1973        1975

Beat Weber
Dr letscht Obe oder Mutmassungen über Lehrer Schmied (30')
Dialekt Berndeutsch Kurzhörspiel Monologhörspiel Musik: Hans Blaser Hörspiel-Erstling [L+L]
Rudolf Stalder, Bern
18.1.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
tvrz 2/74, S.64/65, Beat Weber / Domi Brun, Zwei junge Autoren. "Dr letscht Obe" von Beat Weber. "D Abtrybig" von Domi Brun
 
"Ein Mann verbringt seinen letzten Abend in dem Dorf, wo er vier Jahre gelebt hat. Der Mann ist 29, Lehrer, sein Name Paul Schmied. An diesem Abend ist Schmied allein. Er will allein sein. Er muss über das Vergangene nachdenken. Was hat er in diesem Dorf getan? Hat er sich selbst, seine Ideen verwirklichen können? Schmied weiss es nicht, nicht an diesem Abend; Schmied fühlt sich leergepumpt, er muss sich Mühe geben, nicht verbittert zu sein. In den Gedanken-Monolog des Mannes werden Stimmen eingeblendet: Mutmassungen über Lehrer Schmied. Was denken die Leute des Dorfes über Schmied, was die Behörde, die Schüler, was Schmieds Freunde und Angehörige? Die Meinungen sind verschieden, aber ein echtes Gespräch kommt nicht zustande, jeder spricht für sich, so wie Schmied für sich denkt.
Das Spiel, obwohl kurz und berndeutsch geschrieben, stellt einige Anforderungen an die Hörer, nicht zuletzt durch die verwendete Technik. Ich hoffe, diese Gemeinschaftsarbeit von Regisseur (Rudolf Stalder), Techniker (Werner Feldmann) und Autor lasse das Freitagabend-Publikum nicht unbeteiligt." [tvrz 2/74, Beat Weber]
 
 
 
Domi Brun
D Abtrybig (25')
Dialekt Kurzhörspiel Bearbeitung: Rudolf Stalder / Hans Gaugler Hörspiel-Erstling [L+L]
Hans Gaugler, Bern
18.1.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
tvrz 2/74, S.64/65, Beat Weber / Domi Brun, Zwei junge Autoren. "Dr letscht Obe" von Beat Weber. "D Abtrybig" von Domi Brun
 
"Ein junges Mädchen sitzt am Ufer der Aare, spricht mit ihr (oder ist es Selbstgespräch mit einem andern Ich?), erhofft sich Liebe und Rat. Die Umwelt weiss nichts von Mitleid, sie zählt den Erfolg und die Rätschweiber die Sensationen. (Die ewige Nachbarin: 'I dere mag ich's gönne!') - Die Aare - durch jahrhundertelange Konfrontation mit dem Menschen pessimistisch geworden -, weiss um die ungenügende Einrichtung des menschlichen Lebens. Sie hält das Mädchen (fast noch ein Kind), das Lebensentscheidungen treffen sollte, auf der realen Welt fest.- Leben bleibt Seiltanz, auf sich allein gestellt, Kampf gegen den Abgrund.-Am Schluss träumt das Mädchen, wie es auf einem Brückengeländer nachtwandelt. Es hört die lieben Mitmenschen, die jede Verantwortung ablehnen und an dieser 'Fremden' nicht schuldig sind. Was könnten da flankierende, soziale Massnahmen retten?- Die Aare könnte eine Lösung bringen, könnte... Sie sollte in den Gletschern Wasser holen und alles 'Wiibergrätsch' und alle Unmenschlichkeit fortschwemmen, dann gäbe es eine Lösung, dann..." [tvrz 2/74, Domi Brun]
 
 
 
Rudolf Mettler
De Chileturm (57')
Dialekt Auftrag Hörspiel-Erstling [D&F]
Inigo Gallo, Zürich
26.1.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.), 76 (DRS-1, 1 Sdg.)

tvrz 3/74, S.72-74, C.W., Intime Kunst. Rudolf Mettler - Puppenprinzipal und Schriftsteller. Zur Ausstrahlung seines ersten Hörspiels "De Chileturm"
 
"Ort der Handlung: Eine kleine Gemeinde, irgendwo in der Schweiz.
Zeit: Gegenwart.
Tatsache: Der Kirchturm ist baufällig.
Frage: Was löst eine solche (scheinbare) Äusserlichkeit alles aus?
Der Autor, geboren 1946, besuchte nach seiner Gymnasialzeit in Winterthur die Theaterschule Jaques Lecoq in Paris. Seit 1968 lebt er als freier Schriftsteller und Puppenspieler in Winterberg/Zürich. Er veröffentlichte bisher Gedichte und Kurzgeschichten. 'De Chileturm', sein erstes Hörspiel, ist im Auftrag der Abteilung Dramatik von Radio DRS entstanden.
In den Hauptrollen: Elisabeth Müller, Kathrin Schmid, Peter Arens, Heinrich Gretler und René Scheibli." [Pgr 1/74, S.6]
 
"Mettlers Hörspiel, das sich durch eine adäquate radiophonische Umsetzung seines überragenden Sujets auszeichnet, lässt an einen Ausspruch eines ebensolchen Meisters denken: 'Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat..'" [tvrz 3/74, C.W.]
 
 
 
Paul Pörtner / Georges Gruntz (Co-Autor)
Zwei mal zwei mal zwei oder Ludi Basilienses (51')
O-Ton-Hörspiel (Collage) Montagsstudio [D&F]
Paul Pörtner, Basel
4.2.74
74 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 5/74, S.68/69, Annette Wyler / Nicolas Ryhiner, Freude am Spiel um Basel: "Zwei mal Zwei mal Zwei oder Ludi Basilienses". Eine Originalton-Collage von Paul Pörtner und George Gruntz (Co-Autor)
 
"Die Konzeption dieses Improvisations-Hörspiels geht von der Begegnung zweier Hörspielmacher aus, vom Basler Musiker Georges Gruntz und dem in Zumikon bei Zürich lebenden Schriftsteller Paul Pörtner (seit einem Jahr Schweizer). Die beiden realisierten zusammen mit zwei Radiotechnikern und zwei Basler Schauspielern eine Originalton-Collage, die die Zweiheit in diversen Strukturen thematisiert. Auch das Zwiegesicht der Stadt Basel ist dabei mit einbezogen." [Pgr 1/74, S.7]
 
