahrheit offenbart oder verheimlicht werden soll. Das Problem liefert den Vorwurf, um den thematischen Kern dieses Hörspiels freizulegen: die Vieldeutigkeit der Sprache.
Wo die Grenzen der Medizin erreicht sind, bleibt ärztliche Hilfe auf Worte beschränkt, deren Leere dem Arzt nicht verborgen bleiben kann; denn schon sein Befund gibt ihm die Gewissheit, dass Wahrheit wie Lüge für den Patienten letztlich tödlich sind. Arzt und Patient sind gleichermassen der Krankheit wie der Sprache ausgeliefert; bewusst der eine, unwissend der andere.
Die Doppeldeutigkeit der Rede soll vor dem Hintergrund einer unabwendbaren Entwicklung, die mit Worten verschleiert wird, im Modell sichtbar werden: Der hoffnungslose Fall stellt dem Arzt die undankbare Aufgabe, nur Symptome zu bekämpfen; er unterdrückt die Schmerzen. Die Behandlung des Patienten richtet sich nach dem voraussehbaren Verlauf der Krankheit, schöpft die Möglichkeiten der Medizin in gewohnter Manier aus und folgt dabei einem von ähnlichen Situationen geprägten Muster. Dieses Muster kann beliebig oft wiederholt werden. Mit der Abschirmung des Menschen vor der Wahrheit, die seinen Tod bedeutet, verhält es sich gleich.
Die aufmunternden Worte des Arztes gerinnen zu Formeln, deren Gebrauch ihm ebenso geläufig ist wie der Umgang mit dem Skalpell. [...]
Der Mechanismus, der dem Zuhörer vorgeführt wird, soll das Auseinanderklaffen von Rede und Aussage illustrieren. Sprache, die blosses Instrument bleibt, ist gefährlich. Sie kann nicht nur dazu eingesetzt werden, um einem aufgegebenen Fall die trügerische Hoffnung auf Leben zu erhalten. Der Mechanismus bleibt der gleiche, wenn er in umgekehrter Richtung abläuft: Ein gleiches Wort kann Lüge oder Wahrheit sein.
Dies habe ich darzustellen versucht, ohne mich der Mittel der sprachlichen Demontage bedienen zu wollen, sondern anhand einer Geschichte, die alltäglich genug ist, dass jeder sie ohne grosse Mühe auf sich selber übertragen mag.
Der Patient stirbt im Stück mit einem Eingeständnis, dem ich einige Bedeutung beimesse: 'Ich habe mich gerne täuschen lassen.'
Freilich, ihm blieb kaum eine andere Wahl.
Hat man die Wahl, so lässt sich der Befund, den der Patient sich selber stellt, vermeiden. Man ist der Sprache nicht notwendigerweise ausgeliefert wie einer unheilbaren Krankheit." [r+f 47/71, Michel Haymann]
 
 
 
Maria Simmen
"O du fröhliche..." (52')
Musik: Dr.August Wirz [L+L]
Julian Dillier, Basel
17.12.71
71 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
 
 
Gerold Späth
Heisser Sonntag (62')
Typoskript bei SLA, Bern
Bearbeitung durch den Autor Musik: Klaus Sonnenburg Hörspiel-Erstling
Urs Helmensdorfer, Bern
30.12.71
71 (DRS-2, 1 Sdg.), 72 (DRS-2, 1 Sdg.), 76 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
r+f 52/71, S.68-76, Walter Kläy, Ziemlich lange Wurzeln. Gespräch mit Gerold Späth, Autor des Hörspiels "Heisser Sonntag"
 
Dialektfassung 1978
Buchausgabe: Unschlecht, Zürich (Arche) 1970; Heisser Sonntag. Zwölf Geschichten, Zürich (Arche) 1973 / FfM. (FiBü 5076) 1982
 