"Ich wunderte mich, dass mir vor den Aufnahmen kein Textbuch zugeschickt wurde. Noch am Montagmorgen stand ich ohne Text da. Paul Pörtner erklärte mir dann, dass es meine Aufgabe sei, mit einem mir noch unbekannten Partner verschiedene Improvisationsübungen zu machen. Aus diesen Übungen würden dann einige Textpassagen oder nur einzelne Sätze herausgeschnitten und montiert. Wenn ich auch ein wenig unsicher wurde, weil ich dies nicht erwartet hatte, interessierte mich ein solches Experiment. Die Übungen waren oft so angelegt, dass man ganz persönliche Urteile über den anderen abgeben musste. Anfangs war es nicht ganz einfach, eine Stellungnahme zu geben. Andere Übungen bestanden darin, dass wir versuchten, kurz umrissene Rollen zu spielen. Es fiel mir später auf, dass man manchmal vielleicht allzu schnell zu einem Klischee greift, das die Intention verflachen, ja sogar verfälschen kann. Man spürt aber auch beim Abhören deutlich, dass hier nicht vorgeschriebener Text abgelesen wird, der Tonfall ist anders, man bemerkt Wiederholungen, Unsicherheiten im Finden eines Satzes, eines Wortes. Und doch scheint mir ein derartiges Experiment interessant, da es mit der sogenannten 'gesprochenen' Sprache arbeitet, die ja bekanntlich eine andere Struktur aufweist als die 'geschriebene'. Zudem bedeutet eine solche Art von Hörspiel für den Schauspieler eine kreativere Arbeit, als es sonst oft der Fall ist." [tvrz 5/74, Annette Wyler]
 
"Meine Spielpartnerin wurde mir nicht vorgestellt. Unsere erste Begegnung und Fühlungnahme sollte gleich mitgeschnitten werden. Auf diese Weise seien wir unvoreingenommen und müssten die Situation nicht 'spielen', meinte Herr Pörtner. Interpersonelle Wahrnehmung ergebe sich meist von selbst mit Hilfe von 'Symbolen und Assoziationen aus der Psychodrama-Technik'. - Wie bitte? Ich war platt.
Mit solchen und ähnlichen Erklärungen liess er mich allein im Studio zurück und verzog sich in den Regieraum. Er liess das Band laufen. Meine Partnerin sollte jeden Moment ins Studio kommen, und ich hätte die Aufgabe, sie möglichst unbemerkt vor das Mikrophon zu locken; sie wusste von nichts und war so tatsächlich unvoreingenommen.
Mir dagegen wollten Pörtners Erläuterungen nicht mehr aus dem Kopf: 'Gelöst und unvoreingenommen.' - 'Methoden der Psychodrama-Technik.' Soll ich sie nun möglichst krampfhaft in ein Gespräch zu ziehen versuchen oder ganz einfach interpersonell-assoziativ wahrnehmen? Das wird ja sowieso keinen Knochen kümmern, dachte ich, wen kann es schon interessieren, wie wir uns kennenlernen, und ob wir uns auf diese oder jene Weise begrüssen. Ich hatte ein ungutes Gefühl für dieses Hörspiel.
Soviel zu meinem ersten Eindruck. Es brauchte seine Zeit, bis wir an den Improvisations-Übungen Spass hatten und das Mikrophon vergessen konnten. Bis zum Schluss hatte sich derart viel Material angesammelt, dass wir den Überblick nicht mehr hatten. Allein von diesen Studioaufnahmen hätte man mehrere Hörspiele zusammenschneiden können; hinzu kamen die unzähligen Interviews und Diskussionen aus der Stadt, und nicht zuletzt die Musik der P.S.-Corporation.
Aus alldem eine 'Momentaufnahme' einer Stadt wie Basel zusammenzustellen, das Zwiegesicht, die Dualität Basels zu thematisieren, waren nun Paul Pörtners und George Gruntz' Arbeit und Grundidee. In nur drei Tagen hatte sie aus vielen Band-Stunden diese 50-Minuten-Collage fertiggestellt. Von Anfang an hatte ich mir eigentlich ein etwas anderes Bild von diesem Hörspiel gemacht, besonders auch von der Montage, aber ich hatte meine Freude am Spiel um Basel." [tvrz 5/74, Nicolas Ryhiner]
 
 
 
Hans Karl Müller
Dr.med.R.Clavadetscher, prakt.Arzt (84')
Dialekt 3 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
16.2.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.), 75 (DRS-1, 1 Sdg.), 81 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
tvrz 6/74, S.64/65, --, Denkmal für den Hausarzt - oder Abgesang? "Dr.med.R.Clavadetscher, prakt.Arzt". Hörspiel von Hans Karl Müller [Interview]
 
"Es mutet sonderbar an, wenn bei den phantastischen Erfolgen der modernen Medizin weltweit von einer Krise der Heilkunst gesprochen wird. Namhafte Persönlichkeiten warnen vor der Auflösung des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Es wird viel zu wenig darauf hingewiesen, dass sich der Hauptkampf um die ärztliche Idee beim Praktiker abspielt. Hier wird sich auch entscheiden, ob das Kostbarste des ärztlichen Auftrages für uns und unsere Nachkommen gerettet werden kann. Das Problem ist akut und ernst, es geht nicht nur um die ärztliche Versorgung allgemein, es geht um unseren Hausarzt. Im Hörspiel wird das entscheidende Ringen an vorderster Front in einer einfachen dramatischen Handlung aufgezeigt. Hans Karl Müller war bis vor wenigen Jahren leitender Arzt der internen Abteilung eines kantonalen Krankenhauses. Heute führt er eine internistische Praxis und ist zugleich internistischer Konsiliarius an einer kantonalen psychiatrischen Klinik. 'Dr.Clavadetscher' ist das dritte Hörspiel, das Hans Karl Müller für uns geschrieben hat.
In den Hauptrollen: Paul Bühlmann, Margrit Rainer, Bella Neri und Walter A.Müller" [Pgr 1/74, S.9]
 
"Diese Aufnahme hatte bei ihrer Erstsendung ein so grosses Echo, dass sich eine Wiederholung aufdrängt." [Pgr 3/75, S.18]
 
 
 
Guido Bachmann
Papagei Jossy (45')
Groteske Auftrag Hörspiel-Erstling [D&F]
Mario Hindermann, Zürich
17.2.74
74 (DRS-2, 2 Sdg.)
 
tvrz 7/74, S.70/71, Rudolf Blum, "Im Grund hat jeder Jass- oder Kegelklub einen homoerotischen Zusammenhang". Gespräch mit dem Autor Guido Bachmann anlässlich der Ausstrahlung seines ersten Hörspiels "Papagei Jossy"
 
"Erzählt wird die Geschichte des Duckmäusers Cölestin Meyer, der, wie so viele andere, von seiner Frau und seinen Vorgesetzten drangsaliert wird und daher seine ganze (krankhafte) Liebe an einen Papagei namens Jossy verschwendet. Doch Neid und Missgunst der Kollegen gehen bis zur letzten Konsequenz, die nur noch in der Groteske darstellbar ist: Meyer verliert nicht nur seine Stelle, sondern auch seinen Papagei. Was bleibt ihm anderes übrig, als sich in einen sanften Wahnsinn zu flüchten?
[...]
In den Hauptrollen: Hanna Burgwitz, Walo Lüönd, Wolfgang Stendar und Edgar Wiesemann." [Pgr 1/74, S.9]
 
"'Das Medium Radio', meint Bachmann, 'interessiert mich ausserordentlich.' Wenn er in Zukunft Hörspiele schreibt, möchte er 'auch ins Experimentelle vorstossen', nach der Art der letzthin ausgestrahlten Original-Ton-Collage 'Zwei mal Zwei mal Zwei' (von Paul Pörtner und George Gruntz), an der Bachmann mitgewirkt hat." [tvrz 7/74, Rudolf Blum]
 
 
 
Otto Steiger
D Lösig vo allne Problem (37')
Dialekt Bearbeitung: R.Stalder [L+L]
Rudolf Stalder, Bern
1.3.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.), 80 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
"Auf der einen Seite stehen die zunehmend kleiner werdenden Rohstoff- und Landreservern, auf der andern droht die Bevölkerungsexplosion. Menschen in Spielzeuggrösse würden entschieden weniger Platz beanspruchen, und sie wären bescheidenere Verbraucher - 'die Lösung aller Probleme'? Leider - oder gottlob? - hat der Biologe in Otto Steigers Hörspiel die Rechnung ohne den Wirt gemacht." [Pgr 2/80, S.4]
 
 
Otto Steiger
I bi froh, isch dr Thomas schuld (35')
Typoskript bei SLA, Bern
Dialekt Auftrag
Robert Bichler, Zürich
30.3.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
"Wenn ein junger Mensch auch nur zeitweilig ausbrechen will aus dieser Welt der beklemmenden Ordnungen, aus dem Käfig jener Grundsätze, die ihn auf Leistung und Erfolg verpflichten, dann hat er alles, nicht nur die Angehörigen, gegen sich. Zwei Seminaristinnen versuchen diesen Ausbruch. Der Autor hat neben etlichen Hör- und Fernsehspielen verschiedene Romane und Erzählungen geschrieben. Einige dieser Erzählungen sind soeben unter den Titel 'Geschichten vom Tag' erschienen.
Das vorliegende Hörspiel ist als Auftragsarbeit der Abteilung Dramatik von Radio DRS entstand.
In den Hauptrollen: Alice Brüngger, Inigo Gallo und René Scheibli." [Pgr 1/74, S.15]



Silja Walter
Ich bin nicht mehr tot (62')
Osterspiel Mysterien-Hörspiel Trilogie, 2.Teil Auftrag 2 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
13.4.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.; DRS-2, 1 Sdg.), 77 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 14/74, S.69, Susanne Kramer, Immer und überall Auferweckte. "Ich bin nicht mehr tot". Hörspiel von Silja Walter
NZZ, --, "Ich bin nicht mehr tot" von Silja Walter.
 
uraufgeführt als Hörspiel
 
"Ein Versuch, herauszufinden, was die zwei von Matthäus und Lukas erwähnten Fälle von Totenerweckung für eine Nachgeschichte gehabt haben könnten: der Fall von Naim und jener der Tochter des Synagogenvorstehers Jairus. Auferwecktsein ist neue Existenzweise. Auferweckte Augen und auferweckte Ohren sehen und hören anders. Durch Mauern hindurch. Es gibt keine räumlichen Entfernungen mehr für sie. Auch die Zeit ist weggewischt. Diese Erfahrungen machen die beiden Auferweckten, der Jüngling Tobi und das Mädchen Jaira, und immer begleitet sie das Geräusch von fliessendem Wasser, das singt und strömt, ohne dass sie herausbringen, woher es kommt. Es spielen herein: der Auferweckte aus dem Elischagrab und Lazarus von Bethanien. Es endet mit dem Auferstehungsschrei am Kreuz.
Das zweite Hörspiel von Silja Walter ist als Auftrag der Abteilung Dramatik, Radio DRS, entstanden." [Pgr 1/74, S.17]
 
"Weihnachten, Ostern,Pfingsten: kalendermässig in dieser Folge kehren die christlichen Feste wieder. Ostern ist nicht nur in der Mitte zwischen Weihnachten und Pfingsten als Termin, Ostern ist die Mitte, das Zentrum des christlichen Glaubens überhaupt. Von Christi Tod und Auferstehung her bekommt Weihnachten, die Geburt, ihren Sinn, und die Geistaussendung, Pfingsten, ist ohne Auferstehung undenkbar. Darum liegt es nahe, in diesem Osterprogramm die Trilogie der Mysterienspiele von Silja Walter zu bringen. Die drei Mysterien-Hörspiele entstanden im Auftrag der Abteilung Dramatik, zwischen 1972 und 1976." [Pgr 1/77, S.17]
 
"Freilich ist dieses Leben der Auferweckten eine ganz besondere Art von Leben: Auferweckte sind zwar Menschen, die sich von den andern äusserlich nicht unterscheiden. Aber alles, was für andere unabdingbare Befindlichkeiten und endgültige Grenzen sind, hat für sie keine letzte, keine eigentliche Gültigkeit mehr. 'Trübsal und Angst, oder Verfolgung, Hunger, Kälte, Gefahr oder Schwert' (Röm.8) - all dies ficht sie nicht mehr letztlich an. Auch wenn Tobit und Jaira von den Pharisäern gefangen gesetzt, verhört, verurteilt und schliesslich gesteinigt werden - wenn sie also um Jesu willen 'getötet werden wie Schlachtschafe' (Röm.8), so sind sie doch in jedem Augenblick und an allen Orten frei von allem, was irdische Existenz bindet: frei von Gegenwärtigem und Zukünftigem - frei also von Zeit und Raum, über die sie verfügen nach eigenem Willen und Ermessen.
Sie erleben dies wirklich, hören - erst erstaunt, dann bestürzt und beglückt -, wie das Rauschen des lebenspendenden Wassers, von dem im Johannes-Evangelium Kap.4 und 7 die Rede ist) an- und abschwellend sie durchrieselt und ihre Freiheit wahrnehmen lässt. Zu allen Zeiten bricht es auf, das Singen dieses Wassers, das nur Auferweckte hören: wenn Jaira unbeobachtet während Tobits Verhör mit den Schriftrollen im Gerichtssaal spielt und dabei die Zeit in Bewegung setzt, sie zurückspult in graue Vorzeit und vorschnellen lässt in unsere Gegenwart, immer wieder hört sie das Singen dieses Wassers, das lebendig macht: den toten Mahalon im Prophetengrab (2.Könige 13,20,21), den Lazarus in Bethanien, den Menschen heute.
Dadurch wird dargestellt, dass es zu allen Zeiten und an allen Orten Auferweckte gibt wie Tobit und Jaira damals. Dass je und je und also auch heute Menschen durch den Glauben an Gott frei werden von dem Gesetz der Sünde und des Todes, frei für das Leben im Geiste, frei durch das lebendige Wasser, das - und damit endet das Spiel bei der eigentlichen Quelle allen Lebens - aus der Seite des Auferweckten selber fliesst bei seinem Opfertod am Kreuz.
Das Spiel 'Ich bin nicht mehr tot' ist keine historische Hörfolge wie es gewesen sein könnte -. Es ist ein Gleichnis für das Leben in Christus, für die Freiheit des Christenmenschen - wie es ist, wie es sein kann, heute und morgen." [tvrz 14/74, Susanne Kramer]
 