"Der Schweizer Autor, bekannt geworden durch den Roman 'Unschlecht', schreibt zu seinem ersten Radiowerk: 'In das Spiel werden der heisse und hitzige Sonntagnachmittag, der Abend und die halbe Nacht eines Städtchens am See an ein paar Fäden wie in einem Netz hereingeholt mit allem, was da scheinbar lose und doch ineinandergekettet drinhängt und zappelt, sich liebt, aufregt, wichtig oder zum Narren macht, trinkt, schwätzt, tanzt, stirbt, nicht zur Ruhe kommen kann...'" [Pgr 3/71, S.18]
 
"Mit Fritz Bachschmidt als Erzähler." [Pgr 2/76, S.14]
"1971, nach dem ersten grossen Erfolg mit seinem Roman 'Unschlecht', hat Gerold Späth seine Novelle 'Heisser Sonntag' zu einem Hörbild umgearbeitet.
Seither ist Späth regelmässig als Hörspiel-Autor in unserem Spielplan vertreten. Er hat sich eingehend mit den Möglichkeiten der Hör-Bühne befasst. Das ist sicher ein Grund dafür, dass seine Spiele auch den Weg zu ausländischen Radiostationen gefunden haben.
Im Jahre 1978 hat sich Späth noch einmal hinter seinen 'Heissen Sonntag' gemacht, um im Dialekt des oberen Zürichsees mit seinem akustischen Bilderbogen noch näher an seine erfundene Wahrheit heranzukommen. Dabei ist ein ganz neues Hörspiel entstanden, das: '...die Hüser am See...es Bilderbuechstettli im Hochsummer, am ene Sunntig...' besingt!?" [Pgr 2/83, S.9]
 
"Herr Späth, weshalb habe Sie dieses Kapitel aus dem 'Unschlecht' herausgenommen?
Mit diesem Kapitel wollte ich zuerst die Gegend der Romanhandlung geben, eine geographisch genau umrissene Situation. Es hat sich aber dann herausgestellt, dass dies nicht mehr notwendig war. Das war im ersten Kapitel schon stark genug gegeben und hätte deshalb eine unnötige Wiederholung bedeutet.
Wie kamen Sie auf die Idee, dieses 'Unschlecht'-Kapitel zu dramatisieren?
Ich habe das Kapitel im Januar 1971 nochmals durchgelesen und dabei festgestellt, dass es voller Stimmen ist. Es wird eine ziemlich intakte Idylle vorgestellt. In der Kleinstadt Rapperswil natürlich. Meine Vorstellung war, dass einer durch die Stadt geht. Das kann ein Heimkehrer sein, jedenfalls einer, der sich hier auskennt. Der kommt beispielsweise von Zürich her an einem Sonntag, geht wieder durch die Strassen des Städtchens, schnappt hier und dort etwas auf. Das Eigenartige ist, dass diese Stimmen, die er hört, die Idylle zusammenschlagen. Diese ganze Mittelalterlichkeit, aussen niedlich und geschleckt und schön, und da bewegen sich Leute und haben überhaupt keine Beziehung zur Sache, was sie reden, ist Beton gegenüber diesen Fachwerkhäusern. Eine vollkommen andere Welt. Am Schluss, wenn die Menschen sich schlafen gelegt haben, ist die Idylle wieder da... Das ist die Thematik des Hörspiels.
Hat das nicht eine frappante Ähnlichkeit mit dem Hörspiel 'Under Milk Wood' von Dylan Thomas?
Ich bin kein Abschreiber, aber das geb ich offen zu: Ich kenne den 'Milchwald' von Dylan Thomas, und die starke Ähnlichkeit ist mir sofort aufgefallen, wie ich die ersten paar Seiten gemacht habe. Aber ich glaube, wenn man so etwas macht, lässt sich's kaum vermeiden, dass man hin und wieder in die Nähe eines andern gerät." [r+f 52/71, Interview]
 
 
 
Walter Frei
Die Garden (33')
Stereo Parodie des Schallspiels vgl. Neues Hörspiel
Klaus W. Leonhard, Bern
31.12.71
71 (DRS-2, 1 Sdg.), 72 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
"Der Autor, Musiker und Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte, stellt in seinem Hörspiel die Frage nach Sinn und Unsinn der Avantgarde, indem er sich parodistisch der Mittel des Schallspiels bedient." [Pgr 3/71, S.18]


1970         1972