 
 
Henrik Rhyn
's Schpiegu-Ei. E Satire (37')
Dialekt Montagsstudio (Hörspiel-Werkstatt) 2 [D&F]
Martin Bopp, Basel
13.5.74
74 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 19/74, S.70/71, Henrik Rhyn, Aha oder Na ja? Henrik Rhyn: "S'Schpiegu-Ei"
 
"Nach em vorlöifig letschte, aber leider totale Chrieg, isch dr Planet Ärde räschtlos versandet. Numme es Pfandleihhus schteiht no ganz ellei uf dr Wäut. Zwe Type läbe dört, zämme mit emene Leghuehn. S'Huehn heisst Schpiegu-Ei. Die zwe Type si dr Mumpf und d'Glogge. Schpöter chunnt de no e Dritte drzue, au e Mönsch." [Pgr 2/74, S.4]
 
 
 
Maria Simmen
Im Läbe z'lieb (42')
Dialekt Luzerner Mundart [L+L]
Julian Dillier, Basel
31.5.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.), 78 (DRS-1, 1 Sdg.), 80 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
"Der ehefeindliche Junggeselle Bruno Andrian begegnet der intelligenten und charmanten Ehevermittlerin Frau Ulli Giskar. Als Journalist interessiert er sich für ihren Beruf, kann aber ihr Bemühen, Menschen zur dauernden Gefährtenschaft in der Ehe zu verhelfen, nicht billigen. Eine zwischen den beiden entstehende Neigung vermag sich nicht zu entfalten; die grundsätzlich verschiedene Auffassung von Liebe führt zur Trennung. Ein Happy-End wird insoweit herbeigeführt, als das Paar erkennt und erfühlt, dass Liebe und Ehe zur mutigen und aktiven Beteiligung am Leben gehören. Es ist sich aber wohl im klaren, wie schwer es sein muss, der Liebe in der Ehe Dauer und Bewährung zu geben." [Pgr 3/80, S.4]
 
 
 
Rudolf Jakob Humm
Der Verdacht (82')
3 [D&F]
Walter Baumgartner, Zürich
1.6.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.), 76 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
"'Wir werden uns nun diesen Fall vornehmen, dessen Vordergrund Totschlag aus Jähzorn ist. Beim heutigen Verhör werden wir uns nur mit dem Vordergrund befassen. Aber ich schöpfe Verdacht, Herr Mutsch', erklärt der Untersuchungsrichter seinem Assistenten.
Schon in seinem dritten Roman 'Der Kreter' ging es dem Zürcher Schriftsteller um den untergründigen Kampf der Griechen gegen das herrschende Regime. So entdeckt der in R.J.Humms neuem Hörspiel nach dem Hintergrund des Falles suchende Jurist nicht nur eine ästhetische Liebesgeschichte, sondern auch eine Spionage-Affäre mit Verbindungen nach Griechenland.
In den Hauptrollen: Blanche Aubry, Annemarie Dermon, Urs Bihler, Hans-Gerd Kübel und Walo Lüönd." [Pgr 2/74, S.7]
 
 
Herbert Meier
Die langen Jahre der Anna Erismann (75')
[D&F]
Joseph Scheidegger, Basel
2.6.74
74 (DRS-2, 2 Sdg.), 76 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 22/74, S.69, Herbert Meier, Bevormundet. "Die langen Jahre der Anna Erismann". Hörspiel von Herbert Meier
 
zum "Schweizer Hochdeutsch" dieses Hörspiels vgl. Hansjörg Schneiders "Schlummermueter"
 
"Eine einfache Frau wird aus zweifelhaften Gründen heraus entmündigt. Besessen kämpft sie um Rehabilitierung. Die Besessenheit wird als Rechtfertigung für die Bevormundung gewertet. Der Teufelskreis, dem die Frau ein Leben lang zu entrinnen sucht, ist geschlossen. Die tödliche Sachlichkeit der Bürokratie und Gerichte wird erst durchbrochen, als sich ein Anwalt findet, der auf Argumente und den Menschen eingehen kann.
Herbert Meier siedelt seine Handlung im ländlichen Grenzbereich irgendeiner Schweizerstadt an. Seine Figuren lässt er eine Sprache reden, die bewusst aus dem Milieu und dem Dialekt herausdestilliert ist. Dem Schweizer Schriftsteller gelingt dabei eine Sprach-Stilisierung, die organisch den helvetischen Alltagshintergrund mit der Schriftsprache in Einklang bringt.
Neben Margrit Winter in der Titelrolle wirken rund zwanzig weitere Schweizer Schauspieler mit." [Pgr 2/74, S.7]
 
"Die Geschichte der Anna Erismann ist den Vorkommnissen und den Leuten nach eine schweizerische Geschichte. Ich benutze darin Dinge, die man in der Schweizer Realität finden kann. Zum Beispiel habe ich gehört und später auch gelesen, es sei für einmal Entmündigte nicht immer leicht, wieder mündig zu werden. Ich stelle mir eine Frau vor, die sich zu Unrecht bevormundet glaubt und jahrelang den Kampf mit den Ämtern und Beamten führt, bis sie endlich, als sie schon im Sterben liegt, aus der Bevormundung befreit wird. Aber sie wird dieser Freiheit nicht mehr froh. Und was ist denn das für eine Freiheit? Ein Recht auf das Eigentum. Wo einer dieses Recht einbüsst, wird er amtlich verwaltet, er selbst und sein Besitz. Anna Erismann wird im Lauf der Jahre steinreich, ohne dass sie davon einen Nutzen hat. Behörden und Vormünder handeln mit ihrem Besitz; in wessen Interesse? Das Erismannsche Geld arbeitet autonom. Sie kämpft um eine unbevormundete Existenz, um Recht und Freiheit. Sie rennt von Anwalt zu Anwalt und lässt einen nach dem andern fallen. Keiner genügt ihrer Obsession. Ihrem letzten Anwalt sagt sie: 'Manchmal denke ich, die rechte Freiheit wäre, ich hätte nichts; kein Land, kein Haus, leere Hände. Was ich besitze, macht mich zu einer Gefangenen. Es ist wie ein Käfig. Da haben sie mich jetzt eingesperrt.' Die Behörden sehen in der Vormundschaft für Anna Erismann eine Schutzmassnahme. Man will sie vor üblen Einflüssen und Elementen schützen. Ich habe mich gefragt, wer kann das sein, dem man auf diese Weise zusetzt? Wer ist Anna Erismann, dass ihr eine Bevormundung widerfährt? Und wer sind die andern, die Beamten, Anwälte und Mitmenschen, die ihren Fall mitverursachen? Was für eine Ordnung ermöglicht solches?
Das Hörspiel ist meine Antwort auf solche Fragen. Eine Antwort, die notgedrungen neue Fragen stellt, diesmal dem Hörer.
Ich habe das Stück in einem Schweizer Hochdeutsch geschrieben. Das heisst, in einer Sprache, die, vom Klang und von den Bildern her, nahe der Mundart ist, die ich aus der halbbäurischen und halbindustriellen Dorfwelt meines Grossvaters kenne. Die 'Langen Jahre' beginnen nach 1930 und enden nach 1960." [tvrz 22/74, Herbert Meier]
 
 
 
Thomas Hostettler
Mitarbeiter im Ussedienscht (65')
Dialekt Auftrag 2 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
22.6.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
tvrz 24/74, S.67, Thomas Hostettler, Nicht ohne Wut. Thomas Hostettler: "Mitarbeiter im Aussendienst"
 
"Joe Suter ist ein Mann gegen dreissig, der eventuell 1968 noch mit Pflastersteinen geworfen hat, auf alle Fälle hat er zugeschaut. Damals wollte er die Gesellschaft verändern. Jetzt sind sechs Jahre vergangen und Joe Suter hat sich verändert. Die Gesellschaft übrigens auch.
Das Hörspiel führt uns in ein Zunfthaus, wo Joe Suter zusammen mit seiner Frau feiert. Vor etwa zwei Jahrzehnten hat er in seinem neuen Job begonnen, heute verdient er 'fünf Mille' im Monat. Es geht ihm also blendend. Heute abend allerdings lässt er sich vollaufen. Er macht ein bisschen Radau, lädt das ganze Lokal ein, beleidigt den Pianisten... sonst aber geht es ihm, wie schon erwähnt, blendend.
Das zweite Hörspiel von Thomas Hostettler ist als Auftrag der Abteilung Dramatik von Radio DRS entstanden." Pgr 2/74, S.10]
 
 
 
Hans Jäger
Dura lex, sed lex (33')
Montagsstudio (Hörspiel-Werkstatt) Kriminalhörspiel Hörspiel-Erstling [D&F]
Stephan Heilmann, Basel
1.7.74
74 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 26/74, S.63, Walter Baumgartner, Die innere Unruhe. Hans Jäger: "Dura lex, sed lex"
Vorwärts, 74 (?), be, Schlechter Titel- gutes Hörspiel. Hans Jäger: "Dura lex, sed lex"
 
vgl. mit Schaller, Jäger, Weber, di Lemma, Reinhard!
 
Ein Krimi mit einfach gebauter Geschichte in einer völlig ungekünstelten Sprache. Die Wirkung des Textes entsteht aus der engen Vermischung von Konstruiertem und scharf empfundenem eigenen Erleben.
Hans Jäger wurde in der Haft Schriftsteller. Schreiben ist für ihn der Versuch, sich durch geistige Bewältigung seiner Probleme aus dem 'Teufelskreis' der Kriminalität zu befreien." [Pgr 2/74, S.11]
 
"Unter dem Titel 'Das Tagebuch des H.J.' gelangte am 22.März dieses Jahres Hans Jägers 'Lebensgeschichte in Stichworten' zur Sendung. 'Dura lex, sed lex' ist sein erstes Hörspiel. War sein Tagebuch eine mit provozierenden Fragen durchsetzte Aneinanderreihung verschiedener Stationen auf dem Weg des sich hinter den Anfangsbuchstaben verbergenden Schreibers - Mutter, Vater, Pflegefamilie, Erziehungsheim, Freundin, Psychiater, Mitsträfling, Anstaltsdirektor -, so verquicken sich in seiner ersten dramatischen Arbeit erlebte Wirklichkeit und wunschtraumartige Fiktion zu einer eigentümlich berührenden, vielleicht sogar zum Nachdenken anregenden Mischung aus Cliché-Bruchstücken - Krimis, Polizei- und Gangsterfilme, Kommissar- und Tatortserien - und zum Teil ungeschliffenen, zum Teil auch gut formulierten Textstellen. [...]
Immer in Gefahr, in die Niederungen der Kolportage abzurutschen, macht es sich der Autor dennoch aus einer inneren Unruhe heraus nicht leicht. [...]" [tvrz 26/74, Walter Baumgartner]
 
[...] "Und schliesslich hatte ich eine ausführliche Korrespondenz mit dem jungen Hans Jäger, einem Heim- und Anstaltszögling, über dessen Erfahrungen ich das Fernsehspiel 'In Sachen Fischer' geschrieben habe. Radio DRS brachte ein Hörspiel von ihm." [...] [tvrz 40/74, S.78, Walter Matthias Diggelmann]
 
 
 
Trudi Maurer-Arn
E Frou vor Gricht (30')
Dialekt Berndeutsch Bearbeitung: H.Gaugler [L+L]
Hans Gaugler, Bern
26.7.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
 
 
Fritz H. Dinkelmann
Jemand und Niemand (58')
Montagsstudio (Hörspiel-Werkstatt) Hörspiel-Erstling [D&F]
Martin Bopp, Basel
7.10.74
74 (DRS-2, 1 Sdg.)
 
tvrz 40/74, S.72, --, Im Exil. "Jemand und Niemand" von Fritz H.Dinkelmann
NZZ, 12.10.74, mw., Von einem der im "Exil" lebt. Schauspiel von Fritz H. Dinkelmann: "Jemand und Niemand"
 
"Die meisten Menschen kennen sich vom Hörensagen, haben sich ein paar mal gesehen, höchstens. Für alle näheren Kontakte bedient man sich vorzugsweise einer speziellen Formel des Zusammenlebens: der Konvention. Mit ihrer Hilfe schafft man die Distanz, die den andern ins Abseits bringt und sich selbst in Sicherheit. Im Hörspiel 'Jemand und Niemand' versucht einer - Grasser - in seiner letzten Anstrengung mit seiner Umwelt persönliche Beziehungen aufzunehmen." [Pgr 3/74, S.7]
 
"Störrisch, aggressiv, ausserhalb der gesellschaftlichen Konventionen stehend - der junge Mann Grasser ist einer, der 'gestört wurde'. Von sich sagt er: 'Ich bin nichts' und 'Ich bin in der Welt aufgegangen'. Und der Psychiater: 'Das provokative Verhalten Grassers bezweckte zweierlei: Erstens wollte er damit die Menschen auf sich aufmerksam machen, und zweitens suchte er auf diese Weise die Konfrontation mit der Wirklichkeit. Die Umwelt, das Geplauder seiner Mitmenschen - all dies erschien ihm als Gehäuse, aber nicht als sein Zuhause. Grasser lebt im Exil.'
Grasser - ein Fall im klinischen Sinne? Ein gesellschaftlicher Fall? 'Jemand und Niemand', Erstlings-Hörspiel des 24jährigen, in Derendingen lebenden Autors Fritz H.Dinkelmann, ist ein vieldeutiges, schwieriges Stück. Dinkelmann, ursprünglich Buchhändler, dann Schauspieler, wurde 1973 für Prosa und Lyrik mit einem Förderungspreis des Kantons Solothurn ausgezeichnet." [tvrz 40/74]
 
 
 
Walter Matthias Diggelmann
De Rädelsfüerer. Mundarthörspiel in drei Teilen: 1. De Uusbruch 2. De Ybruch 3. D'Umcheer (30' / 36' / 34')
Dialekt [L+L]
Hans Gaugler, Bern
11.10.74 / 18.10.74 / 25.10.74
74 (DRS-1, 3 x 2 Sdg.), 79 (DRS-1, 3 x 1 Sdg.)
 
tvrz 40/74, S.78, -- Aus verfahrenen Situationen etwas Positives machen. Walter Matthias Diggelmann: "De Rädelsfüerer" [Interview]
NZZ, 28.10.74, mw., "De Rädelsführer". Dreiteiliges Mundartspiel.- Von der Schwierigkeit unserer Dialektdramatik. DRS 1, 11./18./25.10.74
[Kosten total Fr.17'000.--]
 
1. De Uusbruch
"Die Thematik der dreiteiligen Dialekthörspielreihe 'De Rädelsfüerer' ist nicht frei erfunden, sondern basiert teils auf wirklichen Ereignissen, teils auf Beobachtungen, die der Autor während seiner Zeit als Berichterstatter aus dem Gerichtssaal anstellen konnte.
Am Beispiel des 'Rädelsfüerer' wird nicht nur auf das Generationenproblem als solches hingewiesen, vielmehr wird auch gezeigt, dass dieser Streit für beide Teile, in diesem Fall für Vater Schneider und Sohn Peter, schwerwiegende Konsequenzen haben kann.
In der 1.Folge dieser Hörspielreihe sind schlechte Zeugnisnoten der Grund zu einem heftigen Streit, als dessen Folge Vater Schneider seinen Sohn Peter 'zum Tüüfel' jagt. Peter geht, doch eines nachts kommt er wieder zurück...
In den Hauptrollen: Walo Lüönd und Jean-Jaques Oehme." [Pgr 3/79, S.5]
 
2. De Ybruch
"Nicht unbedingt um sich selbst zu rächen, sondern vielmehr um die Öffentlichkeit auf die wahre Situation sogenannt 'gutfunktionierender Familien' hinzuweisen, um den Generationenkonflikt als solchen schlechthin wieder einmal laut kund zu tun, unternimmt Peter zusammen mit einigen Gleichgesinnten kriminelle Aktionen. Sein Plan, dadurch ins Gespräch zu kommen, wird Wirklichkeit. Er stellt sich der Presse und damit der Öffentlichkeit, um seine Tat zu begründen, um auf die Missstände in seiner eigenen und andern 'gutgehenden' Familien hinzuweisen. Dabei nimmt er in Kauf, verhaftet und in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen zu werden, was auch gleich geschieht." [Pgr 3/79, S.6]
 
3. D'Umcheer
"Peter, nun in einer Erziehungsanstalt, bleibt sich selbst treu: er übt weiterhin Kritik an der älteren Generation, an der Praxis der sogenannten 'Resozialisierung' im Speziellen, am heutigen gesellschaftlichen Profitsystem im Allgemeinen. Dass Peter sich dabei nicht nur auf verbale Kritik beschränkt, hat für ihn oft unangenehme Folgen, die er aber kühl berechnend auf sich nimmt. Doch - wenn auch über zusätzliche Straftaten - mit der Zeit erreicht Peter, dass nicht alle Jungens, die sich nicht regelkonform verhalten, gleich als Kriminelle behandelt werden, und dass sich überhaupt einiges zum besseren wendet in den Erziehungsanstalten." [Pgr 3/79, S.7]
 
"Ich habe versucht, die Entwicklung eines jungen Menschen vom wohlbehüteten Bürgersohn zum Jugendkriminellen, zum Rebellen darzustellen. Der dritte Teil, 'D'Umcheer', soll insofern eine produktive, also positive Wirkung auf Jugendliche wie auch auf Eltern haben, als ich versuchte darzustellen, dass es heute in unserer Gesellschaft andere Mittel und Wege gibt, Konflikte zu lösen, dass gewalttätiges Rebellieren ins Nichts führt, dass aber der erste Schritt von den Eltern, den staatlichen Autoritäten, also von den 'Mächtigen' getan werden muss. Die Trilogie schildert sowohl die Hilflosigkeit der Erwachsenen, ihre Flucht in die Verlogenheit und Gewalttätigkeit, als auch die Hilflosigkeit der Jugendlichen, die sich allzuoft in sinnlosen oder gar brutalen Kontestationen erschöpft."
[...]
Es ist sehr schwierig, in Mundart zu schreiben, denn wir haben in der Schweiz ja sehr viele Dialekte, und es existiert keine eigentliche Grammatik, zumindest keine, die dem heutigen Stand entspricht. Schwierigkeiten zu bewältigen, reizt mich immer. Dann aber mag ich selber Dialekt-Sendungen. Mit der Mundart kann ich vieles viel differenzierter und authentischer ausdrücken als in der Hochsprache." [...] [tvrz 40/74, W.M.Diggelmann]
 
 

Eduard Imhof
Känguruh-Report (54')
Dialekt Oberwalliser Mundart (Grengiols) [L+L]
Rudolf Stalder, Bern
1.11.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.), 83 (DRS-1, 1 Sdg.)
tvrz 43/74, S.74, Rudolf Stalder, Nur giftige Themen. Eduard Imhof: "Känguruh-Report". 20 Jahre Oberwalliser Hörspielgruppe
 
"Die Zeiten der Hochkonjunktur sind vielleicht endgültig vorbei; nicht aber die Zeiten der Spekulationsgeschäfte und des Ausverkaufs der Heimat. Unter diesem Aspekt hat die Hörspiel-Vision des Walliser Dichter-Pfarrers Eduard Imhof nichts von ihrer Aktualität und Brisanz eingebüsst: der Känguruh-Mensch als beutelfüllender Raffer! Die Aufnahme mit der Oberwalliser Hörspielgruppe ist an verschiedenen Örtlichkeiten des Goms entstanden." [Pgr 3/83, S.4]
 
"Der Bericht über Leben und Sterben des Dorfbonzen Peter-Hans Imhof: 'Ein Prachtexemplar von Mensch ... der kaum mehr weiss, was er mit seinem vielen Geld anfangen soll... der kauft dem Herrgott nächstens den Himmel ab... und wenn einmal im ganzen Kanton (Wallis) die letzte Spanne Boden verkauft sein wird, besitzt der schon Flugplätze auf dem Mars.'
Eine böse Geschichte. 'Für walliserdeutsche Ohren nicht eben vierblättriger Klee', gesteht Pfarrer Imhof. Er hat überhaupt eine Vorliebe für giftige Themen."
[...]
"Man ist versucht zu sagen, der Lötschberg verhindere leider, dass Imhofs kampflustige Literatur diesseits der Schneeberge grösseren Schaden anrichtet, Schaden, der den 'Geschädigten' nur guttun könnte. Denn mit seinem Gommerdialekt (genau die Sprechweise von Grengiols) kommt Imhof natürlich nicht sehr weit - nochmals: leider!
Seine Phantasie ist enorm, seine dichterische Potenz aussergewöhnlich, er gehört ohne Frage zur ersten Garnitur der modernen schweizerischen Mundartautoren."
Kulturbrücke Lötschberg
Davon spricht ein Rückblick auf die nun zwanzigjährige Tätigkeit der Oberwalliser Hörspielgruppe, die in dieser Zeit in Zusammenarbeit mit dem Radiostudio Bern und bis 1973 unter der Regie von Robert Egger eine ganze Reihe Oberwalliser Autoren realisiert hat. Die Radiowellen haben die Barriere Lötschberg mit Leichtigkeit überwunden, wenn auch Hörspiele in Oberwalliserdeutsch nicht überall gut ankommen, weil man diese Sprache, die eher einer Halskrankheit gleiche, sowieso nicht verstehe. [...]"
"'Ich habe kein grosses Interesse mehr, in einer Sprache zu schreiben, die durch Goethe, Rilke und Günter Grass gegangen ist. Da ist es sehr schwer, neue Bilder und Formen zu finden. Dagegen ist unser Walliserdeutsch Rohmaterial, an welchem sich kneten lässt, in dem man wirklich noch schöpferisch tätig sein kann. Dann bin ich in erster Linie Pfarrer, und es bleibt mir sehr wenig Zeit für anderes. Da muss ich fast die Kleinform wählen. Das Hörspiel im besonderen geht ja stark ins Lyrische, da lässt sich von Seite zu Seite ein neues Stimmungsbild erzeugen. Schliesslich: der Dialekt wurde allzu lange vernachlässigt, höchste Zeit, dass man ihn endlich zu Ehren zieht.'" [tvrz 43/74, Rudolf Stalder]
 
 
 
Schaggi (Jakob) Streuli
Polizischt Wäckerli im Ruhestand (48')
Typoskript bei SLA, Bern
Dialekt Kriminalhörspiel [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
18.11.74
74 (DRS-1, 3 Sdg.), 76 (DRS-1, 1 Sdg.), 81 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
tvrz 46/74, S.70/71, Lia Arkosi-Franken, Ans Alter denke ich nicht... Schaggi Streuli und sein neues Hörspiel "Polizischt Wäckerli im Ruhestand"
tvrz 30/76, S.45, --, Brummbär mit Herz. Schaggi Streuli: "Polizischt Wäckerli im Ruhestand"
TA, 29.4.85, Ursula Kägi, Das Hörspiel in der deutschen Schweiz. Auf Polizist Wäckerlis Ruinen blüht der neue Realismus
 
Produktion im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums, 25 Jahre nach Ausstrahlung der ersten Wäckerli-Folge
 
 
"Aus den 17 Sendungen der ersten Reihe wollten wir nicht nur eine Folge wiederholen; so haben wir Schaggi Streuli gebeten, eine neue Geschichte zu erfinden. Da 25 Jahre vergangen sind, ist unser Polizist Wäckerli natürlich pensioniert. Schaggi Streuli wird ihm in alter Frische Leben geben." [Pgr 3/74, S.16]
 
[...]
"Er habe ja viel schreiben müssen im Leben, aber ein inneres Bedürfnis sei es nicht gewesen, immer nur auf Anfrage."
[...]
"Für Dialekte hat er ein feines Ohr; er kann jede Nuance unterscheiden. 'Ich habe mich immer bemüht, genau so zu schreiben, wie man redet, und während ich schreibe, höre ich die Leute reden.' Das ist vielleicht eines der Geheimnisse seines grossen Wäckerli-Erfolgs. Ein anderes, grösseres aber ist wahrscheinlich die Tatsache, dass der Streuli-Wäckerli immer so gewirkt hat, wie man sich vielleicht den eigenen Vater gewünscht hätte, als eine Vaterfigur also. Was für die Franzosen ihr Jean Gabin, ist für uns eben der Schaggi Streuli. 'Kein Theater machen, so sein, wie man in der Rolle sein sollte, und wenig, so wenig wie möglich machen', fasst der Volksschauspieler seine Rollenauffassung zusammen." [...] [tvrz 46/74, Lia Arkosi-Franken]
 
"Der wackere Wäckerli, ein Brummbär mit goldenem Herzen, ist kein Geschöpf aus der Retorte. Streuli hat ihn nach einem lebendigen Vorbild gemodelt: einem Polizisten in Meilen am Zürichsee. Und er hat sich die Rolle so tadellos auf den leib geschneidert, dass man noch heute den Wäckerli mit dem Schaggi verwechselt. Und umgekehrt." [tvrz 30/76]
 
 
 
Friedrich Dürrenmatt
Der Prozess um des Esels Schatten (83')
Neuinszenierung 1974
Klaus W. Leonhard, Bern
23.11.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.), 76 (DRS-1, 1 Sdg.)
 
Brückenbauer, (?).2.83, Hans Uli von Erlach, Hörspiele von Schweizer Autoren auf Radio DRS. Theater im Äther
 
mit einem Vorspruch des Dichters (6')
Neuinszenierung im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums
 
"Die Geschichte vom Streit um des Esels Schatten stammt aus Christoph Martin Wielands Roman 'Die Abderiten'. Deshalb gab Dürrenmatt seinem 1951 entstandenen Originalhörspiel den Untertitel 'Nach Wieland - aber nicht sehr'.
Das Hin und Her um den Preis für den Schatten eines Esels nimmt politische Dimensionen an und endet für die Stadt Abdera mit der völligen Katastrophe." [Pgr 1/76, S.9]
 
"In unserer Neuinszenierung sprechen Klaus Schwarzkopf, Hans-Dieter Zeidler, Horst-Christian Beckmann, Herlinde Latzko und Rainer Zur Linde die Hauptrollen.
Mit einem Vorspruch des Autors." [Pgr 3/74, S.17]
 
 
 
Gerold Späth
Grund-Riss eines grossen Hauses (67')
Stereo Auftrag 3 [D&F]
Hans Jedlitschka, Zürich
8.12.74
74 (DRS-2, 2 Sdg.)
 
tvrz 49/74, S.73, Rudolf Blum, Nein! Nein! Gerold Späth: "Grund-Riss eines grossen Hauses"
Produktion im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums, 1974
 
"In einem grossen Herrschaftshaus mit Park liegt der Hausherr im Sterben. Es wird Totenwache gehalten. Die sich ablösenden 'Totenwächter' reden und denken über den sterbenden reichen Mann, über den erfolg-reichen. Es sind seine Frau, sein jüngerer Bruder (Teilhaber am Geschäft), sein Freund (Bevollmächtigter Geschäftsteilhaber) und sein Sohn (ein Krüppel), ein 'sabbernder, zitternder Fleischsack', wie ihn die Pflegerin nennt. Stumm, unfähig zu stehen und zu gehen und selbständig zu essen, ist sein Kommentar zum Geschehen im Hause - wortreich zwar in Gedanken - nur ein unartikulierter, gurgelnder Aufschrei. 'Nein!'.
Es bleibt weitgehend dem Hörer überlassen, die Schlussfolgerungen zu ziehen über die kläglichen, jämmerlichen Spekulationen um all das, was vom Erfolg übrigbleiben könnte. Das Hörspiel entstand als Auftragsarbeit der Abteilung Dramatik des Schweizer Radios.
Es spielen: Maria Becker, Lilian Westphal, Peter Arens, Horst Christian Beckmann und Ingold Wildenauer." [Pgr 3/74, S.22]
 
"'Es muss doch klemmen, verstehst du, das ist die Mechanik, je mehr Verklemmte es gibt, desto besser klemmt es, und je besser es klemmt, desto länger hält sich die ganze Maschinerie selber zusammen, Sünde und Sühne, was weiss ich, ergeben das einzig funktionierende Perpetuum mobile.'
Ein Schlüsselzitat aus dem neuen Roman von Gerold Späth: 'Die heile Hölle' (Verlag der Arche). Die heile Hölle, die Späth meint und die man auch eine geile Hölle nennen könnte, ist die Welt der späten Grossbourgeoisie. Sie funktioniert schick nach aussen und ist im Innern morsch, morbid und marode: eine Gesellschaft der versehrten Persönlichkeiten, der gestauchten Gefühle, der verdrängten und gehätschelten Sexualwünsche, unappetitlich schwül und zugleich eiskalt. Eine der vier Personen, die der Rapperswiler Autor in seinem - verglichen mit 'Unschlecht' und 'Stimmgänge' - formal strengen und in doppeltem Sinn um vieles 'dünneren' Dritt-Roman zeichnet, rebelliert ohnmächtig gegen die 'heile Hölle': mit einem wenig pathetischen Selbstmord.
Ein ähnlich ohnmächtiger Protest gegen das, was Späth als heile Bürger-Hölle karikiert, findet sich auch in seinem Hörspiel 'Grund-Riss eines Grossen Hauses' [...]." [tvrz 49/74, Rudolf Blum]
 
 
 
Jörg Schneider
König Meier de Tuusigscht oder De Undergang vom Tuurteland (88')

Typoskript
Typoskript bei SLA, Bern
Dialekt Komödie Auftrag Musik: Emil Moser [D&F]
Walter Baumgartner, Zürich
9.12.74
74 (DRS-1, 2 Sdg.)
 
tvrz 49/74, S.70/71, Lia Arkosi-Franken, Kasperli für Grosse. Jörg Schneider und sein Hörspiel "König Meier de Tuusigscht oder De Undergang vom Turteland"
 
Produktion im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums, 1974
 
"Vielleicht lässt das Personenverzeichnis ahnen, dass Handlung und Spässe dieses Kasperlistücks für Erwachsene nicht ganz so harmlos sind, wie man auf Grund eigener Kindheitserfahrungen annehmen würde:
De Chaschper - König Meier de Tuusigscht - Prinzässin Vreneli - Ministerpräsident Pfuusius - Oberhofmarschall Chratzfuess - Kammerfrau Plaudaria - Krösius Zinsli, Bankier - de Dokter Aeskulappi - de Redakter Windiker - de Gärtnermeischter Rüeblichruut - de Beck Gipfeler - de Metzger Blätzli - de Polizischt Wäckerli - em Chaschper sini Mueter - d'Häx Schäderäx - de Tüüfel Humschtibumschti - Volch vom Tuurteland.
Vielleicht führt uns der Kasper damit auch auf den Holzweg. Aber lustig geht es bei ihm immer zu." [Pgr 3/74, S.22]
 
[...]
"Die Schneider-Platten waren von Anfang an ein Grosserfolg, so dass nun jährlich zwei Kasperscheiben mit je zwei Stücken produziert werden. 'Ich habe nie kindertümelnd geschrieben, sondern sehr direkte, freche, herbe Dialoge, wie sie im Kasperlitheater üblich sind - und das hatte die komische Wirkung, dass auch die Erwachsenen das lustig fanden.' So lustig, dass man beim Radio auf die Idee kam, sich von Jörg Schneider einmal ein Kasperlistück für Erwachsene schreiben zu lassen. [...]
Der zündende Einfall wurde durch eine Zeitungsnotiz ausgelöst. Da hatte doch jemand so unglaublich gesund leben wollen, dass er sich an Rüeblisaft zu Tode trank. Jörg Schneider setzte diese betrübliche Meldung in ein Hörspiel um und gab ihm den schönen Titel: 'König Meier de Tuusigscht oder: De Undergang vom Turteland'. Das Tortenland symbolisiert unsere Wohlstandsgesellschaft, und die Handlung zeigt, wo man endet, wenn man der totalen Werbung ausgesetzt wird.
Es wurde immer böser
'Obwohl ich ein ganz optimistischer, heiterer Mensch bin, habe ich da ein ganz böses und sarkastisches Stück geschrieben. Es wurde einfach immer böser, ohne mein Zutun. Die Kasperlifiguren boten die Möglichkeit, Dinge so extrem und hart zu sagen, wie das bei einem normalen Stück gar nicht zu machen ist. Am Ende bin ich selbst erschrocken', sagt Schneider, liess es dann aber dabei, 'weil es im Grunde ja so ist.' Seinen Chaschper spricht Jörg Schneider selber, und zwar genau so, 'wie ich persönlich ihn sehe: eine sympathische, alterslose, gutmütige Person, aber nicht frei von Fehlern und menschlichen Schwächen'. Im Tortenland ergeht es dem Chaschper schlecht: Sein lineares Denken, sein Witz, seine Gutmütigkeit und politische Harmlosigkeit werden schamlos manipuliert und ausgenutzt." [...] [tvrz 49/74, Lia Arkosi-Franken]
 
 
 
Hans Rudolf Hubler
Stimmen us der Nacht. Es bärndütsches Hirtespil (54')
Dialekt Berndeutsch Musik: Klaus Cornell [L+L]
Hans Rudolf Hubler, Bern
24.12.74
74 (DRS-1, 1 Sdg.)

1973        1975